Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Gehörknöchelchen sind zum Theil mit kleinen Muskeln versehen, die ihre Bewegung unter-
stützen, der Hammer hat drey, und der Steigbügel einen. Die Gelenkflächen der Knöchelchen
sind mit Knorpel überzogen, und werden durch zarte fast nur häutige Kapselbänderchen zu-
sammengehalten.

Bey Kindern haben die Gehörknöchelchen schon ebendieselbe Größe, wie bey
Erwachsenen.

Vormals ward die Trommelhöle als der eigentliche Sitz des Gehörs angesehen, daß
sie es aber nicht sey, und daß man den darin enthaltenen Nerven, die Trommelsaite
(chorda tympani), nicht als einen zum Gehöre unmittelbar dienenden Nerven anzusehen habe,
erheilt schon daraus, weil dieser Nerve mit einer Scheide versehen ist, dahingegen alle Ner-
ven, die zu einer feinen Empfindung bestimmt sind, an dem dazu gehörigen Stellen ihre
Scheiden ablegen. Auch hat man einige Beyspiele, unter andern eins, das Astley Cooper
in Philos. transact. 1800. Vol. I. n. VIII. beschreibt, wo nach Zerstörung der Trommelhaut
oder eines Theiles derselben, oder auch bey einem gänzlichen Mangel der Gehörknöchelchen
keine Taubheit erfolgt ist.

237.

Der Labyrinth, welcher seinen Nahmen von den verschiedenen gekrümmten Hölun-
gen hat, die mit mehrern Zugängen und Ausgängen versehen sind, befindet sich im pyrami-
denförmigen Theile des Schlafknochens oberhalb der Trommelhöle, etwas weiter nach hinten,
er ist ganz von schwammicher Knochenmasse umgeben, seine Wände aber sind zart und fest,
und mit einer Knochenhaut überkleidet, die eine Fortsetzung der harten Hirnhaut ist. Er ist
ganz mit einer wäßrichen Feuchtigkeit (aquula labyrinthi) angefüllt, welches dazu
nützt, daß die Gehörnerven, welche bey dem Eintritte in den Labyrinth ihre Scheiden ablegen,
und sich bloß mit ihrer markichen Substanz in mancherley Häute und Fasern verbreiten, in
einer solchen wäßrichen Flüssigkeit weit mehr, als wenn sie etwa mit Luft umgeben wären, vor
jedem Verderbniß sicher seyn, und jeden Eindruck der dieser Flüssigkeit durch den Schall mit-
getheilten Bewegungen stärker empfinden können. Diese wäßriche Feuchtigkeit wird von den
seinen Arterien, welche sich auf der Oberfläche des Labyrinthes endigen, abgesondert, und
durch den Wasserleiter des Vorhofs (aquaeductus vestibuli) und den Wasserleiter
der Schnecke
(aquaeductus cochleae) wieder in den Kreißlauf des Blutes zurückgeführt.

Die Gehoͤrknoͤchelchen ſind zum Theil mit kleinen Muſkeln verſehen, die ihre Bewegung unter-
ſtuͤtzen, der Hammer hat drey, und der Steigbuͤgel einen. Die Gelenkflaͤchen der Knoͤchelchen
ſind mit Knorpel uͤberzogen, und werden durch zarte faſt nur haͤutige Kapſelbaͤnderchen zu-
ſammengehalten.

Bey Kindern haben die Gehoͤrknoͤchelchen ſchon ebendieſelbe Groͤße, wie bey
Erwachſenen.

Vormals ward die Trommelhoͤle als der eigentliche Sitz des Gehoͤrs angeſehen, daß
ſie es aber nicht ſey, und daß man den darin enthaltenen Nerven, die Trommelſaite
(chorda tympani), nicht als einen zum Gehoͤre unmittelbar dienenden Nerven anzuſehen habe,
erheilt ſchon daraus, weil dieſer Nerve mit einer Scheide verſehen iſt, dahingegen alle Ner-
ven, die zu einer feinen Empfindung beſtimmt ſind, an dem dazu gehoͤrigen Stellen ihre
Scheiden ablegen. Auch hat man einige Beyſpiele, unter andern eins, das Aſtley Cooper
in Philos. transact. 1800. Vol. I. n. VIII. beſchreibt, wo nach Zerſtoͤrung der Trommelhaut
oder eines Theiles derſelben, oder auch bey einem gaͤnzlichen Mangel der Gehoͤrknoͤchelchen
keine Taubheit erfolgt iſt.

237.

