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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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194.

Die Luft, in welcher sich der Schall verbreitet, macht nicht mehr
noch weniger Schwingungen, als der Körper, welcher den Schall her-
vorbringt;
sobald dieser aufhört zu schwingen, so hört auch der Schall auf. Es zeigt sich
hierin ein großer Unterschied zwischen den eigenthümlichen und mitgetheilten Schwin-
gungen. Bey dem eigenthümlichen Schwingungen hat der schwingende Körper in dem
Augenblicke, wo er seine natürliche Gestalt oder Ausdehnung wieder erhält, die Hälfte einer
Schwingung vollbracht, und also seine größte Geschwindigkeit erhalten, er muß also die erst
zur Hälfte vollbrachte Schwingung fortsetzen; wenn aber eine Schwingung vollendet, und
also seine Geschwindigkeit = 0 ist, so weicht seine Gestalt oder Ausdehnung am meisten von
der natürlichen ab, er kann also auch in dieser Lage nicht bleiben, und muß eine neue Schwin-
gung anfangen; es müßten also eigentlich die Schwingungen unaufhörlich fortdauern, wenn
solches nicht durch äußern oder innern Widerstand verhindert würde. Hingegen bey den
mitgetheilten Schwingungen, oder bey der Verbreitung des Schalles hat jeder Lufttheil
während seiner größten Verdichtung und Verdünnung auch seine größte Geschwindigkeit, wenn
aber eine Schwingung geendigt und also die Geschwindigkeit = 0 ist, so hat er seine natür-
liche Ausdehnung wieder erhalten, es ist also kein Grund vorhanden, warum die Luft noch
mehrere Schwingungen machen sollte, außer wenn sie durch Schwingungen des Körpers,
welcher den Schall hervorbringt, von neuen gestoßen wird, oder wenn, wie weiter unten
wird gezeigt werden, bey einem Echo oder bey einer Resonanz die der Luft mitgetheilten
Schwingungen durch äußere Umstände gewissermaßen in eigenthümliche umgeändert werden.

195.

Wenn die Luft, wie es bey einem jeden Klange (und vielleicht auch bey allen andern
Arten des Schalles, obgleich weniger regelmäßig) geschieht, mehrere schnell auf einander
folgende Stöße erhält, so geschehen in jedem Schallstrale mehrere abwechselnde Verdichtungen
und Verdünnungen, die gewöhnlich Schallwellen, (undae sonorae, pulsus sonori) ge-
nennt werden. Diese Schallwellen, da sie von dem schallenden Körper nach allen Richtungen
gleichförmig ausgehn, kann man sich so verstellen, daß sie diesen Körper so wie concentrische
Schalen den Mittelpunct einer Kugel, umgeben. Man findet den Abstand einer solchen
Welle von der andern, wenn die Weite, durch welche der Schall in einer gewissen Zeit geht,
durch die Hälfte der Schwingungen, welche der klingende Körper in eben der Zeit macht,

E e
194.

Die Luft, in welcher ſich der Schall verbreitet, macht nicht mehr
noch weniger Schwingungen, als der Koͤrper, welcher den Schall her-
vorbringt;
ſobald dieſer aufhoͤrt zu ſchwingen, ſo hoͤrt auch der Schall auf. Es zeigt ſich
hierin ein großer Unterſchied zwiſchen den eigenthuͤmlichen und mitgetheilten Schwin-
gungen. Bey dem eigenthuͤmlichen Schwingungen hat der ſchwingende Koͤrper in dem
Augenblicke, wo er ſeine natuͤrliche Geſtalt oder Ausdehnung wieder erhaͤlt, die Haͤlfte einer
Schwingung vollbracht, und alſo ſeine groͤßte Geſchwindigkeit erhalten, er muß alſo die erſt
zur Haͤlfte vollbrachte Schwingung fortſetzen; wenn aber eine Schwingung vollendet, und
alſo ſeine Geſchwindigkeit = 0 iſt, ſo weicht ſeine Geſtalt oder Ausdehnung am meiſten von
der natuͤrlichen ab, er kann alſo auch in dieſer Lage nicht bleiben, und muß eine neue Schwin-
gung anfangen; es muͤßten alſo eigentlich die Schwingungen unaufhoͤrlich fortdauern, wenn
ſolches nicht durch aͤußern oder innern Widerſtand verhindert wuͤrde. Hingegen bey den
mitgetheilten Schwingungen, oder bey der Verbreitung des Schalles hat jeder Lufttheil
waͤhrend ſeiner groͤßten Verdichtung und Verduͤnnung auch ſeine groͤßte Geſchwindigkeit, wenn
aber eine Schwingung geendigt und alſo die Geſchwindigkeit = 0 iſt, ſo hat er ſeine natuͤr-
liche Ausdehnung wieder erhalten, es iſt alſo kein Grund vorhanden, warum die Luft noch
mehrere Schwingungen machen ſollte, außer wenn ſie durch Schwingungen des Koͤrpers,
welcher den Schall hervorbringt, von neuen geſtoßen wird, oder wenn, wie weiter unten
wird gezeigt werden, bey einem Echo oder bey einer Reſonanz die der Luft mitgetheilten
Schwingungen durch aͤußere Umſtaͤnde gewiſſermaßen in eigenthuͤmliche umgeaͤndert werden.

