Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.Achtes Capitel, stellungen, ingleichen Vorwitz, Uebereilung, undUnbedacht gar nicht zur Natur der Seele, son- dern sind vielmehr widernatürlich. Die Sa- chen also, welche durch den widernatürlichen Zu- stand der Seele, und durch irrige Vorstellungen zu einer Entschlüssung Anlaß geben, können nicht die Ursach genennet werden; weil in dem Schlus- se, der gemacht wird, eine falsche Praemissa ent- halten ist. z. E. Der Heyde betet die Sonne an, weil er schlüsset, wer mir helffen kan, den muß ich anruffen: Die Sonne kan mir helffen, also: muß ich sie anruffen. Und wir, wenn wir die Ursache der heydnischen Abgötterey in Ansehung der Sonne erklären sollen, führen kürtzlich an, weil sie von derselben Hülffe und Erhörung erwarten. Wie nun ein Schluß, der aus falschen Praemissis bestehet, nicht ein wahrer Schluß, sondern ein So- phisma, eine Teuscherey ist; so kan auch der Zu- sammenhang zweyer Begebenheiten, die nicht durch richtige Vorstellungen zusammenhangen, nicht die Ursach genennet werden. Denn diese erfordert einen Schluß (§. 1.) d. i. wie sich von selbst verstehet, einen wahren Schluß. Wenn ich aber auf die Unrichtigkeit der Sätze bey einem Schlusse nicht mercken will, welches bey vielen Gelegenheiten geschiehet; so haben auch die aller- albersten widerrechtlichsten Entschlüssungen ihre Ursach, daher man solches Wort auch öffters bey bösen Thaten zu brauchen pflegt. Eigentlich aber hat man zu einer bösen That keine Ursach: David hat keine Ursach zum Ehebruch gehabt: Die Generals des Alexanders haben keine Ursach, aber
Achtes Capitel, ſtellungen, ingleichen Vorwitz, Uebereilung, undUnbedacht gar nicht zur Natur der Seele, ſon- dern ſind vielmehr widernatuͤrlich. Die Sa- chen alſo, welche durch den widernatuͤrlichen Zu- ſtand der Seele, und durch irrige Vorſtellungen zu einer Entſchluͤſſung Anlaß geben, koͤnnen nicht die Urſach genennet werden; weil in dem Schluſ- ſe, der gemacht wird, eine falſche Præmiſſa ent- halten iſt. z. E. Der Heyde betet die Sonne an, weil er ſchluͤſſet, wer mir helffen kan, den muß ich anruffen: Die Sonne kan mir helffen, alſo: muß ich ſie anruffen. Und wir, wenn wir die Urſache der heydniſchen Abgoͤtterey in Anſehung der Sonne erklaͤren ſollen, fuͤhren kuͤrtzlich an, weil ſie von derſelben Huͤlffe und Erhoͤrung erwarten. Wie nun ein Schluß, der aus falſchen Præmiſſis beſtehet, nicht ein wahrer Schluß, ſondern ein So- phisma, eine Teuſcherey iſt; ſo kan auch der Zu- ſammenhang zweyer Begebenheiten, die nicht durch richtige Vorſtellungen zuſammenhangen, nicht die Urſach genennet werden. Denn dieſe erfordert einen Schluß (§. 1.) d. i. wie ſich von ſelbſt verſtehet, einen wahren Schluß. Wenn ich aber auf die Unrichtigkeit der Saͤtze bey einem Schluſſe nicht mercken will, welches bey vielen Gelegenheiten geſchiehet; ſo haben auch die aller- alberſten widerrechtlichſten Entſchluͤſſungen ihre Urſach, daher man ſolches Wort auch oͤffters bey boͤſen Thaten zu brauchen pflegt. Eigentlich aber hat man zu einer boͤſen That keine Urſach: David hat keine Urſach zum Ehebruch gehabt: Die Generals des Alexanders haben keine Urſach, aber
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Achtes Capitel,
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Unbedacht gar nicht zur Natur der Seele, ſon-
dern ſind vielmehr widernatuͤrlich. Die Sa-
chen alſo, welche durch den widernatuͤrlichen Zu-
ſtand der Seele, und durch irrige Vorſtellungen
zu einer Entſchluͤſſung Anlaß geben, koͤnnen nicht
die Urſach genennet werden; weil in dem Schluſ-
ſe, der gemacht wird, eine falſche Præmiſſa ent-
halten iſt. z. E. Der Heyde betet die Sonne an,
weil er ſchluͤſſet, wer mir helffen kan, den muß ich
anruffen: Die Sonne kan mir helffen, alſo: muß
ich ſie anruffen. Und wir, wenn wir die Urſache
der heydniſchen Abgoͤtterey in Anſehung der
Sonne erklaͤren ſollen, fuͤhren kuͤrtzlich an, weil
ſie von derſelben Huͤlffe und Erhoͤrung erwarten.
Wie nun ein Schluß, der aus falſchen Præmiſſis
beſtehet, nicht ein wahrer Schluß, ſondern ein So-
phisma, eine Teuſcherey iſt; ſo kan auch der Zu-
ſammenhang zweyer Begebenheiten, die nicht
durch richtige Vorſtellungen zuſammenhangen,
nicht die Urſach genennet werden. Denn dieſe
erfordert einen Schluß (§. 1.) d. i. wie ſich von
ſelbſt verſtehet, einen wahren Schluß. Wenn ich
aber auf die Unrichtigkeit der Saͤtze bey einem
Schluſſe nicht mercken will, welches bey vielen
Gelegenheiten geſchiehet; ſo haben auch die aller-
alberſten widerrechtlichſten Entſchluͤſſungen ihre
Urſach, daher man ſolches Wort auch oͤffters
bey boͤſen Thaten zu brauchen pflegt. Eigentlich
aber hat man zu einer boͤſen That keine Urſach:
David hat keine Urſach zum Ehebruch gehabt:
Die Generals des Alexanders haben keine Urſach,
aber
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Zitationshilfe: | Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/262>, abgerufen am 16.07.2024. |