Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.vom Zuschauer und Sehepunckte. gewesen. Der Unterschied bestehet in diesem Fal-le darinnen: daß man das erste mahl ohne Vor- bereitung, und der Sache unkundig, dieselbe betrachtet, bey den nachfolgenden und wiederhohl- ten Vorstellungen aber, die erstere zu einer An- leitung dienet, so daß man die Sache nunmeh- ro als derselben kundig und verständig ansiehet. Es ist wohl an dem, daß man aus Erzehlungen, Beschreibungen und Nachrichten im voraus Wis- senschafft von einer Sache erlangen kan, die man beschauen will, welches auch sehr gute Dienste da- bey thut. Nur sind solche aus Nachrichten er- langten Jdeen gemeiniglich von der sinnlichen Vorstellung, die man hernach erlanget, himmel- weit unterschieden. Und überhaupt gehören sol- che Nachrichten zur gelehrten Erkentniß, welche einen besondern Sehepunckt ausmacht. Die Neuigkeit der Sache bringt theils die Verwun- derung hervor, theils eine Unentschlüßigkeit, was man an der Sache bemercken soll, oder was man mit ihr anfangen soll, welches beym wieder- hohlten Anschauen wegfället. §. 18. Sehepunckt der Freunde und Feinde. Ferner ist als ein Hauptsehepunckt bey allen sich G 5
vom Zuſchauer und Sehepunckte. geweſen. Der Unterſchied beſtehet in dieſem Fal-le darinnen: daß man das erſte mahl ohne Vor- bereitung, und der Sache unkundig, dieſelbe betrachtet, bey den nachfolgenden und wiederhohl- ten Vorſtellungen aber, die erſtere zu einer An- leitung dienet, ſo daß man die Sache nunmeh- ro als derſelben kundig und verſtaͤndig anſiehet. Es iſt wohl an dem, daß man aus Erzehlungen, Beſchreibungen und Nachrichten im voraus Wiſ- ſenſchafft von einer Sache erlangen kan, die man beſchauen will, welches auch ſehr gute Dienſte da- bey thut. Nur ſind ſolche aus Nachrichten er- langten Jdeen gemeiniglich von der ſinnlichen Vorſtellung, die man hernach erlanget, himmel- weit unterſchieden. Und uͤberhaupt gehoͤren ſol- che Nachrichten zur gelehrten Erkentniß, welche einen beſondern Sehepunckt ausmacht. Die Neuigkeit der Sache bringt theils die Verwun- derung hervor, theils eine Unentſchluͤßigkeit, was man an der Sache bemercken ſoll, oder was man mit ihr anfangen ſoll, welches beym wieder- hohlten Anſchauen wegfaͤllet. §. 18. Sehepunckt der Freunde und Feinde. Ferner iſt als ein Hauptſehepunckt bey allen ſich G 5
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vom Zuſchauer und Sehepunckte.
geweſen. Der Unterſchied beſtehet in dieſem Fal-
le darinnen: daß man das erſte mahl ohne Vor-
bereitung, und der Sache unkundig, dieſelbe
betrachtet, bey den nachfolgenden und wiederhohl-
ten Vorſtellungen aber, die erſtere zu einer An-
leitung dienet, ſo daß man die Sache nunmeh-
ro als derſelben kundig und verſtaͤndig anſiehet.
Es iſt wohl an dem, daß man aus Erzehlungen,
Beſchreibungen und Nachrichten im voraus Wiſ-
ſenſchafft von einer Sache erlangen kan, die man
beſchauen will, welches auch ſehr gute Dienſte da-
bey thut. Nur ſind ſolche aus Nachrichten er-
langten Jdeen gemeiniglich von der ſinnlichen
Vorſtellung, die man hernach erlanget, himmel-
weit unterſchieden. Und uͤberhaupt gehoͤren ſol-
che Nachrichten zur gelehrten Erkentniß, welche
einen beſondern Sehepunckt ausmacht. Die
Neuigkeit der Sache bringt theils die Verwun-
derung hervor, theils eine Unentſchluͤßigkeit,
was man an der Sache bemercken ſoll, oder was
man mit ihr anfangen ſoll, welches beym wieder-
hohlten Anſchauen wegfaͤllet.
§. 18.
Sehepunckt der Freunde und Feinde.
Ferner iſt als ein Hauptſehepunckt bey allen
und jeden Sachen zu betrachten: ob man derſel-
ben Freund oder Feind iſt. Dieſe Eintheilung
iſt von der vorigen (§. 16.) ſehr unterſchieden.
Denn es kan geſchehen, daß ſelbſt die Hauptper-
ſonen bey einer Sache derſelben feind ſind: und
unter den bloſſen Zuſchauern und Fremden koͤnnen
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Zitationshilfe: | Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/141>, abgerufen am 03.03.2025. |