Das öffentliche Lehramt der Kirchenalter- thümer, welches mir nachher auf der Univer- sität Leipzig zu theil wurde, drunge mich, ei- nen so wichtigen Theil der historischen Erkennt- niß auf alle Weise genauer zu beleuchten. Nun weiß man, was vor Schwierigkeiten in dieser vortrefflichen Art der Gelahrheit vor- walten; zumahl wenn man den Ursprung der Gebräuche, Verfassungen und Kirchenanstal- ten nebst ihren Veränderungen, durch welche sie öfters mit der Zeit ein gantz ander Ansehen bekommen haben, begreiflich machen will. Doch die handgreiflichsten Stücke der Alter- thümer sind eben sowohl, als die ruchtbarsten Geschichte der Kirche, schon längst aus den alten Schriftstellern gesammlet und dergestalt in Ordnung gebracht worden, daß, was in jenen mit deutlichen und dürren Worten ent- halten ist, nunmehro fast nicht ohne Eckel wiederholet werden kan. Unsre Vorfahren haben, nach ihrem unüberwindlichen Fleiße, schon alles erschöpfet. Die Nachlese, welche vor uns übrig geblieben ist, bestehet aus lau- ter solchen Nachrichten, die man mehr als Spuren gewisser Geschichte, als vor eigent- liche Erzehlungen ansehen kan. Aus diesen muß man durch Muthmaßungen und Zusam- menhaltung mancherley Stellen noch eine
und
Vorrede.
Das oͤffentliche Lehramt der Kirchenalter- thuͤmer, welches mir nachher auf der Univer- ſitaͤt Leipzig zu theil wurde, drunge mich, ei- nen ſo wichtigen Theil der hiſtoriſchen Erkennt- niß auf alle Weiſe genauer zu beleuchten. Nun weiß man, was vor Schwierigkeiten in dieſer vortrefflichen Art der Gelahrheit vor- walten; zumahl wenn man den Urſprung der Gebraͤuche, Verfaſſungen und Kirchenanſtal- ten nebſt ihren Veraͤnderungen, durch welche ſie oͤfters mit der Zeit ein gantz ander Anſehen bekommen haben, begreiflich machen will. Doch die handgreiflichſten Stuͤcke der Alter- thuͤmer ſind eben ſowohl, als die ruchtbarſten Geſchichte der Kirche, ſchon laͤngſt aus den alten Schriftſtellern geſammlet und dergeſtalt in Ordnung gebracht worden, daß, was in jenen mit deutlichen und duͤrren Worten ent- halten iſt, nunmehro faſt nicht ohne Eckel wiederholet werden kan. Unſre Vorfahren haben, nach ihrem unuͤberwindlichen Fleiße, ſchon alles erſchoͤpfet. Die Nachleſe, welche vor uns uͤbrig geblieben iſt, beſtehet aus lau- ter ſolchen Nachrichten, die man mehr als Spuren gewiſſer Geſchichte, als vor eigent- liche Erzehlungen anſehen kan. Aus dieſen muß man durch Muthmaßungen und Zuſam- menhaltung mancherley Stellen noch eine
und
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[0020]
Vorrede.
Das oͤffentliche Lehramt der Kirchenalter-
thuͤmer, welches mir nachher auf der Univer-
ſitaͤt Leipzig zu theil wurde, drunge mich, ei-
nen ſo wichtigen Theil der hiſtoriſchen Erkennt-
niß auf alle Weiſe genauer zu beleuchten.
Nun weiß man, was vor Schwierigkeiten in
dieſer vortrefflichen Art der Gelahrheit vor-
walten; zumahl wenn man den Urſprung der
Gebraͤuche, Verfaſſungen und Kirchenanſtal-
ten nebſt ihren Veraͤnderungen, durch welche
ſie oͤfters mit der Zeit ein gantz ander Anſehen
bekommen haben, begreiflich machen will.
Doch die handgreiflichſten Stuͤcke der Alter-
thuͤmer ſind eben ſowohl, als die ruchtbarſten
Geſchichte der Kirche, ſchon laͤngſt aus den
alten Schriftſtellern geſammlet und dergeſtalt
in Ordnung gebracht worden, daß, was in
jenen mit deutlichen und duͤrren Worten ent-
halten iſt, nunmehro faſt nicht ohne Eckel
wiederholet werden kan. Unſre Vorfahren
haben, nach ihrem unuͤberwindlichen Fleiße,
ſchon alles erſchoͤpfet. Die Nachleſe, welche
vor uns uͤbrig geblieben iſt, beſtehet aus lau-
ter ſolchen Nachrichten, die man mehr als
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liche Erzehlungen anſehen kan. Aus dieſen
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/20>, abgerufen am 24.11.2024.
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