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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Peitschenschlage geschieht, ist die gestoßene Stelle doch als ein Mittelpunct anzusehen, von
dem auch nach den entgegengesetzten Richtungen Schallstralen ausgehen, weil die durch den
Stoß zusammengedrückten Theile die umher befindliche Luft nach allen Richtungen pressen.

Anm. Neulich hat ein Naturforscher darzuthun gesucht, daß der Schall nicht in Zitterungen der
Luft oder anderer Körper bestehe, sondern in Zitterungen einer äußerst feinen Flüssigkeit, welche die
Luft sowohl, als auch andere Körper durchdringe, und daß die Wärmematerie als dieser Schallstoff
anzusehen sey!
193.

Diese der freyen Luft mitgetheilten Longitudinalschwingungen sind von den
eigenthümlichen Longitudinalschwingungen der in einer Pfeife eingeschlossenen Luft nicht
wesentlich verschieden, es ist also die Theorie, welche hier vorgetragen wird, gewissermaßen
eine Fortsetzung von dem, was im 4ten Abschnitte des vorigen Theils ist gesagt worden. Es
erhellt diese Uebereinkunft unter andern schon daraus, weil weder die Geschwindigkeit noch die
übrige Beschaffenheit des Klanges in einer Pfeife (die Stärke ausgenommen) von der Weite
derselben abhängt; wenn also eine unbestimmte Erweiterung der Seitenwände hierin nichts
verändert, so können auch die Seitenwände ganz hinweggenommen werden, so daß die übrige
freye Luft von allen Seiten den Zutritt hat, ohne daß dadurch eine wesentliche Veränderung
bewürkt wird, es schwingt also eine Strecke von eingeschlossener und von
freyer Lüft in einerley Geschwindigkeit, so daß durch eine Strecke von
freyer Luft der Schall in ebenderselben Zeit verbreitet wird, in welcher
eine eben so lange Strecke von Luft, welche sich in einer Pfeife zwischen
zwey festen Gränzen befindet,
(oder bey dem tiefsten Tone einer an beyden Enden
offenen Pfeife, §. 73. eine Luftstrecke von ebenderselben Länge, die sich in 2 dergleichen Halb-
theile eintheilt, Fig. 14.), eine Schwingung macht. Was bey der in einer Pfeife
enthaltenen Luft die Schwingungsknoten sind, das sind bey diesen der freyen Luft mitgetheilten
Schwingungen die Stellen, wo die Verdichtung der Luft am größten ist; nur sind beyde darin
verschieden, daß bey den eigenthümlichen Schwingungen der in einer Röhre eingeschlossenen
Luftsäule, wegen der Stemmungen eines schwingenden Theils gegen den andern, oder gegen
ein verschlossenes Ende die Schwingungsknoten immer an einer Stelle bleiben, dahingegen
in der freyen Luft die Stellen, wo die Verdichtungen am größten sind, immer weiter von
dem Körper, welcher den Schall hervorbringt, sich entfernen.

Peitſchenſchlage geſchieht, iſt die geſtoßene Stelle doch als ein Mittelpunct anzuſehen, von
dem auch nach den entgegengeſetzten Richtungen Schallſtralen ausgehen, weil die durch den
Stoß zuſammengedruͤckten Theile die umher befindliche Luft nach allen Richtungen preſſen.

Anm. Neulich hat ein Naturforſcher darzuthun geſucht, daß der Schall nicht in Zitterungen der
Luft oder anderer Koͤrper beſtehe, ſondern in Zitterungen einer aͤußerſt feinen Fluͤſſigkeit, welche die
Luft ſowohl, als auch andere Koͤrper durchdringe, und daß die Waͤrmematerie als dieſer Schallſtoff
anzuſehen ſey!
193.