195.

Wenn die Luft, wie es bey einem jeden Klange (und vielleicht auch bey allen andern
Arten des Schalles, obgleich weniger regelmaͤßig) geſchieht, mehrere ſchnell auf einander
folgende Stoͤße erhaͤlt, ſo geſchehen in jedem Schallſtrale mehrere abwechſelnde Verdichtungen
und Verduͤnnungen, die gewoͤhnlich Schallwellen, (undae sonorae, pulsus sonori) ge-
nennt werden. Dieſe Schallwellen, da ſie von dem ſchallenden Koͤrper nach allen Richtungen
gleichfoͤrmig ausgehn, kann man ſich ſo verſtellen, daß ſie dieſen Koͤrper ſo wie concentriſche
Schalen den Mittelpunct einer Kugel, umgeben. Man findet den Abſtand einer ſolchen
Welle von der andern, wenn die Weite, durch welche der Schall in einer gewiſſen Zeit geht,
durch die Haͤlfte der Schwingungen, welche der klingende Koͤrper in eben der Zeit macht,

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[217/0251] 194. Die Luft, in welcher ſich der Schall verbreitet, macht nicht mehr noch weniger Schwingungen, als der Koͤrper, welcher den Schall her- vorbringt; ſobald dieſer aufhoͤrt zu ſchwingen, ſo hoͤrt auch der Schall auf. Es zeigt ſich hierin ein großer Unterſchied zwiſchen den eigenthuͤmlichen und mitgetheilten Schwin- gungen. Bey dem eigenthuͤmlichen Schwingungen hat der ſchwingende Koͤrper in dem Augenblicke, wo er ſeine natuͤrliche Geſtalt oder Ausdehnung wieder erhaͤlt, die Haͤlfte einer Schwingung vollbracht, und alſo ſeine groͤßte Geſchwindigkeit erhalten, er muß alſo die erſt zur Haͤlfte vollbrachte Schwingung fortſetzen; wenn aber eine Schwingung vollendet, und alſo ſeine Geſchwindigkeit = 0 iſt, ſo weicht ſeine Geſtalt oder Ausdehnung am meiſten von der natuͤrlichen ab, er kann alſo auch in dieſer Lage nicht bleiben, und muß eine neue Schwin- gung anfangen; es muͤßten alſo eigentlich die Schwingungen unaufhoͤrlich fortdauern, wenn ſolches nicht durch aͤußern oder innern Widerſtand verhindert wuͤrde. Hingegen bey den mitgetheilten Schwingungen, oder bey der Verbreitung des Schalles hat jeder Lufttheil waͤhrend ſeiner groͤßten Verdichtung und Verduͤnnung auch ſeine groͤßte Geſchwindigkeit, wenn aber eine Schwingung geendigt und alſo die Geſchwindigkeit = 0 iſt, ſo hat er ſeine natuͤr- liche Ausdehnung wieder erhalten, es iſt alſo kein Grund vorhanden, warum die Luft noch mehrere Schwingungen machen ſollte, außer wenn ſie durch Schwingungen des Koͤrpers, welcher den Schall hervorbringt, von neuen geſtoßen wird, oder wenn, wie weiter unten wird gezeigt werden, bey einem Echo oder bey einer Reſonanz die der Luft mitgetheilten Schwingungen durch aͤußere Umſtaͤnde gewiſſermaßen in eigenthuͤmliche umgeaͤndert werden. 195. Wenn die Luft, wie es bey einem jeden Klange (und vielleicht auch bey allen andern Arten des Schalles, obgleich weniger regelmaͤßig) geſchieht, mehrere ſchnell auf einander folgende Stoͤße erhaͤlt, ſo geſchehen in jedem Schallſtrale mehrere abwechſelnde Verdichtungen und Verduͤnnungen, die gewoͤhnlich Schallwellen, (undae sonorae, pulsus sonori) ge- nennt werden. Dieſe Schallwellen, da ſie von dem ſchallenden Koͤrper nach allen Richtungen gleichfoͤrmig ausgehn, kann man ſich ſo verſtellen, daß ſie dieſen Koͤrper ſo wie concentriſche Schalen den Mittelpunct einer Kugel, umgeben. Man findet den Abſtand einer ſolchen Welle von der andern, wenn die Weite, durch welche der Schall in einer gewiſſen Zeit geht, durch die Haͤlfte der Schwingungen, welche der klingende Koͤrper in eben der Zeit macht, E e

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/251>, abgerufen am 24.11.2024.