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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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schwingende Theile entstehen, welchis sich an einer Saite durch schmale darauf gelegte Papier-
streifen sichtbar zeigen läßt, indem diese auf den Schwingungsknoten ruhig bleiben, von den
schwingenden Stellen aber herabgeworfen werden. Auch wird das Angeben eines andern con-
sonirenden Tones schen einigermaßen ein Mitklingen bewürken können, weil dabey der eine
klingende Körper dem andern allemahl nach etlichen wenigen Schwingungen durch einen neuen
Stoß zu seinen Schwingungen beförderlich ist.

Man bemerkt ein solches Mitklingen, oder wenigstens eine starke Erschütterung auch
bisweilen bey manchen einzelnen besenders bey manchen sehr tiefen Tönen einer Orgel, oder
eines Contraviolons an den Fenstern, Wänden, Pfeilern, oder an dem Fußboden einer Ge-
bäudes; dieses geschieht nähmlich alsdenn, wenn (wie im vorigen §. erwähnt worden,) dieser
mitschwingende Körper eine solche Beschaffenheit hat, daß er, als selbstklingender Körper
betrachtet, in derselben Geschwindigkeit würde schwingen können.

230.

Einige Schriftsteller, wie Morhof (in seiner Dissertation: Stentor hyaloclastes,
sive de scypho vitreo per vocis humanae sonum rupto, Kil.
1683.) und Barroli (in
trattato del suono e de' tremori armonici, Bologna 1680.) erzähten, daß gläserne Gefäße,
besonders solche, die etwas dünn und conver waren (wie die Weingläser, welche man Römer
nennt) durch heftiges und anhaltendes Hineinschreyen eines Tones nach einem vorhergegangenen
starken Klirren sind zersprengt worden. Es mußte genau eben der Ton, oder die Octave dessen
seyn, welchen das Glas geben konnte. Durch Hineinblasen desselben Tones mit einer Trom-
pete wollte der Versuch nicht gelingen, es schien aber auch der Ton nicht genau und nicht an-
haltend genug gewesen zu seyn. Bactoli erzählt, daß ein Glas auch durch denselben auf einer
Violinsaite stark angegebenen Ton zersprengt werden sey.

Anm. Ein glaubwürdiger Mann sagte mir, daß er einen solchen Versuch selbst mit angesehen habe.
Die Möglichkeit des Erfolges läßt sich wohl nicht abläugnen; indessen möchte ich doch fast vermu-
then, daß Morhof, Bartoli und Andere sich etwas haben täuschen lassen, und daß der, welcher
vielleicht zu seinem Vortheile oder um Anfsehen zu machen, diese Kunst ausübte, durch einen an
dem Rande des Glases vorher mit einen Diamanten oder Feuersteine gemachten für das Auge fast

ſchwingende Theile entſtehen, welchis ſich an einer Saite durch ſchmale darauf gelegte Papier-
ſtreifen ſichtbar zeigen laͤßt, indem dieſe auf den Schwingungsknoten ruhig bleiben, von den
ſchwingenden Stellen aber herabgeworfen werden. Auch wird das Angeben eines andern con-
ſonirenden Tones ſchen einigermaßen ein Mitklingen bewuͤrken koͤnnen, weil dabey der eine
klingende Koͤrper dem andern allemahl nach etlichen wenigen Schwingungen durch einen neuen
Stoß zu ſeinen Schwingungen befoͤrderlich iſt.

Man bemerkt ein ſolches Mitklingen, oder wenigſtens eine ſtarke Erſchuͤtterung auch
bisweilen bey manchen einzelnen beſenders bey manchen ſehr tiefen Toͤnen einer Orgel, oder
eines Contraviolons an den Fenſtern, Waͤnden, Pfeilern, oder an dem Fußboden einer Ge-
baͤudes; dieſes geſchieht naͤhmlich alsdenn, wenn (wie im vorigen §. erwaͤhnt worden,) dieſer
mitſchwingende Koͤrper eine ſolche Beſchaffenheit hat, daß er, als ſelbſtklingender Koͤrper
betrachtet, in derſelben Geſchwindigkeit wuͤrde ſchwingen koͤnnen.

230.

