Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

von der Gewißheit der Geschichte etc.
als ein theorema, wenn sie sich als ein theorema zur
Definition verhält.

§. 10.
Logikalische Regeln wehren dem Zweiffel.

Also überhaupt, wenn man jede Wahrheit nach
ihrer rechten Art und auf die rechte Weise einsie-
het, wie sie der Natur der Sache und unserer
Seelen nach erkannt werden kan, so werden wir
von unsern einmahl gefälleten Urtheilen von uns
selbst abzugehen so wenig Ursache finden, als je-
mand bey einem Axiomate oder Corollario zweif-
felt. Nur dieses wäre etwa zu besorgen, daß nicht
andere ihre irrige und betrügerische Vorstellungen
uns mittheilten, und uns dadurch in der Seele irre
machen, und unsere bisherige Gewißheit stöh-
ren möchten. Aber dabey ist zu mercken: 1. Daß
man wenigstens bey allgemeinen Wahrheiten, wenn
man jeden Satz auf die rechte Art erkennet, auch
meistens im Stande ist, die Sophistereyen zu wi-
derlegen: iedoch daß 2. die Widerlegung meistens
einige Zeit und Nachdencken erfordert: damit man
aber 3. unterdessen nicht durch das Blendwerck des
Jrrthums irre gemacht werde, so ist nöthig, daß
man auch die Regeln wisse, wie mit jeder Art der
Wahrheiten umzugehen ist; als wodurch erhal-
ten wird, daß wir nicht allein auf dem rechte Wege
sind, sondern auch wissen, daß wir auf dem rech-
ten Wege sind. Und diese Regeln gehören ohn-
streitig zur Vernunfftlehre. Jn derselben ist man
nun zwar mit denen allgemeinen Wahrheiten

zur
T 2

von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
als ein theorema, wenn ſie ſich als ein theorema zur
Definition verhaͤlt.

§. 10.
Logikaliſche Regeln wehren dem Zweiffel.

Alſo uͤberhaupt, wenn man jede Wahrheit nach
ihrer rechten Art und auf die rechte Weiſe einſie-
het, wie ſie der Natur der Sache und unſerer
Seelen nach erkannt werden kan, ſo werden wir
von unſern einmahl gefaͤlleten Urtheilen von uns
ſelbſt abzugehen ſo wenig Urſache finden, als je-
mand bey einem Axiomate oder Corollario zweif-
felt. Nur dieſes waͤre etwa zu beſorgen, daß nicht
andere ihre irrige und betruͤgeriſche Vorſtellungen
uns mittheilten, und uns dadurch in der Seele irre
machen, und unſere bisherige Gewißheit ſtoͤh-
ren moͤchten. Aber dabey iſt zu mercken: 1. Daß
man wenigſtens bey allgemeinen Wahrheiten, wenn
man jeden Satz auf die rechte Art erkennet, auch
meiſtens im Stande iſt, die Sophiſtereyen zu wi-
derlegen: iedoch daß 2. die Widerlegung meiſtens
einige Zeit und Nachdencken erfordert: damit man
aber 3. unterdeſſen nicht durch das Blendwerck des
Jrrthums irre gemacht werde, ſo iſt noͤthig, daß
man auch die Regeln wiſſe, wie mit jeder Art der
Wahrheiten umzugehen iſt; als wodurch erhal-
ten wird, daß wir nicht allein auf dem rechte Wege
ſind, ſondern auch wiſſen, daß wir auf dem rech-
ten Wege ſind. Und dieſe Regeln gehoͤren ohn-
ſtreitig zur Vernunfftlehre. Jn derſelben iſt man
nun zwar mit denen allgemeinen Wahrheiten

