Finger berühren könne. Dünnere Scheiben sind besser zu gebrauchen, als dickere, weil auf den dünnern sich mehrere Schwingungsarten mit Leichtigkeit hervorbringen lassen. Geschliffe- nes Spiegelglas habe ich nicht besser, als gewöhnliches Fensterscheibenglas gefunden, weil an geschliffenem Glase zwar jede Oberfläche eben ist, aber selten beyde Oberflächen genau mit einander parallel sind. Die Schärfen des Randes müssen mit einer Feile oder auf andere Art abgestumpft werden, damit die Haare des Bogens nicht zerschnitten oder abgerieben werden. Die Größe der Scheiben ist willkührlich, wer noch wenig Uebung in dergleichen Versuchen und etwas kurze Finger hat, wird sich kleinerer Scheiben bedienen müssen; die kleinsten kön- nen etwa 3 Zoll im Durchmesser seyn, die größten, deren ich mich bedient habe, waren etwas über eine Dreßdner Elle im Durchmesser. Kleinere Scheiben sind zu den einfachern Schwin- gungsarten besser zu gebrauchen, an größern aber kann man bey gehöriger Uebung die Her- vorbringung der verwickeltern Schwingungsarten weiter treiben. Die Stellen, wo man bey einer jeden Schwingungsart halten und streichen muß, werden sich am besten durch ein rich- tiges Augenmaß bestimmen lassen; eine genaue Abmessung der Scheibe wird nicht leicht von Nutzen seyn, weil eine Scheibe doch selten an allen Stellen eine so gleichförmige Dicke und Elasticität haben möchte, daß eine solche Abmessung ganz genau zutreffen sollte. Hat man die Stelle, wo gehalten werden muß, nicht genau genug getroffen, so wird man, wenn die Klangfigur etwas unvollkommen erscheint, durch eine kleine Verrückung der Figur leicht etwas nachhelfen können. Wenn man etwa zufällig eine Figur erhalten hat, die man für interessant hält, und gern ein andersmahl wieder erhalten möchte, so ist es rathsam, die Stellen, wo man gehalten und gestrichen hat, auf irgend eine Art zu bezeichnen. Die Haltung der Scheibe geschieht am besten mit dem Daumen und dem zweyten Finger, und zwar, so viel als möglich, nur mit den äußersten Spitzen dieser Finger, weil die festen Linien sehr schmahl sind, und also bey einer Haltung mit mehrerer Fläche der Finger die Schwingungen der benachbarten Theile zu sehr würden gehindert werden. Die Scheibe darf auch nicht etwa an die innere Fläche der Hand austoßen. Wenn die gehaltene Stelle eine bey mehreren Schwingungsarten unbeweg- liche Stelle ist, wird es nöthig seyn, zu Verhütung einer Beymischung anderer Schwingungs- arten außer der gehaltenen Stelle noch eine andere Stelle, die nur bey der verlangten Schwin- gungsart, nicht aber bey den andern in Ruhe bleiben kann, unterwärts mit einem Finger zu berühren. Wessen Finger nicht recht geschickt zu gehöriger Haltung der Scheibe sind, der kann auch alleufalls die Scheibe auf ein Stückchen Kork, oder zusammengedrehtes Papier, oder auf eine andere dergleichen nicht allzuharte Unterlage legen, und mit einem Finger schwach
Finger beruͤhren koͤnne. Duͤnnere Scheiben ſind beſſer zu gebrauchen, als dickere, weil auf den duͤnnern ſich mehrere Schwingungsarten mit Leichtigkeit hervorbringen laſſen. Geſchliffe- nes Spiegelglas habe ich nicht beſſer, als gewoͤhnliches Fenſterſcheibenglas gefunden, weil an geſchliffenem Glaſe zwar jede Oberflaͤche eben iſt, aber ſelten beyde Oberflaͤchen genau mit einander parallel ſind. Die Schaͤrfen des Randes muͤſſen mit einer Feile oder auf andere Art abgeſtumpft werden, damit die Haare des Bogens nicht zerſchnitten oder abgerieben werden. Die Groͤße der Scheiben iſt willkuͤhrlich, wer noch wenig Uebung in dergleichen Verſuchen und etwas kurze Finger hat, wird ſich kleinerer Scheiben bedienen muͤſſen; die kleinſten koͤn- nen etwa 3 Zoll im Durchmeſſer ſeyn, die groͤßten, deren ich mich bedient habe, waren etwas uͤber eine Dreßdner Elle im Durchmeſſer. Kleinere Scheiben ſind zu den einfachern Schwin- gungsarten beſſer zu gebrauchen, an groͤßern aber kann man bey gehoͤriger Uebung die Her- vorbringung der verwickeltern Schwingungsarten weiter treiben. Die Stellen, wo man bey einer jeden Schwingungsart halten und ſtreichen muß, werden ſich am beſten durch ein rich- tiges Augenmaß beſtimmen laſſen; eine genaue Abmeſſung der Scheibe wird nicht leicht von Nutzen ſeyn, weil eine Scheibe doch ſelten an allen Stellen eine ſo gleichfoͤrmige Dicke und Elaſticitaͤt haben moͤchte, daß eine ſolche Abmeſſung ganz genau zutreffen ſollte. Hat man die Stelle, wo gehalten werden muß, nicht genau genug getroffen, ſo wird man, wenn die Klangfigur etwas unvollkommen erſcheint, durch eine