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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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oder eines andern dergleichen für sich elastischen Körpers durch das Gehör nicht bestimmen,
wie die Gestalt desselben beschaffen ist, auch nicht, durch welche Schwingungsart dieser Klang
hervorgebracht worden ist, ausgenommen, daß an Scheiben von jeder Gestalt die Schwin-
gungsarten, wo das innere derselben mit Knotenlinien umgeben ist, z. B. Fig. 65, 67 c, 104,
105, 188--201, 209--218 einen vollern und weniger schneidenden oder spitzigen Klang geben,
als solche, wo in der Mitte mehrere Knotenlinien zusammenkommen, die nach dem Rande zu
divergiren, wie z. B. Fig. 63, 64, 70, 99--102, 179--187, 204--208 u. s. w.

248.

Unter den Gegenständen des Hörens sind außer der Geschwindigkeit, mit welcher die
Schwingungen geschehen, die mannigfaltigen Modificationen und Articulationen
eines Schalles oder Klanges, (welche im Französischen timbre genennt werden), vorzüglich
merkwürdig. Diese hängen gar nicht von der Schwingungsart ab, soweit sie uns bekannt
ist, auch nicht oder fast gar nicht von der Gestalt des schwingenden Körpers, sondern (§. 44.)
von der Verschiedenheit der Materie dieses Körpers, und derer, von welchen und an welche
er gestoßen oder gerieben wird, wie auch nach den Versuchen von Perolle (§. 223, 224, 227.)
von der Verschiedenheit der Materien, durch welche die Erschütterungen bis zu den Gehör-
werkzeugen geleitet werden. Das Wesentliche dieses verschiedenen Characters (so wie über-
haupt der qualitativen Verschiedenheiten der Materien) ist noch ganz unbekannt; da indessen
keine Materie anders als durch Bewegung auf uns würkt, so kann der Grund dieser mannig-
faltigen Modisicationen desselben Klanges in nichts anderm liegen, als in kleinen Verschieden-
heiten der Bewegungen im Jnnern der Materie, welche von den bekannten Bewegungen bey
jeder Schwingungsart unabhängig, und, weil man noch gar nichts davon hat beobachten
können, wahrscheinlich noch beträchtlich kleiner sind, als die bekannten schon sehr kleinen und
in der Theorie als unendlich klein anzunehmenden schwingenden Bewegungen. Wollte man
in der Kenntniß dieses Gegenstandes weitere Fortschritte machen, so würde es darauf ankom-
men, zu erforschen, wie bey Voraussetzung derselben Schwingungsart, desselben Tones, und
derselben Stärke z. B. an einer Darmsaite, an andern gespannten Fäden, an Messing oder
Stahlsaiten, oder auch an Stäben von Holz, Kupfer, Eisen, Glas, gebranntem Thon
u. s. w. die Bewegungen auf verschiedene Art geschehen, und warum bey jeder solchen Materie
die Bewegung (vielleicht Reibung und Stemmung der Theile im Jnnern derselben) auf diese
oder jene Art geschchen muß, ferner, wie die Bewegungen verschieden sind, wenn solche

oder eines andern dergleichen fuͤr ſich elaſtiſchen Koͤrpers durch das Gehoͤr nicht beſtimmen,
wie die Geſtalt deſſelben beſchaffen iſt, auch nicht, durch welche Schwingungsart dieſer Klang
hervorgebracht worden iſt, ausgenommen, daß an Scheiben von jeder Geſtalt die Schwin-
gungsarten, wo das innere derſelben mit Knotenlinien umgeben iſt, z. B. Fig. 65, 67 c, 104,
105, 188—201, 209—218 einen vollern und weniger ſchneidenden oder ſpitzigen Klang geben,
als ſolche, wo in der Mitte mehrere Knotenlinien zuſammenkommen, die nach dem Rande zu
divergiren, wie z. B. Fig. 63, 64, 70, 99—102, 179—187, 204—208 u. ſ. w.

248.

