Eine Geschichte ist daher eine Reyhe Be- gebenheiten, die an einander passen, und an ein- ander gefügt sind. Nun trifft man zwar in de- nen allgemeinen Wahrheiten einen innerlichen Un- terscheid an, daß einige Grundsätze sind, andere aber Folgen,Corollaria und Theoremata: Und zwar verhalten sich diese so gegen einander, daß wenn man nur die erstern weiß, so kan man die andern, aus seinem eigenen Nachdencken, erfinden. Dergleichen Eintheilung aber ist bey denen Be- gebenheiten nicht zu gedencken: Sondern da ist eines wie das andere zufällig: Jede folgende Be- gebenheit muß sowohl als die vorhergegangenen, durch ein Anschauungsurtheil erkannt werden (§. 3. Cap. 1.): Daher ist die historische Erkent- niß eine Reyhe von lauter Anschauungsurthei- len: Welche sich durch Nachrichten, Erzehlungen, Urkunden, Aussagen, und Nachsagen aus einer Seele in die andere ausbreiten. Will man aber dennoch in denen historischen Sätzen, die eine Er- zehlung ausmachen, einen Unterscheid suchen, und etwas denen Principiis einer Demonstration ähn- liches setzen, so muß es auf eine andere und fol- gende Art geschehen. Wir haben gesehen, wie es mit dem Ursprunge einer Geschichte beschaffen ist. Es wird nehmlich eine Gelegenheit voraus ge- setzt, daraus ein Anschlag, oder That erfolgt, die denn viele Folgen nach sich ziehet (§. 12.). Die Gelegenheit ist noch als etwas anzusehen, daß
ausser
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v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
§. 52. Was der Grund einer Geſchichte heiſſet?
Eine Geſchichte iſt daher eine Reyhe Be- gebenheiten, die an einander paſſen, und an ein- ander gefuͤgt ſind. Nun trifft man zwar in de- nen allgemeinen Wahrheiten einen innerlichen Un- terſcheid an, daß einige Grundſaͤtze ſind, andere aber Folgen,Corollaria und Theoremata: Und zwar verhalten ſich dieſe ſo gegen einander, daß wenn man nur die erſtern weiß, ſo kan man die andern, aus ſeinem eigenen Nachdencken, erfinden. Dergleichen Eintheilung aber iſt bey denen Be- gebenheiten nicht zu gedencken: Sondern da iſt eines wie das andere zufaͤllig: Jede folgende Be- gebenheit muß ſowohl als die vorhergegangenen, durch ein Anſchauungsurtheil erkannt werden (§. 3. Cap. 1.): Daher iſt die hiſtoriſche Erkent- niß eine Reyhe von lauter Anſchauungsurthei- len: Welche ſich durch Nachrichten, Erzehlungen, Urkunden, Ausſagen, und Nachſagen aus einer Seele in die andere ausbreiten. Will man aber dennoch in denen hiſtoriſchen Saͤtzen, die eine Er- zehlung ausmachen, einen Unterſcheid ſuchen, und etwas denen Principiis einer Demonſtration aͤhn- liches ſetzen, ſo muß es auf eine andere und fol- gende Art geſchehen. Wir haben geſehen, wie es mit dem Urſprunge einer Geſchichte beſchaffen iſt. Es wird nehmlich eine Gelegenheit voraus ge- ſetzt, daraus ein Anſchlag, oder That erfolgt, die denn viele Folgen nach ſich ziehet (§. 12.). Die Gelegenheit iſt noch als etwas anzuſehen, daß
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v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
§. 52.
Was der Grund einer Geſchichte heiſſet?
Eine Geſchichte iſt daher eine Reyhe Be-
gebenheiten, die an einander paſſen, und an ein-
ander gefuͤgt ſind. Nun trifft man zwar in de-
nen allgemeinen Wahrheiten einen innerlichen Un-
terſcheid an, daß einige Grundſaͤtze ſind, andere
aber Folgen, Corollaria und Theoremata: Und
zwar verhalten ſich dieſe ſo gegen einander, daß
wenn man nur die erſtern weiß, ſo kan man die
andern, aus ſeinem eigenen Nachdencken, erfinden.
Dergleichen Eintheilung aber iſt bey denen Be-
gebenheiten nicht zu gedencken: Sondern da iſt
eines wie das andere zufaͤllig: Jede folgende Be-
gebenheit muß ſowohl als die vorhergegangenen,
durch ein Anſchauungsurtheil erkannt werden
(§. 3. Cap. 1.): Daher iſt die hiſtoriſche Erkent-
niß eine Reyhe von lauter Anſchauungsurthei-
len: Welche ſich durch Nachrichten, Erzehlungen,
Urkunden, Ausſagen, und Nachſagen aus einer
Seele in die andere ausbreiten. Will man aber
dennoch in denen hiſtoriſchen Saͤtzen, die eine Er-
zehlung ausmachen, einen Unterſcheid ſuchen, und
etwas denen Principiis einer Demonſtration aͤhn-
liches ſetzen, ſo muß es auf eine andere und fol-
gende Art geſchehen. Wir haben geſehen, wie es
mit dem Urſprunge einer Geſchichte beſchaffen iſt.
Es wird nehmlich eine Gelegenheit voraus ge-
ſetzt, daraus ein Anſchlag, oder That erfolgt, die
denn viele Folgen nach ſich ziehet (§. 12.). Die
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/311>, abgerufen am 23.11.2024.
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