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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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vom Zuschauer und Sehepunckte.
Jm Durste siehet man nicht darauf, was sich et-
wa vor Unreinigkeiten im Wasser oder Gefässe
befinden; in der Flucht fühlet man die Sachen,
die sonst drücken, oder reiben, oder wohl gar ei-
ne grosse Wunde machen, nicht. Daher hat
auch der innerliche Zustand der Seele eines Men-
schen einen Einfluß in das, was er durch die Sin-
ne empfindet, und in die Erzehlungen, die aus
solchen Empfindungen entstehen. Nun bemerckt
man aber den Sehepunckt beym Auge deswegen,
weil davon die Empfindungen des Auges, und
die Geschichte, die man dadurch erkennet, abhan-
gen (§. 3.); also wird auch nöthig seyn, den Zu-
stand des Leibes und der Seele, mithin des gan-
tzen Menschen zusammen zu nehmen, wenn man
von seinen gehabten Empfindungen, und denen
daraus flüssenden Erzehlungen Rechenschafft geben
soll. Der Zustand also des gantzen Menschen,
der einer Sache und Begebenheit zuschauet, ma-
chet den Sehepunckt desselben Zuschauers aus:
welches die dritte Erweiterung des Begriffes
vom Sehepunckte ist (§. 3.).

§. 5.
Was ein Mensch vor Zuschauer hat?

Bey Geschichten eintzelner Menschen ist oh-
ne Zweifel jeder zuförderst sein eigener Zu-
schauer,
sowohl dessen, was er thut, als des-
sen, was ihm begegnet. Jm übrigen ist jeder
Mensch ein Zuschauer vieler anderen; und jeder
Mensch hat gar viele Zuschauer. Hierbey giebt
es nun so viele Arten der Zuschauer, als es Ar-

ten

vom Zuſchauer und Sehepunckte.
Jm Durſte ſiehet man nicht darauf, was ſich et-
wa vor Unreinigkeiten im Waſſer oder Gefaͤſſe
befinden; in der Flucht fuͤhlet man die Sachen,
die ſonſt druͤcken, oder reiben, oder wohl gar ei-
ne groſſe Wunde machen, nicht. Daher hat
auch der innerliche Zuſtand der Seele eines Men-
ſchen einen Einfluß in das, was er durch die Sin-
ne empfindet, und in die Erzehlungen, die aus
ſolchen Empfindungen entſtehen. Nun bemerckt
man aber den Sehepunckt beym Auge deswegen,
weil davon die Empfindungen des Auges, und
die Geſchichte, die man dadurch erkennet, abhan-
gen (§. 3.); alſo wird auch noͤthig ſeyn, den Zu-
ſtand des Leibes und der Seele, mithin des gan-
tzen Menſchen zuſammen zu nehmen, wenn man
von ſeinen gehabten Empfindungen, und denen
daraus fluͤſſenden Erzehlungen Rechenſchafft geben
ſoll. Der Zuſtand alſo des gantzen Menſchen,
der einer Sache und Begebenheit zuſchauet, ma-
chet den Sehepunckt deſſelben Zuſchauers aus:
welches die dritte Erweiterung des Begriffes
vom Sehepunckte iſt (§. 3.).

§. 5.
Was ein Menſch vor Zuſchauer hat?

Bey Geſchichten eintzelner Menſchen iſt oh-
ne Zweifel jeder zufoͤrderſt ſein eigener Zu-
ſchauer,
ſowohl deſſen, was er thut, als deſ-
ſen, was ihm begegnet. Jm uͤbrigen iſt jeder
Menſch ein Zuſchauer vieler anderen; und jeder
Menſch hat gar viele Zuſchauer. Hierbey giebt
es nun ſo viele Arten der Zuſchauer, als es Ar-

ten
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[95/0131] vom Zuſchauer und Sehepunckte. Jm Durſte ſiehet man nicht darauf, was ſich et- wa vor Unreinigkeiten im Waſſer oder Gefaͤſſe befinden; in der Flucht fuͤhlet man die Sachen, die ſonſt druͤcken, oder reiben, oder wohl gar ei- ne groſſe Wunde machen, nicht. Daher hat auch der innerliche Zuſtand der Seele eines Men- ſchen einen Einfluß in das, was er durch die Sin- ne empfindet, und in die Erzehlungen, die aus ſolchen Empfindungen entſtehen. Nun bemerckt man aber den Sehepunckt beym Auge deswegen, weil davon die Empfindungen des Auges, und die Geſchichte, die man dadurch erkennet, abhan- gen (§. 3.); alſo wird auch noͤthig ſeyn, den Zu- ſtand des Leibes und der Seele, mithin des gan- tzen Menſchen zuſammen zu nehmen, wenn man von ſeinen gehabten Empfindungen, und denen daraus fluͤſſenden Erzehlungen Rechenſchafft geben ſoll. Der Zuſtand alſo des gantzen Menſchen, der einer Sache und Begebenheit zuſchauet, ma- chet den Sehepunckt deſſelben Zuſchauers aus: welches die dritte Erweiterung des Begriffes vom Sehepunckte iſt (§. 3.). §. 5. Was ein Menſch vor Zuſchauer hat? Bey Geſchichten eintzelner Menſchen iſt oh- ne Zweifel jeder zufoͤrderſt ſein eigener Zu- ſchauer, ſowohl deſſen, was er thut, als deſ- ſen, was ihm begegnet. Jm uͤbrigen iſt jeder Menſch ein Zuſchauer vieler anderen; und jeder Menſch hat gar viele Zuſchauer. Hierbey giebt es nun ſo viele Arten der Zuſchauer, als es Ar- ten

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/131>, abgerufen am 21.11.2024.