Einige Schriftſteller, wie Morhof (in ſeiner Diſſertation: Stentor hyaloclaſtes,
sive de scypho vitreo per vocis humanae sonum rupto, Kil.
1683.) und Barroli (in
trattato del suono e de’ tremori armonici, Bologna 1680.) erzaͤhten, daß glaͤſerne Gefaͤße,
beſonders ſolche, die etwas duͤnn und conver waren (wie die Weinglaͤſer, welche man Roͤmer
nennt) durch heftiges und anhaltendes Hineinſchreyen eines Tones nach einem vorhergegangenen
ſtarken Klirren ſind zerſprengt worden. Es mußte genau eben der Ton, oder die Octave deſſen
ſeyn, welchen das Glas geben konnte. Durch Hineinblaſen deſſelben Tones mit einer Trom-
pete wollte der Verſuch nicht gelingen, es ſchien aber auch der Ton nicht genau und nicht an-
haltend genug geweſen zu ſeyn. Bactoli erzaͤhlt, daß ein Glas auch durch denſelben auf einer
Violinſaite ſtark angegebenen Ton zerſprengt werden ſey.

Anm. Ein glaubwuͤrdiger Mann ſagte mir, daß er einen ſolchen Verſuch ſelbſt mit angeſehen habe.
Die Moͤglichkeit des Erfolges laͤßt ſich wohl nicht ablaͤugnen; indeſſen moͤchte ich doch faſt vermu-
then, daß Morhof, Bartoli und Andere ſich etwas haben taͤuſchen laſſen, und daß der, welcher
vielleicht zu ſeinem Vortheile oder um Anfſehen zu machen, dieſe Kunſt ausuͤbte, durch einen an
dem Rande des Glaſes vorher mit einen Diamanten oder Feuerſteine gemachten fuͤr das Auge faſt
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[271/0305] ſchwingende Theile entſtehen, welchis ſich an einer Saite durch ſchmale darauf gelegte Papier- ſtreifen ſichtbar zeigen laͤßt, indem dieſe auf den Schwingungsknoten ruhig bleiben, von den ſchwingenden Stellen aber herabgeworfen werden. Auch wird das Angeben eines andern con- ſonirenden Tones ſchen einigermaßen ein Mitklingen bewuͤrken koͤnnen, weil dabey der eine klingende Koͤrper dem andern allemahl nach etlichen wenigen Schwingungen durch einen neuen Stoß zu ſeinen Schwingungen befoͤrderlich iſt. Man bemerkt ein ſolches Mitklingen, oder wenigſtens eine ſtarke Erſchuͤtterung auch bisweilen bey manchen einzelnen beſenders bey manchen ſehr tiefen Toͤnen einer Orgel, oder eines Contraviolons an den Fenſtern, Waͤnden, Pfeilern, oder an dem Fußboden einer Ge- baͤudes; dieſes geſchieht naͤhmlich alsdenn, wenn (wie im vorigen §. erwaͤhnt worden,) dieſer mitſchwingende Koͤrper eine ſolche Beſchaffenheit hat, daß er, als ſelbſtklingender Koͤrper betrachtet, in derſelben Geſchwindigkeit wuͤrde ſchwingen koͤnnen. 230. Einige Schriftſteller, wie Morhof (in ſeiner Diſſertation: Stentor hyaloclaſtes, sive de scypho vitreo per vocis humanae sonum rupto, Kil. 1683.) und Barroli (in trattato del suono e de’ tremori armonici, Bologna 1680.) erzaͤhten, daß glaͤſerne Gefaͤße, beſonders ſolche, die etwas duͤnn und conver waren (wie die Weinglaͤſer, welche man Roͤmer nennt) durch heftiges und anhaltendes Hineinſchreyen eines Tones nach einem vorhergegangenen ſtarken Klirren ſind zerſprengt worden. Es mußte genau eben der Ton, oder die Octave deſſen ſeyn, welchen das Glas geben konnte. Durch Hineinblaſen deſſelben Tones mit einer Trom- pete wollte der Verſuch nicht gelingen, es ſchien aber auch der Ton nicht genau und nicht an- haltend genug geweſen zu ſeyn. Bactoli erzaͤhlt, daß ein Glas auch durch denſelben auf einer Violinſaite ſtark angegebenen Ton zerſprengt werden ſey. Anm. Ein glaubwuͤrdiger Mann ſagte mir, daß er einen ſolchen Verſuch ſelbſt mit angeſehen habe. Die Moͤglichkeit des Erfolges laͤßt ſich wohl nicht ablaͤugnen; indeſſen moͤchte ich doch faſt vermu- then, daß Morhof, Bartoli und Andere ſich etwas haben taͤuſchen laſſen, und daß der, welcher vielleicht zu ſeinem Vortheile oder um Anfſehen zu machen, dieſe Kunſt ausuͤbte, durch einen an dem Rande des Glaſes vorher mit einen Diamanten oder Feuerſteine gemachten fuͤr das Auge faſt

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/305>, abgerufen am 24.11.2024.