ten der Begebenheiten verwandelt. Dieses ge- schiehet nun so geschwind, und ist mit denen Em- pfindungen nach der natürlichen Art zu gedencken so genau verbunden, daß eines theils Zuschauer, wenn er sich nachher auf das Gesehene besinnt, nichts mehr als solche Hauffen der Begebenheiten zusammen genommen, vorstellt, andern theils der Vortrag der auf solche Art angemerckten Be- gebenheiten, durchgängig vor die wahre, richtige und vollständige Erzehlung gehalten wird, ja nicht geglaubt wird, daß die Sache auch wohl auf ei- ne andere und umständlichere Art könne erzehlet werden.
§. 25. Sehepunckt eines Barbarn.
Nun weiß man, daß die Menschen, nach ih- ren verschiedenen Landesarten, in den Eintheilun- gen der Dinge, und in den allgemeinen Begrif- fen, die man von Jugend auf zu erlangen pfle- get, nicht genau übereinkommen, sondern daß sie, je weniger sie wegen der Entfernung mit einander zu thun haben, auch desto mehr in ihren Begrif- fen und Gedenckart unterschieden sind. Beson- ders, wenn die eine Nation cultivirt wird, die andere aber in ihren rohen und wilden Wesen bleibet, so erlangen die Leute von jener Nation eine unsägliche Menge von allgemeinen Begrif- fen und Eintheilungen der Dinge, besonders der künstlichen Cörper, der Würden, der Aemter, der Geschäffte, die den Leuten aus dem noch bar- barischen Volcke nicht bekannt sind. Sind die
See-
Fuͤnfftes Capitel,
ten der Begebenheiten verwandelt. Dieſes ge- ſchiehet nun ſo geſchwind, und iſt mit denen Em- pfindungen nach der natuͤrlichen Art zu gedencken ſo genau verbunden, daß eines theils Zuſchauer, wenn er ſich nachher auf das Geſehene beſinnt, nichts mehr als ſolche Hauffen der Begebenheiten zuſammen genommen, vorſtellt, andern theils der Vortrag der auf ſolche Art angemerckten Be- gebenheiten, durchgaͤngig vor die wahre, richtige und vollſtaͤndige Erzehlung gehalten wird, ja nicht geglaubt wird, daß die Sache auch wohl auf ei- ne andere und umſtaͤndlichere Art koͤnne erzehlet werden.
§. 25. Sehepunckt eines Barbarn.
Nun weiß man, daß die Menſchen, nach ih- ren verſchiedenen Landesarten, in den Eintheilun- gen der Dinge, und in den allgemeinen Begrif- fen, die man von Jugend auf zu erlangen pfle- get, nicht genau uͤbereinkommen, ſondern daß ſie, je weniger ſie wegen der Entfernung mit einander zu thun haben, auch deſto mehr in ihren Begrif- fen und Gedenckart unterſchieden ſind. Beſon- ders, wenn die eine Nation cultivirt wird, die andere aber in ihren rohen und wilden Weſen bleibet, ſo erlangen die Leute von jener Nation eine unſaͤgliche Menge von allgemeinen Begrif- fen und Eintheilungen der Dinge, beſonders der kuͤnſtlichen Coͤrper, der Wuͤrden, der Aemter, der Geſchaͤffte, die den Leuten aus dem noch bar- bariſchen Volcke nicht bekannt ſind. Sind die
See-
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Fuͤnfftes Capitel,
ten der Begebenheiten verwandelt. Dieſes ge-
ſchiehet nun ſo geſchwind, und iſt mit denen Em-
pfindungen nach der natuͤrlichen Art zu gedencken
ſo genau verbunden, daß eines theils Zuſchauer,
wenn er ſich nachher auf das Geſehene beſinnt,
nichts mehr als ſolche Hauffen der Begebenheiten
zuſammen genommen, vorſtellt, andern theils
der Vortrag der auf ſolche Art angemerckten Be-
gebenheiten, durchgaͤngig vor die wahre, richtige
und vollſtaͤndige Erzehlung gehalten wird, ja nicht
geglaubt wird, daß die Sache auch wohl auf ei-
ne andere und umſtaͤndlichere Art koͤnne erzehlet
werden.
§. 25.
Sehepunckt eines Barbarn.
Nun weiß man, daß die Menſchen, nach ih-
ren verſchiedenen Landesarten, in den Eintheilun-
gen der Dinge, und in den allgemeinen Begrif-
fen, die man von Jugend auf zu erlangen pfle-
get, nicht genau uͤbereinkommen, ſondern daß ſie,
je weniger ſie wegen der Entfernung mit einander
zu thun haben, auch deſto mehr in ihren Begrif-
fen und Gedenckart unterſchieden ſind. Beſon-
ders, wenn die eine Nation cultivirt wird, die
andere aber in ihren rohen und wilden Weſen
bleibet, ſo erlangen die Leute von jener Nation
eine unſaͤgliche Menge von allgemeinen Begrif-
fen und Eintheilungen der Dinge, beſonders
der kuͤnſtlichen Coͤrper, der Wuͤrden, der Aemter,
der Geſchaͤffte, die den Leuten aus dem noch bar-
bariſchen Volcke nicht bekannt ſind. Sind die
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/148>, abgerufen am 16.02.2025.
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