kleine Verruͤckung der Figur leicht etwas nachhelfen koͤnnen. Wenn man etwa zufaͤllig eine Figur erhalten hat, die man fuͤr intereſſant haͤlt, und gern ein andersmahl wieder erhalten moͤchte, ſo iſt es rathſam, die Stellen, wo man gehalten und geſtrichen hat, auf irgend eine Art zu bezeichnen. Die Haltung der Scheibe geſchieht am beſten mit dem Daumen und dem zweyten Finger, und zwar, ſo viel als moͤglich, nur mit den aͤußerſten Spitzen dieſer Finger, weil die feſten Linien ſehr ſchmahl ſind, und alſo bey einer Haltung mit mehrerer Flaͤche der Finger die Schwingungen der benachbarten Theile zu ſehr wuͤrden gehindert werden. Die Scheibe darf auch nicht etwa an die innere Flaͤche der Hand auſtoßen. Wenn die gehaltene Stelle eine bey mehreren Schwingungsarten unbeweg- liche Stelle iſt, wird es noͤthig ſeyn, zu Verhuͤtung einer Beymiſchung anderer Schwingungs- arten außer der gehaltenen Stelle noch eine andere Stelle, die nur bey der verlangten Schwin- gungsart, nicht aber bey den andern in Ruhe bleiben kann, unterwaͤrts mit einem Finger zu beruͤhren. Weſſen Finger nicht recht geſchickt zu gehoͤriger Haltung der Scheibe ſind, der kann auch alleufalls die Scheibe auf ein Stuͤckchen Kork, oder zuſammengedrehtes Papier, oder auf eine andere dergleichen nicht allzuharte Unterlage legen, und mit einem Finger ſchwach
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Finger beruͤhren koͤnne. Duͤnnere Scheiben ſind beſſer zu gebrauchen, als dickere, weil auf
den duͤnnern ſich mehrere Schwingungsarten mit Leichtigkeit hervorbringen laſſen. Geſchliffe-
nes Spiegelglas habe ich nicht beſſer, als gewoͤhnliches Fenſterſcheibenglas gefunden, weil an
geſchliffenem Glaſe zwar jede Oberflaͤche eben iſt, aber ſelten beyde Oberflaͤchen genau mit
einander parallel ſind. Die Schaͤrfen des Randes muͤſſen mit einer Feile oder auf andere Art
abgeſtumpft werden, damit die Haare des Bogens nicht zerſchnitten oder abgerieben werden.
Die Groͤße der Scheiben iſt willkuͤhrlich, wer noch wenig Uebung in dergleichen Verſuchen
und etwas kurze Finger hat, wird ſich kleinerer Scheiben bedienen muͤſſen; die kleinſten koͤn-
nen etwa 3 Zoll im Durchmeſſer ſeyn, die groͤßten, deren ich mich bedient habe, waren etwas
uͤber eine Dreßdner Elle im Durchmeſſer. Kleinere Scheiben ſind zu den einfachern Schwin-
gungsarten beſſer zu gebrauchen, an groͤßern aber kann man bey gehoͤriger Uebung die Her-
vorbringung der verwickeltern Schwingungsarten weiter treiben. Die Stellen, wo man bey
einer jeden Schwingungsart halten und ſtreichen muß, werden ſich am beſten durch ein rich-
tiges Augenmaß beſtimmen laſſen; eine genaue Abmeſſung der Scheibe wird nicht leicht von
Nutzen ſeyn, weil eine Scheibe doch ſelten an allen Stellen eine ſo gleichfoͤrmige Dicke und
Elaſticitaͤt haben moͤchte, daß eine ſolche Abmeſſung ganz genau zutreffen ſollte. Hat man
die Stelle, wo gehalten werden muß, nicht genau genug getroffen, ſo wird man, wenn die
Klangfigur etwas unvollkommen erſcheint, durch eine kleine Verruͤckung der Figur leicht etwas
nachhelfen koͤnnen. Wenn man etwa zufaͤllig eine Figur erhalten hat, die man fuͤr intereſſant
haͤlt, und gern ein andersmahl wieder erhalten moͤchte, ſo iſt es rathſam, die Stellen, wo
man gehalten und geſtrichen hat, auf irgend eine Art zu bezeichnen. Die Haltung der Scheibe
geſchieht am beſten mit dem Daumen und dem zweyten Finger, und zwar, ſo viel als moͤglich,
nur mit den aͤußerſten Spitzen dieſer Finger, weil die feſten Linien ſehr ſchmahl ſind, und alſo
bey einer Haltung mit mehrerer Flaͤche der Finger die Schwingungen der benachbarten Theile
zu ſehr wuͤrden gehindert werden. Die Scheibe darf auch nicht etwa an die innere Flaͤche der
Hand auſtoßen. Wenn die gehaltene Stelle eine bey mehreren Schwingungsarten unbeweg-
liche Stelle iſt, wird es noͤthig ſeyn, zu Verhuͤtung einer Beymiſchung anderer Schwingungs-
arten außer der gehaltenen Stelle noch eine andere Stelle, die nur bey der verlangten Schwin-
gungsart, nicht aber bey den andern in Ruhe bleiben kann, unterwaͤrts mit einem Finger zu
beruͤhren. Weſſen Finger nicht recht geſchickt zu gehoͤriger Haltung der Scheibe ſind, der
kann auch alleufalls die Scheibe auf ein Stuͤckchen Kork, oder zuſammengedrehtes Papier,
oder auf eine andere dergleichen nicht allzuharte Unterlage legen, und mit einem Finger ſchwach
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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/153>, abgerufen am 12.12.2024.
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