§. 22. Würckung der Urkunde bey dem Hörer und Leser.
Um nun zu sehen, was bey Ausbreitung einer Geschichte unter den Nachsagern vor Verände- rungen in der Erzehlung vorgehen können, ohn- geachtet sie nichts anders als die Wahrheit sagen wollen, so dürffen wir nur auf den ersten Hörer, Le- ser, und Nachsager, genau achtung geben, wie er die erhaltene Nachricht und Urkunde ansiehet und annimmt; und was ihn bewegen könne, eine Aen- derung in der Formel der Erzehlung vorzuneh- men. Wenn wir einmahl dieses wissen, so lässet sich die Anwendung leicht auf die nachfolgenden Nachsager machen; als bey welchen sich eben die- se Ursachen einiger Veränderungen, obgleich nicht allemahl auf eben diese Art, wie bey dem ersten äusern können, demnach, wenn wir eine Nach- richt erlangen, so gehet, ehe es noch zum Nachsa- gen kommt, zweyerley in unserer Seele vor, wel- ches wohl von einander zu unterscheiden ist: 1. Das Verstehen der Urkunde. 2. Die Ue- berlegung und Betrachtung, welche wir über die erhaltene Nachricht haben und anstellen.
§. 23. Mißverstand bey der Urkunde verändert die Geschichte.
Jn Ansehung des Verstehens, finden sich Schwierigkeiten, sowohl durch Dunckelheiten, als durch Mißverstand, die bey der Urkunde vorkom- men können. Beydes wird durch die Regeln
der
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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
§. 22. Wuͤrckung der Urkunde bey dem Hoͤrer und Leſer.
Um nun zu ſehen, was bey Ausbreitung einer Geſchichte unter den Nachſagern vor Veraͤnde- rungen in der Erzehlung vorgehen koͤnnen, ohn- geachtet ſie nichts anders als die Wahrheit ſagen wollen, ſo duͤrffen wir nur auf den erſten Hoͤrer, Le- ſer, und Nachſager, genau achtung geben, wie er die erhaltene Nachricht und Urkunde anſiehet und annimmt; und was ihn bewegen koͤnne, eine Aen- derung in der Formel der Erzehlung vorzuneh- men. Wenn wir einmahl dieſes wiſſen, ſo laͤſſet ſich die Anwendung leicht auf die nachfolgenden Nachſager machen; als bey welchen ſich eben die- ſe Urſachen einiger Veraͤnderungen, obgleich nicht allemahl auf eben dieſe Art, wie bey dem erſten aͤuſern koͤnnen, demnach, wenn wir eine Nach- richt erlangen, ſo gehet, ehe es noch zum Nachſa- gen kommt, zweyerley in unſerer Seele vor, wel- ches wohl von einander zu unterſcheiden iſt: 1. Das Verſtehen der Urkunde. 2. Die Ue- berlegung und Betrachtung, welche wir uͤber die erhaltene Nachricht haben und anſtellen.
§. 23. Mißverſtand bey der Urkunde veraͤndert die Geſchichte.
Jn Anſehung des Verſtehens, finden ſich Schwierigkeiten, ſowohl durch Dunckelheiten, als durch Mißverſtand, die bey der Urkunde vorkom- men koͤnnen. Beydes wird durch die Regeln
der
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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
§. 22.
Wuͤrckung der Urkunde bey dem Hoͤrer und
Leſer.
Um nun zu ſehen, was bey Ausbreitung einer
Geſchichte unter den Nachſagern vor Veraͤnde-
rungen in der Erzehlung vorgehen koͤnnen, ohn-
geachtet ſie nichts anders als die Wahrheit ſagen
wollen, ſo duͤrffen wir nur auf den erſten Hoͤrer, Le-
ſer, und Nachſager, genau achtung geben, wie er
die erhaltene Nachricht und Urkunde anſiehet und
annimmt; und was ihn bewegen koͤnne, eine Aen-
derung in der Formel der Erzehlung vorzuneh-
men. Wenn wir einmahl dieſes wiſſen, ſo laͤſſet
ſich die Anwendung leicht auf die nachfolgenden
Nachſager machen; als bey welchen ſich eben die-
ſe Urſachen einiger Veraͤnderungen, obgleich nicht
allemahl auf eben dieſe Art, wie bey dem erſten
aͤuſern koͤnnen, demnach, wenn wir eine Nach-
richt erlangen, ſo gehet, ehe es noch zum Nachſa-
gen kommt, zweyerley in unſerer Seele vor, wel-
ches wohl von einander zu unterſcheiden iſt:
1. Das Verſtehen der Urkunde. 2. Die Ue-
berlegung und Betrachtung, welche wir uͤber
die erhaltene Nachricht haben und anſtellen.
§. 23.
Mißverſtand bey der Urkunde veraͤndert
die Geſchichte.
Jn Anſehung des Verſtehens, finden ſich
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durch Mißverſtand, die bey der Urkunde vorkom-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/215>, abgerufen am 13.11.2024.
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