zur
T 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="291"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der Gewißheit der Ge&#x017F;chichte &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
als ein <hi rendition="#aq">theorema,</hi> wenn &#x017F;ie &#x017F;ich als ein <hi rendition="#aq">theorema</hi> zur<lb/>
Definition verha&#x0364;lt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 10.<lb/>
Logikali&#x017F;che Regeln wehren dem Zweiffel.</head><lb/>
          <p>Al&#x017F;o u&#x0364;berhaupt, wenn man jede Wahrheit nach<lb/>
ihrer <hi rendition="#fr">rechten Art</hi> und auf die rechte Wei&#x017F;e ein&#x017F;ie-<lb/>
het, wie &#x017F;ie der Natur der <hi rendition="#fr">Sache</hi> und un&#x017F;erer<lb/><hi rendition="#fr">Seelen</hi> nach erkannt werden kan, &#x017F;o werden wir<lb/>
von un&#x017F;ern einmahl gefa&#x0364;lleten Urtheilen von uns<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t abzugehen &#x017F;o wenig Ur&#x017F;ache finden, als je-<lb/>
mand bey einem <hi rendition="#aq">Axiomate</hi> oder <hi rendition="#aq">Corollario</hi> zweif-<lb/>
felt. Nur die&#x017F;es wa&#x0364;re etwa zu be&#x017F;orgen, daß nicht<lb/>
andere ihre irrige und betru&#x0364;geri&#x017F;che Vor&#x017F;tellungen<lb/>
uns mittheilten, und uns dadurch in der Seele irre<lb/>
machen, und un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">bisherige</hi> Gewißheit &#x017F;to&#x0364;h-<lb/>
ren mo&#x0364;chten. Aber dabey i&#x017F;t zu mercken: 1. Daß<lb/>
man wenig&#x017F;tens bey allgemeinen Wahrheiten, wenn<lb/>
man jeden Satz auf die rechte Art erkennet, auch<lb/>
mei&#x017F;tens im Stande i&#x017F;t, die Sophi&#x017F;tereyen zu wi-<lb/>
derlegen: iedoch daß 2. die Widerlegung mei&#x017F;tens<lb/>
einige Zeit und Nachdencken erfordert: damit man<lb/>
aber 3. unterde&#x017F;&#x017F;en nicht durch das Blendwerck des<lb/>
Jrrthums irre gemacht werde, &#x017F;o i&#x017F;t no&#x0364;thig, daß<lb/>
man auch die <hi rendition="#fr">Regeln wi&#x017F;&#x017F;e,</hi> wie mit jeder Art der<lb/><hi rendition="#fr">Wahrheiten</hi> umzugehen i&#x017F;t; als wodurch erhal-<lb/>
ten wird, daß wir nicht allein auf dem rechte Wege<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;ondern auch <hi rendition="#fr">wi&#x017F;&#x017F;en,</hi> daß wir auf dem rech-<lb/>
ten Wege &#x017F;ind. Und die&#x017F;e Regeln geho&#x0364;ren ohn-<lb/>
&#x017F;treitig zur Vernunfftlehre. Jn der&#x017F;elben i&#x017F;t man<lb/>
nun zwar mit denen <hi rendition="#fr">allgemeinen Wahrheiten</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 2</fw><fw place="bottom" type="catch">zur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0327] von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc. als ein theorema, wenn ſie ſich als ein theorema zur Definition verhaͤlt. §. 10. Logikaliſche Regeln wehren dem Zweiffel. Alſo uͤberhaupt, wenn man jede Wahrheit nach ihrer rechten Art und auf die rechte Weiſe einſie- het, wie ſie der Natur der Sache und unſerer Seelen nach erkannt werden kan, ſo werden wir von unſern einmahl gefaͤlleten Urtheilen von uns ſelbſt abzugehen ſo wenig Urſache finden, als je- mand bey einem Axiomate oder Corollario zweif- felt. Nur dieſes waͤre etwa zu beſorgen, daß nicht andere ihre irrige und betruͤgeriſche Vorſtellungen uns mittheilten, und uns dadurch in der Seele irre machen, und unſere bisherige Gewißheit ſtoͤh- ren moͤchten. Aber dabey iſt zu mercken: 1. Daß man wenigſtens bey allgemeinen Wahrheiten, wenn man jeden Satz auf die rechte Art erkennet, auch meiſtens im Stande iſt, die Sophiſtereyen zu wi- derlegen: iedoch daß 2. die Widerlegung meiſtens einige Zeit und Nachdencken erfordert: damit man aber 3. unterdeſſen nicht durch das Blendwerck des Jrrthums irre gemacht werde, ſo iſt noͤthig, daß man auch die Regeln wiſſe, wie mit jeder Art der Wahrheiten umzugehen iſt; als wodurch erhal- ten wird, daß wir nicht allein auf dem rechte Wege ſind, ſondern auch wiſſen, daß wir auf dem rech- ten Wege ſind. Und dieſe Regeln gehoͤren ohn- ſtreitig zur Vernunfftlehre. Jn derſelben iſt man nun zwar mit denen allgemeinen Wahrheiten zur T 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/327
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/327>, abgerufen am 13.11.2024.