Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
nennet werden, dergestalt, daß wenn iemand eine
Geschichte will erzehlt haben; er in der That kei-
ne andere als eine von dieser Art verstehet.
Denn 1. sind solche verwirrte Händel meistens der
Weg und Mittel, wodurch grosse, und dauerhaff-
te Dinge in der Welt zur Würcklichkeit gebracht
werden. Die Verwirrungen nach Cäsars Tode
brachten die Monarchische Regierung zu Rom zu
Stande, die nachher beständig fortgedauret hat.
Der dreysigjährige Krieg hat den Westphälischen
Frieden nach sich gezogen, dessen sich unser Vater-
land noch ietzo zu erfreuen hat. Selbst eintzel-
ner Menschen ihre Wege hat Gott so eingerich-
tet, daß ehe sie, wie man zu reden pfleget, zur Ru-
he kommen, und ihr Glück machen, in mancher
Verwirrung ihrer Umstände eine Zeitlang schwe-
ben müssen. 2. Ruhige Zeiten sind vor Geschich-
te ein mager Land, verwirrte Händel geben zu Er-
zehlungen hingegen den besten Stoff: Denn sie
geben der Einbildungskrafft der Menschen eine an-
genehme Beschäfftigung, daß jeder sich bloß durch
Lesen und Anhören dabey intereßirt. Weil aber
verwirrte Händel die beste Waare vor Liebhaber
der Geschichte sind; so sind sie es auch vor einen
Geschichtsschreiber, der sein Talent zeigen will.
Denn da häuffen sich die (§. 26.) angeführten
Schwierigkeiten, wie nehmlich die Stücke zu ord-
nen sind, da viele Dinge, die zu gleicher Zeit, bey
denen verschiedenen Jnteressenten zu einer Zeit
vorgegangen, doch nach einander müssen erzehlt
werden.

§. 31.
Q 2

v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
nennet werden, dergeſtalt, daß wenn iemand eine
Geſchichte will erzehlt haben; er in der That kei-
ne andere als eine von dieſer Art verſtehet.
Denn 1. ſind ſolche verwirrte Haͤndel meiſtens der
Weg und Mittel, wodurch groſſe, und dauerhaff-
te Dinge in der Welt zur Wuͤrcklichkeit gebracht
werden. Die Verwirrungen nach Caͤſars Tode
brachten die Monarchiſche Regierung zu Rom zu
Stande, die nachher beſtaͤndig fortgedauret hat.
Der dreyſigjaͤhrige Krieg hat den Weſtphaͤliſchen
Frieden nach ſich gezogen, deſſen ſich unſer Vater-
land noch ietzo zu erfreuen hat. Selbſt eintzel-
ner Menſchen ihre Wege hat Gott ſo eingerich-
tet, daß ehe ſie, wie man zu reden pfleget, zur Ru-
he kommen, und ihr Gluͤck machen, in mancher
Verwirrung ihrer Umſtaͤnde eine Zeitlang ſchwe-
ben muͤſſen. 2. Ruhige Zeiten ſind vor Geſchich-
te ein mager Land, verwirrte Haͤndel geben zu Er-
zehlungen hingegen den beſten Stoff: Denn ſie
geben der Einbildungskrafft der Menſchen eine an-
genehme Beſchaͤfftigung, daß jeder ſich bloß durch
Leſen und Anhoͤren dabey intereßirt. Weil aber
verwirrte Haͤndel die beſte Waare vor Liebhaber
der Geſchichte ſind; ſo ſind ſie es auch vor einen
Geſchichtsſchreiber, der ſein Talent zeigen will.
Denn da haͤuffen ſich die (§. 26.) angefuͤhrten
Schwierigkeiten, wie nehmlich die Stuͤcke zu ord-
nen ſind, da viele Dinge, die zu gleicher Zeit, bey
denen verſchiedenen Jntereſſenten zu einer Zeit
vorgegangen, doch nach einander muͤſſen erzehlt
werden.