Unter den Gegenſtaͤnden des Hoͤrens ſind außer der Geſchwindigkeit, mit welcher die
Schwingungen geſchehen, die mannigfaltigen Modificationen und Articulationen
eines Schalles oder Klanges, (welche im Franzoͤſiſchen timbre genennt werden), vorzuͤglich
merkwuͤrdig. Dieſe haͤngen gar nicht von der Schwingungsart ab, ſoweit ſie uns bekannt
iſt, auch nicht oder faſt gar nicht von der Geſtalt des ſchwingenden Koͤrpers, ſondern (§. 44.)
von der Verſchiedenheit der Materie dieſes Koͤrpers, und derer, von welchen und an welche
er geſtoßen oder gerieben wird, wie auch nach den Verſuchen von Perolle (§. 223, 224, 227.)
von der Verſchiedenheit der Materien, durch welche die Erſchuͤtterungen bis zu den Gehoͤr-
werkzeugen geleitet werden. Das Weſentliche dieſes verſchiedenen Characters (ſo wie uͤber-
haupt der qualitativen Verſchiedenheiten der Materien) iſt noch ganz unbekannt; da indeſſen
keine Materie anders als durch Bewegung auf uns wuͤrkt, ſo kann der Grund dieſer mannig-
faltigen Modiſicationen deſſelben Klanges in nichts anderm liegen, als in kleinen Verſchieden-
heiten der Bewegungen im Jnnern der Materie, welche von den bekannten Bewegungen bey
jeder Schwingungsart unabhaͤngig, und, weil man noch gar nichts davon hat beobachten
koͤnnen, wahrſcheinlich noch betraͤchtlich kleiner ſind, als die bekannten ſchon ſehr kleinen und
in der Theorie als unendlich klein anzunehmenden ſchwingenden Bewegungen. Wollte man
in der Kenntniß dieſes Gegenſtandes weitere Fortſchritte machen, ſo wuͤrde es darauf ankom-
men, zu erforſchen, wie bey Vorausſetzung derſelben Schwingungsart, deſſelben Tones, und
derſelben Staͤrke z. B. an einer Darmſaite, an andern geſpannten Faͤden, an Meſſing oder
Stahlſaiten, oder auch an Staͤben von Holz, Kupfer, Eiſen, Glas, gebranntem Thon
u. ſ. w. die Bewegungen auf verſchiedene Art geſchehen, und warum bey jeder ſolchen Materie
die Bewegung (vielleicht Reibung und Stemmung der Theile im Jnnern derſelben) auf dieſe
oder jene Art geſchchen muß, ferner, wie die Bewegungen verſchieden ſind, wenn ſolche

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[295/0329] oder eines andern dergleichen fuͤr ſich elaſtiſchen Koͤrpers durch das Gehoͤr nicht beſtimmen, wie die Geſtalt deſſelben beſchaffen iſt, auch nicht, durch welche Schwingungsart dieſer Klang hervorgebracht worden iſt, ausgenommen, daß an Scheiben von jeder Geſtalt die Schwin- gungsarten, wo das innere derſelben mit Knotenlinien umgeben iſt, z. B. Fig. 65, 67 c, 104, 105, 188—201, 209—218 einen vollern und weniger ſchneidenden oder ſpitzigen Klang geben, als ſolche, wo in der Mitte mehrere Knotenlinien zuſammenkommen, die nach dem Rande zu divergiren, wie z. B. Fig. 63, 64, 70, 99—102, 179—187, 204—208 u. ſ. w. 248. Unter den Gegenſtaͤnden des Hoͤrens ſind außer der Geſchwindigkeit, mit welcher die Schwingungen geſchehen, die mannigfaltigen Modificationen und Articulationen eines Schalles oder Klanges, (welche im Franzoͤſiſchen timbre genennt werden), vorzuͤglich merkwuͤrdig. Dieſe haͤngen gar nicht von der Schwingungsart ab, ſoweit ſie uns bekannt iſt, auch nicht oder faſt gar nicht von der Geſtalt des ſchwingenden Koͤrpers, ſondern (§. 44.) von der Verſchiedenheit der Materie dieſes Koͤrpers, und derer, von welchen und an welche er geſtoßen oder gerieben wird, wie auch nach den Verſuchen von Perolle (§. 223, 224, 227.) von der Verſchiedenheit der Materien, durch welche die Erſchuͤtterungen bis zu den Gehoͤr- werkzeugen geleitet werden. Das Weſentliche dieſes verſchiedenen Characters (ſo wie uͤber- haupt der qualitativen Verſchiedenheiten der Materien) iſt noch ganz unbekannt; da indeſſen keine Materie anders als durch Bewegung auf uns wuͤrkt, ſo kann der Grund dieſer mannig- faltigen Modiſicationen deſſelben Klanges in nichts anderm liegen, als in kleinen Verſchieden- heiten der Bewegungen im Jnnern der Materie, welche von den bekannten Bewegungen bey jeder Schwingungsart unabhaͤngig, und, weil man noch gar nichts davon hat beobachten koͤnnen, wahrſcheinlich noch betraͤchtlich kleiner ſind, als die bekannten ſchon ſehr kleinen und in der Theorie als unendlich klein anzunehmenden ſchwingenden Bewegungen. Wollte man in der Kenntniß dieſes Gegenſtandes weitere Fortſchritte machen, ſo wuͤrde es darauf ankom- men, zu erforſchen, wie bey Vorausſetzung derſelben Schwingungsart, deſſelben Tones, und derſelben Staͤrke z. B. an einer Darmſaite, an andern geſpannten Faͤden, an Meſſing oder Stahlſaiten, oder auch an Staͤben von Holz, Kupfer, Eiſen, Glas, gebranntem Thon u. ſ. w. die Bewegungen auf verſchiedene Art geſchehen, und warum bey jeder ſolchen Materie die Bewegung (vielleicht Reibung und Stemmung der Theile im Jnnern derſelben) auf dieſe oder jene Art geſchchen muß, ferner, wie die Bewegungen verſchieden ſind, wenn ſolche

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/329>, abgerufen am 28.11.2024.