Dieſe der freyen Luft mitgetheilten Longitudinalſchwingungen ſind von den
eigenthuͤmlichen Longitudinalſchwingungen der in einer Pfeife eingeſchloſſenen Luft nicht
weſentlich verſchieden, es iſt alſo die Theorie, welche hier vorgetragen wird, gewiſſermaßen
eine Fortſetzung von dem, was im 4ten Abſchnitte des vorigen Theils iſt geſagt worden. Es
erhellt dieſe Uebereinkunft unter andern ſchon daraus, weil weder die Geſchwindigkeit noch die
uͤbrige Beſchaffenheit des Klanges in einer Pfeife (die Staͤrke ausgenommen) von der Weite
derſelben abhaͤngt; wenn alſo eine unbeſtimmte Erweiterung der Seitenwaͤnde hierin nichts
veraͤndert, ſo koͤnnen auch die Seitenwaͤnde ganz hinweggenommen werden, ſo daß die uͤbrige
freye Luft von allen Seiten den Zutritt hat, ohne daß dadurch eine weſentliche Veraͤnderung
bewuͤrkt wird, es ſchwingt alſo eine Strecke von eingeſchloſſener und von
freyer Luͤft in einerley Geſchwindigkeit, ſo daß durch eine Strecke von
freyer Luft der Schall in ebenderſelben Zeit verbreitet wird, in welcher
eine eben ſo lange Strecke von Luft, welche ſich in einer Pfeife zwiſchen
zwey feſten Graͤnzen befindet,
(oder bey dem tiefſten Tone einer an beyden Enden
offenen Pfeife, §. 73. eine Luftſtrecke von ebenderſelben Laͤnge, die ſich in 2 dergleichen Halb-
theile eintheilt, Fig. 14.), eine Schwingung macht. Was bey der in einer Pfeife
enthaltenen Luft die Schwingungsknoten ſind, das ſind bey dieſen der freyen Luft mitgetheilten
Schwingungen die Stellen, wo die Verdichtung der Luft am groͤßten iſt; nur ſind beyde darin
verſchieden, daß bey den eigenthuͤmlichen Schwingungen der in einer Roͤhre eingeſchloſſenen
Luftſaͤule, wegen der Stemmungen eines ſchwingenden Theils gegen den andern, oder gegen
ein verſchloſſenes Ende die Schwingungsknoten immer an einer Stelle bleiben, dahingegen
in der freyen Luft die Stellen, wo die Verdichtungen am groͤßten ſind, immer weiter von
dem Koͤrper, welcher den Schall hervorbringt, ſich entfernen.

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[216/0250] Peitſchenſchlage geſchieht, iſt die geſtoßene Stelle doch als ein Mittelpunct anzuſehen, von dem auch nach den entgegengeſetzten Richtungen Schallſtralen ausgehen, weil die durch den Stoß zuſammengedruͤckten Theile die umher befindliche Luft nach allen Richtungen preſſen. Anm. Neulich hat ein Naturforſcher darzuthun geſucht, daß der Schall nicht in Zitterungen der Luft oder anderer Koͤrper beſtehe, ſondern in Zitterungen einer aͤußerſt feinen Fluͤſſigkeit, welche die Luft ſowohl, als auch andere Koͤrper durchdringe, und daß die Waͤrmematerie als dieſer Schallſtoff anzuſehen ſey! 193. Dieſe der freyen Luft mitgetheilten Longitudinalſchwingungen ſind von den eigenthuͤmlichen Longitudinalſchwingungen der in einer Pfeife eingeſchloſſenen Luft nicht weſentlich verſchieden, es iſt alſo die Theorie, welche hier vorgetragen wird, gewiſſermaßen eine Fortſetzung von dem, was im 4ten Abſchnitte des vorigen Theils iſt geſagt worden. Es erhellt dieſe Uebereinkunft unter andern ſchon daraus, weil weder die Geſchwindigkeit noch die uͤbrige Beſchaffenheit des Klanges in einer Pfeife (die Staͤrke ausgenommen) von der Weite derſelben abhaͤngt; wenn alſo eine unbeſtimmte Erweiterung der Seitenwaͤnde hierin nichts veraͤndert, ſo koͤnnen auch die Seitenwaͤnde ganz hinweggenommen werden, ſo daß die uͤbrige freye Luft von allen Seiten den Zutritt hat, ohne daß dadurch eine weſentliche Veraͤnderung bewuͤrkt wird, es ſchwingt alſo eine Strecke von eingeſchloſſener und von freyer Luͤft in einerley Geſchwindigkeit, ſo daß durch eine Strecke von freyer Luft der Schall in ebenderſelben Zeit verbreitet wird, in welcher eine eben ſo lange Strecke von Luft, welche ſich in einer Pfeife zwiſchen zwey feſten Graͤnzen befindet, (oder bey dem tiefſten Tone einer an beyden Enden offenen Pfeife, §. 73. eine Luftſtrecke von ebenderſelben Laͤnge, die ſich in 2 dergleichen Halb- theile eintheilt, Fig. 14.), eine Schwingung macht. Was bey der in einer Pfeife enthaltenen Luft die Schwingungsknoten ſind, das ſind bey dieſen der freyen Luft mitgetheilten Schwingungen die Stellen, wo die Verdichtung der Luft am groͤßten iſt; nur ſind beyde darin verſchieden, daß bey den eigenthuͤmlichen Schwingungen der in einer Roͤhre eingeſchloſſenen Luftſaͤule, wegen der Stemmungen eines ſchwingenden Theils gegen den andern, oder gegen ein verſchloſſenes Ende die Schwingungsknoten immer an einer Stelle bleiben, dahingegen in der freyen Luft die Stellen, wo die Verdichtungen am groͤßten ſind, immer weiter von dem Koͤrper, welcher den Schall hervorbringt, ſich entfernen.

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/250>, abgerufen am 24.11.2024.