§. 31.
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="243"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">v. d. Zu&#x017F;ammenhange d. Begebenh. &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
nennet werden, derge&#x017F;talt, daß wenn iemand eine<lb/>
Ge&#x017F;chichte will erzehlt haben; er in der That kei-<lb/>
ne andere als eine von die&#x017F;er Art <hi rendition="#fr">ver&#x017F;tehet.</hi><lb/>
Denn 1. &#x017F;ind &#x017F;olche verwirrte Ha&#x0364;ndel mei&#x017F;tens der<lb/>
Weg und Mittel, wodurch gro&#x017F;&#x017F;e, und dauerhaff-<lb/>
te Dinge in der Welt zur Wu&#x0364;rcklichkeit gebracht<lb/>
werden. Die Verwirrungen nach Ca&#x0364;&#x017F;ars <hi rendition="#fr">Tode</hi><lb/>
brachten die Monarchi&#x017F;che Regierung zu Rom zu<lb/>
Stande, die nachher be&#x017F;ta&#x0364;ndig fortgedauret hat.<lb/>
Der drey&#x017F;igja&#x0364;hrige Krieg hat den We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen<lb/>
Frieden nach &#x017F;ich gezogen, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich un&#x017F;er Vater-<lb/>
land noch ietzo zu erfreuen hat. Selb&#x017F;t eintzel-<lb/>
ner Men&#x017F;chen ihre Wege hat Gott &#x017F;o eingerich-<lb/>
tet, daß ehe &#x017F;ie, wie man zu reden pfleget, zur Ru-<lb/>
he kommen, und ihr Glu&#x0364;ck machen, in mancher<lb/>
Verwirrung ihrer Um&#x017F;ta&#x0364;nde eine Zeitlang &#x017F;chwe-<lb/>
ben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. 2. Ruhige Zeiten &#x017F;ind vor Ge&#x017F;chich-<lb/>
te ein mager Land, verwirrte Ha&#x0364;ndel geben zu Er-<lb/>
zehlungen hingegen den be&#x017F;ten Stoff: Denn &#x017F;ie<lb/>
geben der Einbildungskrafft der Men&#x017F;chen eine an-<lb/>
genehme Be&#x017F;cha&#x0364;fftigung, daß jeder &#x017F;ich bloß durch<lb/>
Le&#x017F;en und Anho&#x0364;ren dabey intereßirt. Weil aber<lb/>
verwirrte Ha&#x0364;ndel die be&#x017F;te Waare vor Liebhaber<lb/>
der Ge&#x017F;chichte &#x017F;ind; &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie es auch vor einen<lb/>
Ge&#x017F;chichts&#x017F;chreiber, der &#x017F;ein Talent zeigen will.<lb/>
Denn da ha&#x0364;uffen &#x017F;ich die (§. 26.) angefu&#x0364;hrten<lb/>
Schwierigkeiten, wie nehmlich die Stu&#x0364;cke zu ord-<lb/>
nen &#x017F;ind, da viele Dinge, die zu gleicher Zeit, bey<lb/>
denen ver&#x017F;chiedenen Jntere&#x017F;&#x017F;enten zu einer Zeit<lb/>
vorgegangen, doch <hi rendition="#fr">nach einander</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en erzehlt<lb/>
werden.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 31.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0279] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. nennet werden, dergeſtalt, daß wenn iemand eine Geſchichte will erzehlt haben; er in der That kei- ne andere als eine von dieſer Art verſtehet. Denn 1. ſind ſolche verwirrte Haͤndel meiſtens der Weg und Mittel, wodurch groſſe, und dauerhaff- te Dinge in der Welt zur Wuͤrcklichkeit gebracht werden. Die Verwirrungen nach Caͤſars Tode brachten die Monarchiſche Regierung zu Rom zu Stande, die nachher beſtaͤndig fortgedauret hat. Der dreyſigjaͤhrige Krieg hat den Weſtphaͤliſchen Frieden nach ſich gezogen, deſſen ſich unſer Vater- land noch ietzo zu erfreuen hat. Selbſt eintzel- ner Menſchen ihre Wege hat Gott ſo eingerich- tet, daß ehe ſie, wie man zu reden pfleget, zur Ru- he kommen, und ihr Gluͤck machen, in mancher Verwirrung ihrer Umſtaͤnde eine Zeitlang ſchwe- ben muͤſſen. 2. Ruhige Zeiten ſind vor Geſchich- te ein mager Land, verwirrte Haͤndel geben zu Er- zehlungen hingegen den beſten Stoff: Denn ſie geben der Einbildungskrafft der Menſchen eine an- genehme Beſchaͤfftigung, daß jeder ſich bloß durch Leſen und Anhoͤren dabey intereßirt. Weil aber verwirrte Haͤndel die beſte Waare vor Liebhaber der Geſchichte ſind; ſo ſind ſie es auch vor einen Geſchichtsſchreiber, der ſein Talent zeigen will. Denn da haͤuffen ſich die (§. 26.) angefuͤhrten Schwierigkeiten, wie nehmlich die Stuͤcke zu ord- nen ſind, da viele Dinge, die zu gleicher Zeit, bey denen verſchiedenen Jntereſſenten zu einer Zeit vorgegangen, doch nach einander muͤſſen erzehlt werden. §. 31. Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/279
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/279>, abgerufen am 22.11.2024.