Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Capitel,
§. 44.
Wir erkennen die physicalischen Begebenheiten
nur Stückweise.

So sind in physicalischen Dingen 1. verdeck-
te
Umstände und Eigenschafften, die zwar könten
gefühlet werden, oder überhaupt empfunden
werden; da aber zufälliger Weise niemand dabey
gewesen ist, oder auch niemand dabey seyn kan.
Was nicht gar zu tieff in der Erden vorgehet, das
liesse sich noch durch die Sinne erkennen; wir erken-
nen es aber doch nicht, weil wir eben nicht nachge-
graben haben; daher wir uns öffters wundern, daß
ein Gebäude sincket, davon man die Ursache bey
tieffern Nachgraben finden könnte. Wir wissen
den Ursprung mancher Quelle nicht, die man durch
nachgraben ebenfalls ausfündig machen könte.
Was in unserm eigenen Leibe vorgehet, ist uns ver-
borgen und verdeckt, weil man den Leib, ohne
tödtliche Wunden zu verursachen, nicht öffnen kan.
2. Sind die cörperlichen Dinge zum Theil zu weit
von uns enfernet; wie die Himmelscörper. 3.
Sind die meisten Dinge mit den Sinnen nicht zu er-
forschen, wegen ihrer Kleinigkeit. Wir kön-
nen nicht bemercken, was mit denen kleinen Thei-
len vorgehet in der Jährung, in der Fäulniß,
in dem Wachsthum: und wir müssen uns an der
Betrachtung der Dinge, die auf solche Weise zu
Stande gebracht worden, gnügen lassen.

§. 45.
Achtes Capitel,
§. 44.
Wir erkennen die phyſicaliſchen Begebenheiten
nur Stuͤckweiſe.

So ſind in phyſicaliſchen Dingen 1. verdeck-
te
Umſtaͤnde und Eigenſchafften, die zwar koͤnten
gefuͤhlet werden, oder uͤberhaupt empfunden
werden; da aber zufaͤlliger Weiſe niemand dabey
geweſen iſt, oder auch niemand dabey ſeyn kan.
Was nicht gar zu tieff in der Erden vorgehet, das
lieſſe ſich noch durch die Sinne erkennen; wir erken-
nen es aber doch nicht, weil wir eben nicht nachge-
graben haben; daher wir uns oͤffters wundern, daß
ein Gebaͤude ſincket, davon man die Urſache bey
tieffern Nachgraben finden koͤnnte. Wir wiſſen
den Urſprung mancher Quelle nicht, die man durch
nachgraben ebenfalls ausfuͤndig machen koͤnte.
Was in unſerm eigenen Leibe vorgehet, iſt uns ver-
borgen und verdeckt, weil man den Leib, ohne
toͤdtliche Wunden zu verurſachen, nicht oͤffnen kan.
2. Sind die coͤrperlichen Dinge zum Theil zu weit
von uns enfernet; wie die Himmelscoͤrper. 3.
Sind die meiſten Dinge mit den Sinnen nicht zu er-
forſchen, wegen ihrer Kleinigkeit. Wir koͤn-
nen nicht bemercken, was mit denen kleinen Thei-
len vorgehet in der Jaͤhrung, in der Faͤulniß,
in dem Wachsthum: und wir muͤſſen uns an der
Betrachtung der Dinge, die auf ſolche Weiſe zu
Stande gebracht worden, gnuͤgen laſſen.

