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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
Grosser Herrren auch an sich nicht wichtigen Unter-
nehmungen, wird dennoch sehr nachgedacht, was
sie vor Ursachen haben mögen, weil man bey ihnen
zuforderst supponirt, daß sie hauptsächlich selbst das-
jenige, was Privat-Personen etwa zum blossen Ver-
gnügen thäten, dennoch mehr aus Absichten, als
zum eigentlichen Vergnügen thun. Hier würde
nun zuförderst zu untersuchen seyn: was die Hand-
lung, deren Ursache wir untersuchen, ihrer Na-
tur nach vor Folgen nach sich ziehen könne? denn
die Absicht ist nichts anders, als eine Folge,
oder eine Menge von Folgen, welche man voraus
siehet, und darnebst auch zu erhalten begehrt. Es
sind aber die Folgen einer Handlung oder Bege-
benheit von verschiedener Art. 1. Manchmahl ist
die nächste Folge mit der vorigen so genau ver-
knüpft, daß sie natürlicher Weise nicht anders, als
daraus erfolgen kan. Denn wenn z. E. ein Trupp
mit Pferden und Wagen sich in eine Defilee einge-
lassen, so muß ihre Jntention seyn, an den Ort
hinzukommen, wo die Defilee sich endiget: denn
das Lencken und Umkehren ist daselbst nicht practi-
cable. 2. Zum Theil haben die Handlungen meh-
rere mögliche Folgen, die sich aber dennoch noch in
eine Zahl fassen und übersehen lassen. Als wenn
sich ein Weg in 2. oder 3. andere zertheilet, so kan
ich zwar noch nicht wissen, wo die Menschen, wel-
che auf der Hauptstrasse gehen, fahren oder reuten,
sich hinschlagen werden; aber die Anzahl der
Fälle ist doch noch zu übersehen. Wer so grosse
Reisen, wie nach Ostindien unternimmt, thut
solches wohl aus Absichten, entweder zu handeln,

oder
R 2

v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
Groſſer Herrren auch an ſich nicht wichtigen Unter-
nehmungen, wird dennoch ſehr nachgedacht, was
ſie vor Urſachen haben moͤgen, weil man bey ihnen
zuforderſt ſupponirt, daß ſie hauptſaͤchlich ſelbſt das-
jenige, was Privat-Perſonen etwa zum bloſſen Ver-
gnuͤgen thaͤten, dennoch mehr aus Abſichten, als
zum eigentlichen Vergnuͤgen thun. Hier wuͤrde
nun zufoͤrderſt zu unterſuchen ſeyn: was die Hand-
lung, deren Urſache wir unterſuchen, ihrer Na-
tur nach vor Folgen nach ſich ziehen koͤnne? denn
die Abſicht iſt nichts anders, als eine Folge,
oder eine Menge von Folgen, welche man voraus
ſiehet, und darnebſt auch zu erhalten begehrt. Es
ſind aber die Folgen einer Handlung oder Bege-
benheit von verſchiedener Art. 1. Manchmahl iſt
die naͤchſte Folge mit der vorigen ſo genau ver-
knuͤpft, daß ſie natuͤrlicher Weiſe nicht anders, als
daraus erfolgen kan. Denn wenn z. E. ein Trupp
mit Pferden und Wagen ſich in eine Defilee einge-
laſſen, ſo muß ihre Jntention ſeyn, an den Ort
hinzukommen, wo die Defilee ſich endiget: denn
das Lencken und Umkehren iſt daſelbſt nicht practi-
cable. 2. Zum Theil haben die Handlungen meh-
rere moͤgliche Folgen, die ſich aber dennoch noch in
eine Zahl faſſen und uͤberſehen laſſen. Als wenn
ſich ein Weg in 2. oder 3. andere zertheilet, ſo kan
ich zwar noch nicht wiſſen, wo die Menſchen, wel-
che auf der Hauptſtraſſe gehen, fahren oder reuten,
ſich hinſchlagen werden; aber die Anzahl der
Faͤlle iſt doch noch zu uͤberſehen. Wer ſo groſſe
Reiſen, wie nach Oſtindien unternimmt, thut
ſolches wohl aus Abſichten, entweder zu handeln,

oder
R 2
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[259/0295] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. Groſſer Herrren auch an ſich nicht wichtigen Unter- nehmungen, wird dennoch ſehr nachgedacht, was ſie vor Urſachen haben moͤgen, weil man bey ihnen zuforderſt ſupponirt, daß ſie hauptſaͤchlich ſelbſt das- jenige, was Privat-Perſonen etwa zum bloſſen Ver- gnuͤgen thaͤten, dennoch mehr aus Abſichten, als zum eigentlichen Vergnuͤgen thun. Hier wuͤrde nun zufoͤrderſt zu unterſuchen ſeyn: was die Hand- lung, deren Urſache wir unterſuchen, ihrer Na- tur nach vor Folgen nach ſich ziehen koͤnne? denn die Abſicht iſt nichts anders, als eine Folge, oder eine Menge von Folgen, welche man voraus ſiehet, und darnebſt auch zu erhalten begehrt. Es ſind aber die Folgen einer Handlung oder Bege- benheit von verſchiedener Art. 1. Manchmahl iſt die naͤchſte Folge mit der vorigen ſo genau ver- knuͤpft, daß ſie natuͤrlicher Weiſe nicht anders, als daraus erfolgen kan. Denn wenn z. E. ein Trupp mit Pferden und Wagen ſich in eine Defilee einge- laſſen, ſo muß ihre Jntention ſeyn, an den Ort hinzukommen, wo die Defilee ſich endiget: denn das Lencken und Umkehren iſt daſelbſt nicht practi- cable. 2. Zum Theil haben die Handlungen meh- rere moͤgliche Folgen, die ſich aber dennoch noch in eine Zahl faſſen und uͤberſehen laſſen. Als wenn ſich ein Weg in 2. oder 3. andere zertheilet, ſo kan ich zwar noch nicht wiſſen, wo die Menſchen, wel- che auf der Hauptſtraſſe gehen, fahren oder reuten, ſich hinſchlagen werden; aber die Anzahl der Faͤlle iſt doch noch zu uͤberſehen. Wer ſo groſſe Reiſen, wie nach Oſtindien unternimmt, thut ſolches wohl aus Abſichten, entweder zu handeln, oder R 2

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/295>, abgerufen am 16.07.2024.