Sowohl auf einigen mit meinem Euphon angestellten Reisen, als auch mitunter bey einem Aufenthalte in Wittenberg bemühte ich mich immerfort, manche neue akustische Unter- suchungen anzustellen und bekannt zu machen, die mitunter ziemlich mühsam waren, wie denn z. B. volle drey Monate erfordert wurden, um die in meiner Schrift über die Longitudinal- schwingungen, welche nur zwey Bogen beträgt, enthaltenen Beobachtungen anzustellen und in Ordnung zu bringen.
Ein Hauptbestreben von mir war, ein Tastaturinstrument zu erfinden, auf welchem man jeden Ton nach Belieben fortdauern und durch mehr oder weniger Druck anwachsen oder abnehmen lassen könnte. Das Clavier (oder Clavichord), das Pianoforte, der Flügel, oder überhaupt alle Jnstrumente, wo der Klang nicht durch Reibung, sondern durch Anschlagen hervorgebracht wird, haben diese Eigenschaft schlechterdings nicht, so daß man Bindungen, syncopirte Noten, und lange Aushaltungen, wo die Töne nach dem ersten Angeben an Stärke zunehmen oder mit gleicher Stärke fortdauern sollen, gar nicht gehörig darauf vortragen kann, sie gehören also (wie Horstig in der musikalischen Zeitung 1799. n. 24. richtig bemerkt) nicht unter die Singinstrumente, sondern unter die Klanginstrumente (oder vielleicht noch passender: Klinginstrumente). Auf der Orgel kann man die Töne zwar fortdauren, aber nicht jeden nach Belieben anwachsen oder abnehmen lassen. Jch wollte also ein Tastaturinstrument hervor- bringen, wo man die Fortdauer und das Anwachsen oder Abnehmen eines jeden Tones eben- sowohl, wie bey allen Geigen- und Blasinstrumenten (wo man aber, wenn nicht mehrere beysammen sind, keine volle Harmonie haben kann) in seiner Gewalt hätte. Ein Bogenflügel hat zwar diese Eigenschaft, ich wollte aber keinen bauen, weil dieses schon von Andern ge- schehen war, und weil es unmöglich ist, ein solches Jnstrument so klein und compendiös ein- zurichten, daß ich es auf Reisen in meinem Wagen bequem hätte mitnehmen können, und ich übrigens auch verlangte, daß es sollte unverstimmbar, und möglichst einfach seyn, und in der Folge können allgemeiner verbreitet werden. Auf einer Seereise von Reval nach Flensburg im Jahre 1794. kürzte ich mir die durch widrige Winde entstehende Langeweile dadurch ab, daß ich über die Sache weiter nachdachte, und Jdeen zu mechanischen Einrichtungen dieser Art in meine Schreibtafel zeichnete. Als ich nach Wittenberg zurückgekehrt war, stellte ich Versuche darüber an, die mir zwar einige Belehrungen gaben; die Sache war aber noch nicht reif zur Ausführung. Endlich entdeckte ich im May 1799. noch einiges, was hierzu nöthig war, und brachte im Januar 1800. ein Jnstrument zu Stande, welches bey einem angeneh-
Sowohl auf einigen mit meinem Euphon angeſtellten Reiſen, als auch mitunter bey einem Aufenthalte in Wittenberg bemuͤhte ich mich immerfort, manche neue akuſtiſche Unter- ſuchungen anzuſtellen und bekannt zu machen, die mitunter ziemlich muͤhſam waren, wie denn z. B. volle drey Monate erfordert wurden, um die in meiner Schrift uͤber die Longitudinal- ſchwingungen, welche nur zwey Bogen betraͤgt, enthaltenen Beobachtungen anzuſtellen und in Ordnung zu bringen.
