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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
uns vorgehalten werden, sollten gebilliget, oder be-
williget werden. Man lässet sich aber doch bere-
den,
man lässet sich übereilen; zumahl wer von
keinem harten Gemüthe ist. Daraus entstehen
denn abermahl Entschlüssungen, die mit der Ge-
müthsbeschaffenheit und Charackter einer Person
gar nicht überein kommen; sie sind daher unbe-
greifflich, und bey nahe unnatürlich, wenn man den
Umstand nicht weiß, daß sie nicht aus eigenem
Antriebe,
sondern durch überreden, sind gefas-
set worden. Jn diesen Umständen befinden sich
hauptsächlich grosse Herrn, welche offt durch Vor-
bildungen ihrer hohen und niedrigen Bedienten,
die Zutritt zu ihrer Person haben, ja durch ihr
blosses Bitten, zu Entschlüssungen bewogen wer-
den, die nach ihren Neigungen unbegreifflich sind.
Ahasverus z. E. will alle Juden in seinen Lan-
den umbringen lassen, die doch keiner Missethat
schuldig waren. Wer nun die Rachbegierde des
Hamans, die auch von einem ausserordentlichen
Grade war, nicht gekannt hat, und wie er dem
Ahasverus eine solche Grausamkeit, zu einer be-
quemen Zeit plausibel zu machen gewust habe, wel-
ches allerdings niemand, als er selbst, hat wissen
können, der wird über den grausamen Befehl
gantz erstaunt gewesen seyn, ohne irgend eine Ur-
sach einer so barbarischen Begebenheit ergründen
zu können. Durch zweyer Personen ihre Ein-
stimmung, dazu doch nur eine den Nahmen her-
giebt, werden öffters Sachen möglich, die nie-
mand, wenn sie nicht von selbsten kund wird, er-
rathen kan, wie sie zugegangen ist.

§. 11.
O 5

v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
uns vorgehalten werden, ſollten gebilliget, oder be-
williget werden. Man laͤſſet ſich aber doch bere-
den,
man laͤſſet ſich uͤbereilen; zumahl wer von
keinem harten Gemuͤthe iſt. Daraus entſtehen
denn abermahl Entſchluͤſſungen, die mit der Ge-
muͤthsbeſchaffenheit und Charackter einer Perſon
gar nicht uͤberein kommen; ſie ſind daher unbe-
greifflich, und bey nahe unnatuͤrlich, wenn man den
Umſtand nicht weiß, daß ſie nicht aus eigenem
Antriebe,
ſondern durch uͤberreden, ſind gefaſ-
ſet worden. Jn dieſen Umſtaͤnden befinden ſich
hauptſaͤchlich groſſe Herrn, welche offt durch Vor-
bildungen ihrer hohen und niedrigen Bedienten,
die Zutritt zu ihrer Perſon haben, ja durch ihr
bloſſes Bitten, zu Entſchluͤſſungen bewogen wer-
den, die nach ihren Neigungen unbegreifflich ſind.
Ahasverus z. E. will alle Juden in ſeinen Lan-
den umbringen laſſen, die doch keiner Miſſethat
ſchuldig waren. Wer nun die Rachbegierde des
Hamans, die auch von einem auſſerordentlichen
Grade war, nicht gekannt hat, und wie er dem
Ahasverus eine ſolche Grauſamkeit, zu einer be-
quemen Zeit plauſibel zu machen gewuſt habe, wel-
ches allerdings niemand, als er ſelbſt, hat wiſſen
koͤnnen, der wird uͤber den grauſamen Befehl
gantz erſtaunt geweſen ſeyn, ohne irgend eine Ur-
ſach einer ſo barbariſchen Begebenheit ergruͤnden
zu koͤnnen. Durch zweyer Perſonen ihre Ein-
ſtimmung, dazu doch nur eine den Nahmen her-
giebt, werden oͤffters Sachen moͤglich, die nie-
mand, wenn ſie nicht von ſelbſten kund wird, er-
rathen kan, wie ſie zugegangen iſt.

§. 11.
O 5
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[217/0253] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. uns vorgehalten werden, ſollten gebilliget, oder be- williget werden. Man laͤſſet ſich aber doch bere- den, man laͤſſet ſich uͤbereilen; zumahl wer von keinem harten Gemuͤthe iſt. Daraus entſtehen denn abermahl Entſchluͤſſungen, die mit der Ge- muͤthsbeſchaffenheit und Charackter einer Perſon gar nicht uͤberein kommen; ſie ſind daher unbe- greifflich, und bey nahe unnatuͤrlich, wenn man den Umſtand nicht weiß, daß ſie nicht aus eigenem Antriebe, ſondern durch uͤberreden, ſind gefaſ- ſet worden. Jn dieſen Umſtaͤnden befinden ſich hauptſaͤchlich groſſe Herrn, welche offt durch Vor- bildungen ihrer hohen und niedrigen Bedienten, die Zutritt zu ihrer Perſon haben, ja durch ihr bloſſes Bitten, zu Entſchluͤſſungen bewogen wer- den, die nach ihren Neigungen unbegreifflich ſind. Ahasverus z. E. will alle Juden in ſeinen Lan- den umbringen laſſen, die doch keiner Miſſethat ſchuldig waren. Wer nun die Rachbegierde des Hamans, die auch von einem auſſerordentlichen Grade war, nicht gekannt hat, und wie er dem Ahasverus eine ſolche Grauſamkeit, zu einer be- quemen Zeit plauſibel zu machen gewuſt habe, wel- ches allerdings niemand, als er ſelbſt, hat wiſſen koͤnnen, der wird uͤber den grauſamen Befehl gantz erſtaunt geweſen ſeyn, ohne irgend eine Ur- ſach einer ſo barbariſchen Begebenheit ergruͤnden zu koͤnnen. Durch zweyer Perſonen ihre Ein- ſtimmung, dazu doch nur eine den Nahmen her- giebt, werden oͤffters Sachen moͤglich, die nie- mand, wenn ſie nicht von ſelbſten kund wird, er- rathen kan, wie ſie zugegangen iſt. §. 11. O 5

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/253>, abgerufen am 22.11.2024.