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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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vom Zuschauer und Sehepunckte.
hat hernach seine sichtbare Folgen in alle Erzeh-
lungen
derselben.

§. 27.
Der Zuschauer macht Anschauungsurtheile.

Wenn wir nun die Handlungen eines Zu-
schauers nach der Vernunfftlehre und ihren Be-
griffen abwägen, so findet sich, daß 1. lauter Em-
pfindungen vorgehen; 2. daß wenn wir aber auf
jede acht geben, ein Anschauungsurtheil in
unserer Seele entstehe. Denn indem wir genauer
darauf achtung geben, was vorgehet, so wird sich
das Beständige von der Veränderung, die in
ihm vorgehet, distinguiren; und so entstehet ein
Urtheil. Weil aber hierzu kein Schluß, noch
andere besondere Handlung der Seele erfordert
wird, ein solches Urtheil zu fällen, so ist es ein
Anschauungsurtheil.



Sechstes Capitel,
von der
Verwandelung der Geschichte
im erzehlen.
§. 1.
Jnhalt dieses Capitels.

Wenn man die wahre Beschaffenheit der
Geschichte, oder vielmehr der Erzehlun-
gen recht einsehen will, so ist nicht ge-
nug, daß wir wissen, wie die Begebenheiten de-

nen
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vom Zuſchauer und Sehepunckte.
hat hernach ſeine ſichtbare Folgen in alle Erzeh-
lungen
derſelben.

§. 27.
Der Zuſchauer macht Anſchauungsurtheile.

Wenn wir nun die Handlungen eines Zu-
ſchauers nach der Vernunfftlehre und ihren Be-
griffen abwaͤgen, ſo findet ſich, daß 1. lauter Em-
pfindungen vorgehen; 2. daß wenn wir aber auf
jede acht geben, ein Anſchauungsurtheil in
unſerer Seele entſtehe. Denn indem wir genauer
darauf achtung geben, was vorgehet, ſo wird ſich
das Beſtaͤndige von der Veraͤnderung, die in
ihm vorgehet, diſtinguiren; und ſo entſtehet ein
Urtheil. Weil aber hierzu kein Schluß, noch
andere beſondere Handlung der Seele erfordert
wird, ein ſolches Urtheil zu faͤllen, ſo iſt es ein
Anſchauungsurtheil.



Sechſtes Capitel,
von der
Verwandelung der Geſchichte
im erzehlen.
§. 1.
Jnhalt dieſes Capitels.

Wenn man die wahre Beſchaffenheit der
Geſchichte, oder vielmehr der Erzehlun-
gen recht einſehen will, ſo iſt nicht ge-
nug, daß wir wiſſen, wie die Begebenheiten de-

nen
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[115/0151] vom Zuſchauer und Sehepunckte. hat hernach ſeine ſichtbare Folgen in alle Erzeh- lungen derſelben. §. 27. Der Zuſchauer macht Anſchauungsurtheile. Wenn wir nun die Handlungen eines Zu- ſchauers nach der Vernunfftlehre und ihren Be- griffen abwaͤgen, ſo findet ſich, daß 1. lauter Em- pfindungen vorgehen; 2. daß wenn wir aber auf jede acht geben, ein Anſchauungsurtheil in unſerer Seele entſtehe. Denn indem wir genauer darauf achtung geben, was vorgehet, ſo wird ſich das Beſtaͤndige von der Veraͤnderung, die in ihm vorgehet, diſtinguiren; und ſo entſtehet ein Urtheil. Weil aber hierzu kein Schluß, noch andere beſondere Handlung der Seele erfordert wird, ein ſolches Urtheil zu faͤllen, ſo iſt es ein Anſchauungsurtheil. Sechſtes Capitel, von der Verwandelung der Geſchichte im erzehlen. §. 1. Jnhalt dieſes Capitels. Wenn man die wahre Beſchaffenheit der Geſchichte, oder vielmehr der Erzehlun- gen recht einſehen will, ſo iſt nicht ge- nug, daß wir wiſſen, wie die Begebenheiten de- nen H 2

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/151>, abgerufen am 03.12.2024.