Ein Hauptbeſtreben von mir war, ein Taſtaturinſtrument zu erfinden, auf welchem man jeden Ton nach Belieben fortdauern und durch mehr oder weniger Druck anwachſen oder abnehmen laſſen koͤnnte. Das Clavier (oder Clavichord), das Pianoforte, der Fluͤgel, oder uͤberhaupt alle Jnſtrumente, wo der Klang nicht durch Reibung, ſondern durch Anſchlagen hervorgebracht wird, haben dieſe Eigenſchaft ſchlechterdings nicht, ſo daß man Bindungen, ſyncopirte Noten, und lange Aushaltungen, wo die Toͤne nach dem erſten Angeben an Staͤrke zunehmen oder mit gleicher Staͤrke fortdauern ſollen, gar nicht gehoͤrig darauf vortragen kann, ſie gehoͤren alſo (wie Horſtig in der muſikaliſchen Zeitung 1799. n. 24. richtig bemerkt) nicht unter die Singinſtrumente, ſondern unter die Klanginſtrumente (oder vielleicht noch paſſender: Klinginſtrumente). Auf der Orgel kann man die Toͤne zwar fortdauren, aber nicht jeden nach Belieben anwachſen oder abnehmen laſſen. Jch wollte alſo ein Taſtaturinſtrument hervor- bringen, wo man die Fortdauer und das Anwachſen oder Abnehmen eines jeden Tones eben- ſowohl, wie bey allen Geigen- und Blasinſtrumenten (wo man aber, wenn nicht mehrere beyſammen ſind, keine volle Harmonie haben kann) in ſeiner Gewalt haͤtte. Ein Bogenfluͤgel hat zwar dieſe Eigenſchaft, ich wollte aber keinen bauen, weil dieſes ſchon von Andern ge- ſchehen war, und weil es unmoͤglich iſt, ein ſolches Jnſtrument ſo klein und compendioͤs ein- zurichten, daß ich es auf Reiſen in meinem Wagen bequem haͤtte mitnehmen koͤnnen, und ich uͤbrigens auch verlangte, daß es ſollte unverſtimmbar, und moͤglichſt einfach ſeyn, und in der Folge koͤnnen allgemeiner verbreitet werden. Auf einer Seereiſe von Reval nach Flensburg im Jahre 1794. kuͤrzte ich mir die durch widrige Winde entſtehende Langeweile dadurch ab, daß ich uͤber die Sache weiter nachdachte, und Jdeen zu mechaniſchen Einrichtungen dieſer Art in meine Schreibtafel zeichnete. Als ich nach Wittenberg zuruͤckgekehrt war, ſtellte ich Verſuche daruͤber an, die mir zwar einige Belehrungen gaben; die Sache war aber noch nicht reif zur Ausfuͤhrung. Endlich entdeckte ich im May 1799. noch einiges, was hierzu noͤthig war, und brachte im Januar 1800. ein Jnſtrument zu Stande, welches bey einem angeneh-
<TEI><text><front><divn="1"><pbfacs="#f0022"n="XX"/><p>Sowohl auf einigen mit meinem Euphon angeſtellten Reiſen, als auch mitunter bey<lb/>
einem Aufenthalte in Wittenberg bemuͤhte ich mich immerfort, manche neue akuſtiſche Unter-<lb/>ſuchungen anzuſtellen und bekannt zu machen, die mitunter ziemlich muͤhſam waren, wie denn<lb/>
z. B. volle drey Monate erfordert wurden, um die in meiner Schrift uͤber die Longitudinal-<lb/>ſchwingungen, welche nur zwey Bogen betraͤgt, enthaltenen Beobachtungen anzuſtellen und<lb/>
in Ordnung zu bringen.</p><lb/><p>Ein Hauptbeſtreben von mir war, ein Taſtaturinſtrument zu erfinden, auf welchem<lb/>
man jeden Ton nach Belieben fortdauern und durch mehr oder weniger Druck anwachſen oder<lb/>
abnehmen laſſen koͤnnte. Das Clavier (oder Clavichord), das Pianoforte, der Fluͤgel, oder<lb/>
uͤberhaupt alle Jnſtrumente, wo der Klang nicht durch Reibung, ſondern durch Anſchlagen<lb/>
hervorgebracht wird, haben dieſe Eigenſchaft ſchlechterdings nicht, ſo daß man Bindungen,<lb/>ſyncopirte Noten, und lange Aushaltungen, wo die Toͤne nach dem erſten Angeben an Staͤrke<lb/>
zunehmen oder mit gleicher Staͤrke fortdauern ſollen, gar nicht gehoͤrig darauf vortragen kann,<lb/>ſie gehoͤren alſo (wie Horſtig in der muſikaliſchen Zeitung 1799. <hirendition="#aq">n.</hi> 24. richtig bemerkt) nicht<lb/>
unter die Singinſtrumente, ſondern unter die Klanginſtrumente (oder vielleicht noch paſſender:<lb/>
Klinginſtrumente). Auf der Orgel kann man die Toͤne zwar fortdauren, aber nicht jeden nach<lb/>
Belieben anwachſen oder abnehmen laſſen. Jch wollte alſo ein Taſtaturinſtrument hervor-<lb/>
bringen, wo man die Fortdauer und das Anwachſen oder Abnehmen eines jeden Tones eben-<lb/>ſowohl, wie bey allen Geigen- und Blasinſtrumenten (wo man aber, wenn nicht mehrere<lb/>