Der Labyrinth, welcher ſeinen Nahmen von den verſchiedenen gekruͤmmten Hoͤlun-
gen hat, die mit mehrern Zugaͤngen und Ausgaͤngen verſehen ſind, befindet ſich im pyrami-
denfoͤrmigen Theile des Schlafknochens oberhalb der Trommelhoͤle, etwas weiter nach hinten,
er iſt ganz von ſchwammicher Knochenmaſſe umgeben, ſeine Waͤnde aber ſind zart und feſt,
und mit einer Knochenhaut uͤberkleidet, die eine Fortſetzung der harten Hirnhaut iſt. Er iſt
ganz mit einer waͤßrichen Feuchtigkeit (aquula labyrinthi) angefuͤllt, welches dazu
nuͤtzt, daß die Gehoͤrnerven, welche bey dem Eintritte in den Labyrinth ihre Scheiden ablegen,
und ſich bloß mit ihrer markichen Subſtanz in mancherley Haͤute und Faſern verbreiten, in
einer ſolchen waͤßrichen Fluͤſſigkeit weit mehr, als wenn ſie etwa mit Luft umgeben waͤren, vor
jedem Verderbniß ſicher ſeyn, und jeden Eindruck der dieſer Fluͤſſigkeit durch den Schall mit-
getheilten Bewegungen ſtaͤrker empfinden koͤnnen. Dieſe waͤßriche Feuchtigkeit wird von den
ſeinen Arterien, welche ſich auf der Oberflaͤche des Labyrinthes endigen, abgeſondert, und
durch den Waſſerleiter des Vorhofs (aquaeductus vestibuli) und den Waſſerleiter
der Schnecke
(aquaeductus cochleae) wieder in den Kreißlauf des Blutes zuruͤckgefuͤhrt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0314" n="280"/>
Die Geho&#x0364;rkno&#x0364;chelchen &#x017F;ind zum Theil mit kleinen Mu&#x017F;keln ver&#x017F;ehen, die ihre Bewegung unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;tzen, der Hammer hat drey, und der Steigbu&#x0364;gel einen. Die Gelenkfla&#x0364;chen der Kno&#x0364;chelchen<lb/>
&#x017F;ind mit Knorpel u&#x0364;berzogen, und werden durch zarte fa&#x017F;t nur ha&#x0364;utige Kap&#x017F;elba&#x0364;nderchen zu-<lb/>
&#x017F;ammengehalten.</p><lb/>
              <p>Bey Kindern haben die Geho&#x0364;rkno&#x0364;chelchen &#x017F;chon ebendie&#x017F;elbe Gro&#x0364;ße, wie bey<lb/>
Erwach&#x017F;enen.</p><lb/>
              <p>Vormals ward die Trommelho&#x0364;le als der eigentliche Sitz des Geho&#x0364;rs ange&#x017F;ehen, daß<lb/>
&#x017F;ie es aber nicht &#x017F;ey, und daß man den darin enthaltenen Nerven, die <hi rendition="#g">Trommel&#x017F;aite</hi><lb/><hi rendition="#aq">(chorda tympani),</hi> nicht als einen zum Geho&#x0364;re unmittelbar dienenden Nerven anzu&#x017F;ehen habe,<lb/>
erheilt &#x017F;chon daraus, weil die&#x017F;er Nerve mit einer Scheide ver&#x017F;ehen i&#x017F;t, dahingegen alle Ner-<lb/>
ven, die zu einer feinen Empfindung be&#x017F;timmt &#x017F;ind, an dem dazu geho&#x0364;rigen Stellen ihre<lb/>
Scheiden ablegen. Auch hat man einige Bey&#x017F;piele, unter andern eins, das <hi rendition="#g">A&#x017F;tley Cooper</hi><lb/>
in <hi rendition="#aq">Philos. transact. 1800. Vol. I. n. VIII.</hi> be&#x017F;chreibt, wo nach Zer&#x017F;to&#x0364;rung der Trommelhaut<lb/>
oder eines Theiles der&#x017F;elben, oder auch bey einem ga&#x0364;nzlichen Mangel der Geho&#x0364;rkno&#x0364;chelchen<lb/>
keine Taubheit erfolgt i&#x017F;t.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>237.</head><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#g">Labyrinth,</hi> welcher &#x017F;einen Nahmen von den ver&#x017F;chiedenen gekru&#x0364;mmten Ho&#x0364;lun-<lb/>
gen hat, die mit mehrern Zuga&#x0364;ngen und Ausga&#x0364;ngen ver&#x017F;ehen &#x017F;ind, befindet &#x017F;ich im pyrami-<lb/>
denfo&#x0364;rmigen Theile des Schlafknochens oberhalb der Trommelho&#x0364;le, etwas weiter nach hinten,<lb/>
er i&#x017F;t ganz von &#x017F;chwammicher Knochenma&#x017F;&#x017F;e umgeben, &#x017F;eine Wa&#x0364;nde aber &#x017F;ind zart und fe&#x017F;t,<lb/>
und mit einer Knochenhaut u&#x0364;berkleidet, die eine Fort&#x017F;etzung der harten Hirnhaut i&#x017F;t. Er i&#x017F;t<lb/>
