Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Neuntes Capitel, zur Richtigkeit gekommen, daß, wenn man ein-mahl mit der Definition einer Sache fertig ist, bey den Conclusionen beynahe keine Schwierigkeiten und Zweiffel nur entstehen, geschweige denn ferner herrschen kan: mit der historischen Erkentniß aber haben sich die Philosophen bisher noch gar nicht be- schäfftiget, das wahre und falsche, noch weniger aber das gewisse und ungewisse aus einander zu setzen. §. 11. Die Gewißheit der Sinne. Cörperliche, oder welches einerley ist, sinnli- der
Neuntes Capitel, zur Richtigkeit gekommen, daß, wenn man ein-mahl mit der Definition einer Sache fertig iſt, bey den Concluſionen beynahe keine Schwierigkeiten und Zweiffel nur entſtehen, geſchweige denn ferner herrſchen kan: mit der hiſtoriſchen Erkentniß aber haben ſich die Philoſophen bisher noch gar nicht be- ſchaͤfftiget, das wahre und falſche, noch weniger aber das gewiſſe und ungewiſſe aus einander zu ſetzen. §. 11. Die Gewißheit der Sinne. Coͤrperliche, oder welches einerley iſt, ſinnli- der
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Neuntes Capitel,
zur Richtigkeit gekommen, daß, wenn man ein-
mahl mit der Definition einer Sache fertig iſt, bey
den Concluſionen beynahe keine Schwierigkeiten
und Zweiffel nur entſtehen, geſchweige denn ferner
herrſchen kan: mit der hiſtoriſchen Erkentniß aber
haben ſich die Philoſophen bisher noch gar nicht be-
ſchaͤfftiget, das wahre und falſche, noch weniger
aber das gewiſſe und ungewiſſe aus einander zu
ſetzen.
§. 11.
Die Gewißheit der Sinne.
Coͤrperliche, oder welches einerley iſt, ſinnli-
che Dinge muͤſſen auch durch die Sinne erkannt
werden. Dies iſt daher die rechte und beſte Art,
coͤrperliche Dinge zu erkennen, wenn man ſelbſt
mit ſeinen Sinnen dabey iſt: doch koͤnnen ſie auch
auf andere Art, nehmlich aus Ausſagen erkannt
werden. Darinnen kommen nun alle Menſchen
uͤberein, daß ſie die Urtheile, welche ſie durch die
Sinne gemacht haben, unveraͤnderlich beybehal-
ten; und daher denen Sinnen die alleruntruͤglich-
ſte Gewißheit beylegen. Auch hindert nicht, daß
wir iezuweilen, aus Mangel der Aufmerckſamkeit,
oder durch ein vitium ſubreptionis uns Dinge em-
pfunden zu haben einbilden, die wir doch wuͤrcklich
nicht empfunden haben, und die nicht vorhanden
geweſen ſind. Denn wie der Gewißheit der De-
monſtrationen dadurch nichts abgehet, daß oͤff-
ters was im Demonſtriren verſehen wird; und der
Gewißheit der Rechnungen, daß man iezuwei-
len ſich verrechnet; alſo ſchadet auch der Gewißheit
der
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