§. 45.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0300" n="264"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achtes Capitel,</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 44.<lb/>
Wir erkennen die phy&#x017F;icali&#x017F;chen Begebenheiten<lb/>
nur Stu&#x0364;ckwei&#x017F;e.</head><lb/>
          <p>So &#x017F;ind in phy&#x017F;icali&#x017F;chen Dingen 1. <hi rendition="#fr">verdeck-<lb/>
te</hi> Um&#x017F;ta&#x0364;nde und Eigen&#x017F;chafften, die zwar ko&#x0364;nten<lb/><hi rendition="#fr">gefu&#x0364;hlet</hi> werden, oder u&#x0364;berhaupt <hi rendition="#fr">empfunden</hi><lb/>
werden; da aber zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e niemand dabey<lb/>
gewe&#x017F;en i&#x017F;t, oder auch niemand dabey &#x017F;eyn kan.<lb/>
Was nicht gar zu tieff in der Erden vorgehet, das<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich noch durch die Sinne erkennen; wir erken-<lb/>
nen es aber doch nicht, weil wir eben nicht nachge-<lb/>
graben haben; daher wir uns o&#x0364;ffters wundern, daß<lb/>
ein Geba&#x0364;ude &#x017F;incket, davon man die Ur&#x017F;ache bey<lb/>
tieffern Nachgraben finden ko&#x0364;nnte. Wir wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
den Ur&#x017F;prung mancher Quelle nicht, die man durch<lb/>
nachgraben ebenfalls ausfu&#x0364;ndig machen ko&#x0364;nte.<lb/>
Was in un&#x017F;erm eigenen Leibe vorgehet, i&#x017F;t uns ver-<lb/>
borgen und verdeckt, weil man den Leib, ohne<lb/>
to&#x0364;dtliche Wunden zu verur&#x017F;achen, nicht o&#x0364;ffnen kan.<lb/>
2. Sind die co&#x0364;rperlichen Dinge zum Theil zu weit<lb/>
von uns enfernet; wie die Himmelsco&#x0364;rper. 3.<lb/>
Sind die mei&#x017F;ten Dinge mit den Sinnen nicht zu er-<lb/>
for&#x017F;chen, wegen ihrer <hi rendition="#fr">Kleinigkeit.</hi> Wir ko&#x0364;n-<lb/>
nen nicht bemercken, was mit denen kleinen Thei-<lb/>
len vorgehet in der <hi rendition="#fr">Ja&#x0364;hrung,</hi> in der <hi rendition="#fr">Fa&#x0364;ulniß,</hi><lb/>
in dem <hi rendition="#fr">Wachsthum</hi>: und wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns an der<lb/>
Betrachtung der Dinge, die auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e zu<lb/>
Stande gebracht worden, gnu&#x0364;gen la&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 45.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0300] Achtes Capitel, §. 44. Wir erkennen die phyſicaliſchen Begebenheiten nur Stuͤckweiſe. So ſind in phyſicaliſchen Dingen 1. verdeck- te Umſtaͤnde und Eigenſchafften, die zwar koͤnten gefuͤhlet werden, oder uͤberhaupt empfunden werden; da aber zufaͤlliger Weiſe niemand dabey geweſen iſt, oder auch niemand dabey ſeyn kan. Was nicht gar zu tieff in der Erden vorgehet, das lieſſe ſich noch durch die Sinne erkennen; wir erken- nen es aber doch nicht, weil wir eben nicht nachge- graben haben; daher wir uns oͤffters wundern, daß ein Gebaͤude ſincket, davon man die Urſache bey tieffern Nachgraben finden koͤnnte. Wir wiſſen den Urſprung mancher Quelle nicht, die man durch nachgraben ebenfalls ausfuͤndig machen koͤnte. Was in unſerm eigenen Leibe vorgehet, iſt uns ver- borgen und verdeckt, weil man den Leib, ohne toͤdtliche Wunden zu verurſachen, nicht oͤffnen kan. 2. Sind die coͤrperlichen Dinge zum Theil zu weit von uns enfernet; wie die Himmelscoͤrper. 3. Sind die meiſten Dinge mit den Sinnen nicht zu er- forſchen, wegen ihrer Kleinigkeit. Wir koͤn- nen nicht bemercken, was mit denen kleinen Thei- len vorgehet in der Jaͤhrung, in der Faͤulniß, in dem Wachsthum: und wir muͤſſen uns an der Betrachtung der Dinge, die auf ſolche Weiſe zu Stande gebracht worden, gnuͤgen laſſen. §. 45.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/300
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/300>, abgerufen am 13.11.2024.