ganz mit einer <hi rendition="#g">wa&#x0364;ßrichen Feuchtigkeit</hi> <hi rendition="#aq">(aquula labyrinthi)</hi> angefu&#x0364;llt, welches dazu<lb/>
nu&#x0364;tzt, daß die Geho&#x0364;rnerven, welche bey dem Eintritte in den Labyrinth ihre Scheiden ablegen,<lb/>
und &#x017F;ich bloß mit ihrer markichen Sub&#x017F;tanz in mancherley Ha&#x0364;ute und Fa&#x017F;ern verbreiten, in<lb/>
einer &#x017F;olchen wa&#x0364;ßrichen Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit weit mehr, als wenn &#x017F;ie etwa mit Luft umgeben wa&#x0364;ren, vor<lb/>
jedem Verderbniß &#x017F;icher &#x017F;eyn, und jeden Eindruck der die&#x017F;er Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit durch den Schall mit-<lb/>
getheilten Bewegungen &#x017F;ta&#x0364;rker empfinden ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;e wa&#x0364;ßriche Feuchtigkeit wird von den<lb/>
&#x017F;einen Arterien, welche &#x017F;ich auf der Oberfla&#x0364;che des Labyrinthes endigen, abge&#x017F;ondert, und<lb/>
durch den <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;erleiter des Vorhofs</hi> <hi rendition="#aq">(aquaeductus vestibuli)</hi> und den <hi rendition="#g">Wa&#x017F;&#x017F;erleiter<lb/>
der Schnecke</hi> <hi rendition="#aq">(aquaeductus cochleae)</hi> wieder in den Kreißlauf des Blutes zuru&#x0364;ckgefu&#x0364;hrt.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0314] Die Gehoͤrknoͤchelchen ſind zum Theil mit kleinen Muſkeln verſehen, die ihre Bewegung unter- ſtuͤtzen, der Hammer hat drey, und der Steigbuͤgel einen. Die Gelenkflaͤchen der Knoͤchelchen ſind mit Knorpel uͤberzogen, und werden durch zarte faſt nur haͤutige Kapſelbaͤnderchen zu- ſammengehalten. Bey Kindern haben die Gehoͤrknoͤchelchen ſchon ebendieſelbe Groͤße, wie bey Erwachſenen. Vormals ward die Trommelhoͤle als der eigentliche Sitz des Gehoͤrs angeſehen, daß ſie es aber nicht ſey, und daß man den darin enthaltenen Nerven, die Trommelſaite (chorda tympani), nicht als einen zum Gehoͤre unmittelbar dienenden Nerven anzuſehen habe, erheilt ſchon daraus, weil dieſer Nerve mit einer Scheide verſehen iſt, dahingegen alle Ner- ven, die zu einer feinen Empfindung beſtimmt ſind, an dem dazu gehoͤrigen Stellen ihre Scheiden ablegen. Auch hat man einige Beyſpiele, unter andern eins, das Aſtley Cooper in Philos. transact. 1800. Vol. I. n. VIII. beſchreibt, wo nach Zerſtoͤrung der Trommelhaut oder eines Theiles derſelben, oder auch bey einem gaͤnzlichen Mangel der Gehoͤrknoͤchelchen keine Taubheit erfolgt iſt. 237. Der Labyrinth, welcher ſeinen Nahmen von den verſchiedenen gekruͤmmten Hoͤlun- gen hat, die mit mehrern Zugaͤngen und Ausgaͤngen verſehen ſind, befindet ſich im pyrami- denfoͤrmigen Theile des Schlafknochens oberhalb der Trommelhoͤle, etwas weiter nach hinten, er iſt ganz von ſchwammicher Knochenmaſſe umgeben, ſeine Waͤnde aber ſind zart und feſt, und mit einer Knochenhaut uͤberkleidet, die eine Fortſetzung der harten Hirnhaut iſt. Er iſt ganz mit einer waͤßrichen Feuchtigkeit (aquula labyrinthi) angefuͤllt, welches dazu nuͤtzt, daß die Gehoͤrnerven, welche bey dem Eintritte in den Labyrinth ihre Scheiden ablegen, und ſich bloß mit ihrer markichen Subſtanz in mancherley Haͤute und Faſern verbreiten, in einer ſolchen waͤßrichen Fluͤſſigkeit weit mehr, als wenn ſie etwa mit Luft umgeben waͤren, vor jedem Verderbniß ſicher ſeyn, und jeden Eindruck der dieſer Fluͤſſigkeit durch den Schall mit- getheilten Bewegungen ſtaͤrker empfinden koͤnnen. Dieſe waͤßriche Feuchtigkeit wird von den ſeinen Arterien, welche ſich auf der Oberflaͤche des Labyrinthes endigen, abgeſondert, und durch den Waſſerleiter des Vorhofs (aquaeductus vestibuli) und den Waſſerleiter der Schnecke (aquaeductus cochleae) wieder in den Kreißlauf des Blutes zuruͤckgefuͤhrt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/314
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/314>, abgerufen am 16.07.2024.