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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Achtes Capitel,
che und von ihr unterschieden seyn, die die Absicht
hat. 3. Ohngeachtet alle diese Handlungen des
Nutzens halber unternommen werden, so kommt
doch wieder vieles darauf an, ob wir hierinnen
unserm eigenen Urtheile folgen? oder ob wir nur
eines andern Willen und Urtheil befolgen: das
letzte geschiehet, wenn wir den Befehlen, Ge-
setzen, denen Amtspflichten,
dem Herkom-
men
gemäß, unsere Handlungen einrichten; und
diese machen den grösten Theil der menschlichen
Handlungen aus: da wir nehmlich keine lange
Deliberation nöthig haben, sondern nur unsern
Stand und Amt ansehen dürffen, um zu der si-
chersten Entschlüssung von der Welt zu gelangen.

§. 4.
Zwey Arten der Handlungen, wo die Ur-
sachen leicht einzusehen sind.

Bey der ersten Art Handlungen hat es keine
Schwierigkeit, die Ursache einer Begeben-
heit
einzusehen. Jeder weiß, daß die Menschen
dasjenige suchen und begehren, was ihnen Ver-
gnügen macht. Daher wenn ich im besondern
Falle weiß, daß jemand sich eine Lust hat belieben
lassen: so bleibt nichts bedenckliches übrig, es
müste denn mit seinen Pflichten und sonstiger Ge-
denckart streiten: in welchem Falle die Hefftig-
keit
des Affeckts dennoch zu einer begreifflichen
Ursach der verabsäumten Pflichten und übertrete-
nen Gebotes wird. Wir wissen einmahl, was
die sinnlichen Begierden bey dem Menschen ver-
mögen. So ist auch in Ansehung der Ursachen

bey

Achtes Capitel,
che und von ihr unterſchieden ſeyn, die die Abſicht
hat. 3. Ohngeachtet alle dieſe Handlungen des
Nutzens halber unternommen werden, ſo kommt
doch wieder vieles darauf an, ob wir hierinnen
unſerm eigenen Urtheile folgen? oder ob wir nur
eines andern Willen und Urtheil befolgen: das
letzte geſchiehet, wenn wir den Befehlen, Ge-
ſetzen, denen Amtspflichten,
dem Herkom-
men
gemaͤß, unſere Handlungen einrichten; und
dieſe machen den groͤſten Theil der menſchlichen
Handlungen aus: da wir nehmlich keine lange
Deliberation noͤthig haben, ſondern nur unſern
Stand und Amt anſehen duͤrffen, um zu der ſi-
cherſten Entſchluͤſſung von der Welt zu gelangen.

§. 4.
Zwey Arten der Handlungen, wo die Ur-
ſachen leicht einzuſehen ſind.

Bey der erſten Art Handlungen hat es keine
Schwierigkeit, die Urſache einer Begeben-
heit
einzuſehen. Jeder weiß, daß die Menſchen
dasjenige ſuchen und begehren, was ihnen Ver-
gnuͤgen macht. Daher wenn ich im beſondern
Falle weiß, daß jemand ſich eine Luſt hat belieben
laſſen: ſo bleibt nichts bedenckliches uͤbrig, es
muͤſte denn mit ſeinen Pflichten und ſonſtiger Ge-
denckart ſtreiten: in welchem Falle die Hefftig-
keit
des Affeckts dennoch zu einer begreifflichen
Urſach der verabſaͤumten Pflichten und uͤbertrete-
nen Gebotes wird. Wir wiſſen einmahl, was
die ſinnlichen Begierden bey dem Menſchen ver-
moͤgen. So iſt auch in Anſehung der Urſachen

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[208/0244] Achtes Capitel, che und von ihr unterſchieden ſeyn, die die Abſicht hat. 3. Ohngeachtet alle dieſe Handlungen des Nutzens halber unternommen werden, ſo kommt doch wieder vieles darauf an, ob wir hierinnen unſerm eigenen Urtheile folgen? oder ob wir nur eines andern Willen und Urtheil befolgen: das letzte geſchiehet, wenn wir den Befehlen, Ge- ſetzen, denen Amtspflichten, dem Herkom- men gemaͤß, unſere Handlungen einrichten; und dieſe machen den groͤſten Theil der menſchlichen Handlungen aus: da wir nehmlich keine lange Deliberation noͤthig haben, ſondern nur unſern Stand und Amt anſehen duͤrffen, um zu der ſi- cherſten Entſchluͤſſung von der Welt zu gelangen. §. 4. Zwey Arten der Handlungen, wo die Ur- ſachen leicht einzuſehen ſind. Bey der erſten Art Handlungen hat es keine Schwierigkeit, die Urſache einer Begeben- heit einzuſehen. Jeder weiß, daß die Menſchen dasjenige ſuchen und begehren, was ihnen Ver- gnuͤgen macht. Daher wenn ich im beſondern Falle weiß, daß jemand ſich eine Luſt hat belieben laſſen: ſo bleibt nichts bedenckliches uͤbrig, es muͤſte denn mit ſeinen Pflichten und ſonſtiger Ge- denckart ſtreiten: in welchem Falle die Hefftig- keit des Affeckts dennoch zu einer begreifflichen Urſach der verabſaͤumten Pflichten und uͤbertrete- nen Gebotes wird. Wir wiſſen einmahl, was die ſinnlichen Begierden bey dem Menſchen ver- moͤgen. So iſt auch in Anſehung der Urſachen bey

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/244>, abgerufen am 13.11.2024.