denen, der Beredsamkeit entgegen gesetzten Feh- lern gehöret, also können wir uns in dieser Ab- handlung, wo alles auf die Wahrheit der Ge- schichte und Erzehlungen abzielet, damit nicht be- schäfftigen. Vor die Redekunst aber ist dieses ei- ne Hauptuntersuchung, weil jede Rede, die zum Vergnügen dienen soll, und mithin auch politische Reden, wenn sie die Sache nicht verderben, son- dern diese Eigenschafft des Wohlgefallens an sich haben sollen, nichts anders als eine Reyhe von abwechselnden Erzehlungen sind.
§. 36. Fabeln und Erdichtungen gehören nicht hieher.
Wir haben bisher die Verwandelung der Ge- schichte in Erzehlungen, in so ferne betrachtet, als solches entweder unvermeidlich ist, oder doch ent- weder unbeschadet der Wahrheit, oder noch mit einigem Scheine der Wahrheit geschehen kan. Nun aber wissen wir, daß boßhaffte Lügenmäu- ler denen Geschichten viele Umstände und Stü- cke anhängen, die sich mit gar nichts, als mit dem Vorsatz, die Unwahrheit zu reden, oder al- lenfals eine schlimme Sache gut zu machen legi- timiren können. Diese erdichteten Umstän- de gehören aber so wenig, als gantze Fabeln, zur historischen Erkenntniß, ausser daß sie uns Mühe machen, das Wahre vom Falschen zu un- terscheiden. Das Lügenhaffte aber, es mag im grossen, oder im kleinen vorgebracht werden,
ist
Sechſtes Cap. v. d. Verwandelung ꝛc.
denen, der Beredſamkeit entgegen geſetzten Feh- lern gehoͤret, alſo koͤnnen wir uns in dieſer Ab- handlung, wo alles auf die Wahrheit der Ge- ſchichte und Erzehlungen abzielet, damit nicht be- ſchaͤfftigen. Vor die Redekunſt aber iſt dieſes ei- ne Hauptunterſuchung, weil jede Rede, die zum Vergnuͤgen dienen ſoll, und mithin auch politiſche Reden, wenn ſie die Sache nicht verderben, ſon- dern dieſe Eigenſchafft des Wohlgefallens an ſich haben ſollen, nichts anders als eine Reyhe von abwechſelnden Erzehlungen ſind.
§. 36. Fabeln und Erdichtungen gehoͤren nicht hieher.
Wir haben bisher die Verwandelung der Ge- ſchichte in Erzehlungen, in ſo ferne betrachtet, als ſolches entweder unvermeidlich iſt, oder doch ent- weder unbeſchadet der Wahrheit, oder noch mit einigem Scheine der Wahrheit geſchehen kan. Nun aber wiſſen wir, daß boßhaffte Luͤgenmaͤu- ler denen Geſchichten viele Umſtaͤnde und Stuͤ- cke anhaͤngen, die ſich mit gar nichts, als mit dem Vorſatz, die Unwahrheit zu reden, oder al- lenfals eine ſchlimme Sache gut zu machen legi- timiren koͤnnen. Dieſe erdichteten Umſtaͤn- de gehoͤren aber ſo wenig, als gantze Fabeln, zur hiſtoriſchen Erkenntniß, auſſer daß ſie uns Muͤhe machen, das Wahre vom Falſchen zu un- terſcheiden. Das Luͤgenhaffte aber, es mag im groſſen, oder im kleinen vorgebracht werden,
iſt
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Sechſtes Cap. v. d. Verwandelung ꝛc.
denen, der Beredſamkeit entgegen geſetzten Feh-
lern gehoͤret, alſo koͤnnen wir uns in dieſer Ab-
handlung, wo alles auf die Wahrheit der Ge-
ſchichte und Erzehlungen abzielet, damit nicht be-
ſchaͤfftigen. Vor die Redekunſt aber iſt dieſes ei-
ne Hauptunterſuchung, weil jede Rede, die zum
Vergnuͤgen dienen ſoll, und mithin auch politiſche
Reden, wenn ſie die Sache nicht verderben, ſon-
dern dieſe Eigenſchafft des Wohlgefallens an ſich
haben ſollen, nichts anders als eine Reyhe von
abwechſelnden Erzehlungen ſind.
§. 36.
Fabeln und Erdichtungen gehoͤren nicht
hieher.
Wir haben bisher die Verwandelung der Ge-
ſchichte in Erzehlungen, in ſo ferne betrachtet, als
ſolches entweder unvermeidlich iſt, oder doch ent-
weder unbeſchadet der Wahrheit, oder noch mit
einigem Scheine der Wahrheit geſchehen kan.
Nun aber wiſſen wir, daß boßhaffte Luͤgenmaͤu-
ler denen Geſchichten viele Umſtaͤnde und Stuͤ-
cke anhaͤngen, die ſich mit gar nichts, als mit
dem Vorſatz, die Unwahrheit zu reden, oder al-
lenfals eine ſchlimme Sache gut zu machen legi-
timiren koͤnnen. Dieſe erdichteten Umſtaͤn-
de gehoͤren aber ſo wenig, als gantze Fabeln,
zur hiſtoriſchen Erkenntniß, auſſer daß ſie uns
Muͤhe machen, das Wahre vom Falſchen zu un-
terſcheiden. Das Luͤgenhaffte aber, es mag
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/190>, abgerufen am 03.03.2025.
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