beyſammen ſind, keine volle Harmonie haben kann) in ſeiner Gewalt haͤtte. Ein Bogenfluͤgel<lb/>
hat zwar dieſe Eigenſchaft, ich wollte aber keinen bauen, weil dieſes ſchon von Andern ge-<lb/>ſchehen war, und weil es unmoͤglich iſt, ein ſolches Jnſtrument ſo klein und compendioͤs ein-<lb/>
zurichten, daß ich es auf Reiſen in meinem Wagen bequem haͤtte mitnehmen koͤnnen, und ich<lb/>
uͤbrigens auch verlangte, daß es ſollte unverſtimmbar, und moͤglichſt einfach ſeyn, und in der<lb/>
Folge koͤnnen allgemeiner verbreitet werden. Auf einer Seereiſe von Reval nach Flensburg<lb/>
im Jahre 1794. kuͤrzte ich mir die durch widrige Winde entſtehende Langeweile dadurch ab,<lb/>
daß ich uͤber die Sache weiter nachdachte, und Jdeen zu mechaniſchen Einrichtungen dieſer<lb/>
Art in meine Schreibtafel zeichnete. Als ich nach Wittenberg zuruͤckgekehrt war, ſtellte ich<lb/>
Verſuche daruͤber an, die mir zwar einige Belehrungen gaben; die Sache war aber noch nicht<lb/>
reif zur Ausfuͤhrung. Endlich entdeckte ich im May 1799. noch einiges, was hierzu noͤthig<lb/>
war, und brachte im Januar 1800. ein Jnſtrument zu Stande, welches bey einem angeneh-<lb/></p></div></front></text></TEI>
[XX/0022]
Sowohl auf einigen mit meinem Euphon angeſtellten Reiſen, als auch mitunter bey
einem Aufenthalte in Wittenberg bemuͤhte ich mich immerfort, manche neue akuſtiſche Unter-
ſuchungen anzuſtellen und bekannt zu machen, die mitunter ziemlich muͤhſam waren, wie denn
z. B. volle drey Monate erfordert wurden, um die in meiner Schrift uͤber die Longitudinal-
ſchwingungen, welche nur zwey Bogen betraͤgt, enthaltenen Beobachtungen anzuſtellen und
in Ordnung zu bringen.
Ein Hauptbeſtreben von mir war, ein Taſtaturinſtrument zu erfinden, auf welchem
man jeden Ton nach Belieben fortdauern und durch mehr oder weniger Druck anwachſen oder
abnehmen laſſen koͤnnte. Das Clavier (oder Clavichord), das Pianoforte, der Fluͤgel, oder
uͤberhaupt alle Jnſtrumente, wo der Klang nicht durch Reibung, ſondern durch Anſchlagen
hervorgebracht wird, haben dieſe Eigenſchaft ſchlechterdings nicht, ſo daß man Bindungen,
ſyncopirte Noten, und lange Aushaltungen, wo die Toͤne nach dem erſten Angeben an Staͤrke
zunehmen oder mit gleicher Staͤrke fortdauern ſollen, gar nicht gehoͤrig darauf vortragen kann,
ſie gehoͤren alſo (wie Horſtig in der muſikaliſchen Zeitung 1799. n. 24. richtig bemerkt) nicht
unter die Singinſtrumente, ſondern unter die Klanginſtrumente (oder vielleicht noch paſſender:
Klinginſtrumente). Auf der Orgel kann man die Toͤne zwar fortdauren, aber nicht jeden nach
Belieben anwachſen oder abnehmen laſſen. Jch wollte alſo ein Taſtaturinſtrument hervor-
bringen, wo man die Fortdauer und das Anwachſen oder Abnehmen eines jeden Tones eben-
ſowohl, wie bey allen Geigen- und Blasinſtrumenten (wo man aber, wenn nicht mehrere
beyſammen ſind, keine volle Harmonie haben kann) in ſeiner Gewalt haͤtte. Ein Bogenfluͤgel
hat zwar dieſe Eigenſchaft, ich wollte aber keinen bauen, weil dieſes ſchon von Andern ge-
ſchehen war, und weil es unmoͤglich iſt, ein ſolches Jnſtrument ſo klein und compendioͤs ein-
zurichten, daß ich es auf Reiſen in meinem Wagen bequem haͤtte mitnehmen koͤnnen, und ich
uͤbrigens auch verlangte, daß es ſollte unverſtimmbar, und moͤglichſt einfach ſeyn, und in der
Folge koͤnnen allgemeiner verbreitet werden. Auf einer Seereiſe von Reval nach Flensburg
im Jahre 1794. kuͤrzte ich mir die durch widrige Winde entſtehende Langeweile dadurch ab,
daß ich uͤber die Sache weiter nachdachte, und Jdeen zu mechaniſchen Einrichtungen dieſer
Art in meine Schreibtafel zeichnete. Als ich nach Wittenberg zuruͤckgekehrt war, ſtellte ich
Verſuche daruͤber an, die mir zwar einige Belehrungen gaben; die Sache war aber noch nicht
reif zur Ausfuͤhrung. Endlich entdeckte ich im May 1799. noch einiges, was hierzu noͤthig
war, und brachte im Januar 1800. ein Jnſtrument zu Stande, welches bey einem angeneh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/22>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.