merkung zu §. 103.) nicht jeder Ton nach Belieben hervorbringen, sondern viel- mehr jede Figur, d. i. jede mögliche Eintheilungsart der Scheibe in gleichzeitig schwingende Theile, steht gegen die andern Figuren in gewissen (meistens mit den Quadraten gewisser Zahlen übereinkommenden, oder auch irrationalen) Tonverhältnissen, die unter sich immer dieselben bleiben, der Ton einer Figur, dessen Höhe oder Tiefe von der Dicke und Größe der Scheibe abhängt, sey welcher man wolle. Auch kann öfters bey ganz verschiedenen Figuren oder Schwingungsarten einerley Ton Statt finden, wovon besonders an rectangel- förmigen und elliptischen Scheiben mehrere Beyspiele sind gegeben worden.
Da einige in den Anmerkungen zu §. 109. und 206. erwähnte Wider- sprüche gegen akustische Bemerkungen von mir blos durch Mißverständnisse sind veranlaßt worden, wo der Andere nicht von ebenderselben Sache redete, und also jeder von uns in seiner Art Recht hatte, so ersuche ich einen jeden, der etwas anders, als ich, gefunden zu haben glaubt, erst genau zu untersuchen, ob es ganz ebendieselbe Sache betrift, von der ich geredet habe, z. B. bey Un- tersuchung gewisser Schwingungsarten und der ihnen zukommenden Tonver- hältnisse, ob es ebendieselben Schwingungsarten, die ich gemeynt habe, oder ob es andere sind, und bey Untersuchung gewisser Eigenschaften eines klingen- den oder den Schall fortleitenden Körpers, ob das, was er gefunden hat, auf ebendieselben, oder ob es auf andere Eigenschaften Beziehung hat, ob auch sonst ebendieselben Umstände Statt finden, die ich vorausgesetzt habe. Jch erinnere dieses nicht etwa deshalb, als ob ich nie wollte geirrt haben, (welches mehreremahl geschehen ist, wo ich es auch hernach eingestanden und berichtigt habe), sondern vielmehr aus der Ursache, weil die auf nur scheinbare Wider- sprüche und deren Berichtigung zu verwendende Zeit und Bemühung von bey- den Seiten weit vortheilhafter auf würkliche Fortschritte in der Wissenschaft angewendet werden kann.
Geschrieben zu Wittenberg in Sachsen im Febr. 1802.
merkung zu §. 103.) nicht jeder Ton nach Belieben hervorbringen, ſondern viel- mehr jede Figur, d. i. jede moͤgliche Eintheilungsart der Scheibe in gleichzeitig ſchwingende Theile, ſteht gegen die andern Figuren in gewiſſen (meiſtens mit den Quadraten gewiſſer Zahlen uͤbereinkommenden, oder auch irrationalen) Tonverhaͤltniſſen, die unter ſich immer dieſelben bleiben, der Ton einer Figur, deſſen Hoͤhe oder Tiefe von der Dicke und Groͤße der Scheibe abhaͤngt, ſey welcher man wolle. Auch kann oͤfters bey ganz verſchiedenen Figuren oder Schwingungsarten einerley Ton Statt finden, wovon beſonders an rectangel- foͤrmigen und elliptiſchen Scheiben mehrere Beyſpiele ſind gegeben worden.
Da einige in den Anmerkungen zu §. 109. und 206. erwaͤhnte Wider- ſpruͤche gegen akuſtiſche Bemerkungen von mir blos durch Mißverſtaͤndniſſe ſind veranlaßt worden, wo der Andere nicht von ebenderſelben Sache redete, und alſo jeder von uns in ſeiner Art Recht hatte, ſo erſuche ich einen jeden, der etwas anders, als ich, gefunden zu haben glaubt, erſt genau zu unterſuchen, ob es ganz ebendieſelbe Sache betrift, von der ich geredet habe, z. B. bey Un- terſuchung gewiſſer Schwingungsarten und der ihnen zukommenden Tonver- haͤltniſſe, ob es ebendieſelben Schwingungsarten, die ich gemeynt habe, oder ob es andere ſind, und bey Unterſuchung gewiſſer Eigenſchaften eines klingen- den oder den Schall fortleitenden Koͤrpers, ob das, was er gefunden hat, auf ebendieſelben, oder ob es auf andere Eigenſchaften Beziehung hat, ob auch ſonſt ebendieſelben Umſtaͤnde Statt finden, die ich vorausgeſetzt habe. Jch erinnere dieſes nicht etwa deshalb, als ob ich nie wollte geirrt haben, (welches mehreremahl geſchehen iſt, wo ich es auch hernach eingeſtanden und berichtigt habe), ſondern vielmehr aus der Urſache, weil die auf nur ſcheinbare Wider- ſpruͤche und deren Berichtigung zu verwendende Zeit und Bemuͤhung von bey- den Seiten weit vortheilhafter auf wuͤrkliche Fortſchritte in der Wiſſenſchaft angewendet werden kann.
Geſchrieben zu Wittenberg in Sachſen im Febr. 1802.
<TEI><text><front><divtype="preface"><p><pbfacs="#f0014"n="XII"/>
merkung zu §. 103.) nicht jeder Ton nach Belieben hervorbringen, ſondern viel-<lb/>
mehr jede Figur, d. i. jede moͤgliche Eintheilungsart der Scheibe in gleichzeitig<lb/>ſchwingende Theile, ſteht gegen die andern Figuren in gewiſſen (meiſtens mit<lb/>
den Quadraten gewiſſer Zahlen uͤbereinkommenden, oder auch irrationalen)<lb/>
Tonverhaͤltniſſen, die unter ſich immer dieſelben bleiben, der Ton einer Figur,<lb/>
deſſen Hoͤhe oder Tiefe von der Dicke und Groͤße der Scheibe abhaͤngt, ſey<lb/>
welcher man wolle. Auch kann oͤfters bey ganz verſchiedenen Figuren oder<lb/>
Schwingungsarten einerley Ton Statt finden, wovon beſonders an rectangel-<lb/>
foͤrmigen und elliptiſchen Scheiben mehrere Beyſpiele ſind gegeben worden.</p><lb/><p>Da einige in den Anmerkungen zu §. 109. und 206. erwaͤhnte Wider-<lb/>ſpruͤche gegen akuſtiſche Bemerkungen von mir blos durch Mißverſtaͤndniſſe ſind<lb/>
veranlaßt worden, wo der Andere nicht von ebenderſelben Sache redete, und<lb/>
alſo jeder von uns in ſeiner Art Recht hatte, ſo erſuche ich einen jeden, der<lb/>
etwas anders, als ich, gefunden zu haben glaubt, erſt genau zu unterſuchen,<lb/>
ob es ganz ebendieſelbe Sache betrift, von der ich geredet habe, z. B. bey Un-<lb/>
terſuchung gewiſſer Schwingungsarten und der ihnen zukommenden Tonver-<lb/>
haͤltniſſe, ob es ebendieſelben Schwingungsarten, die ich gemeynt habe, oder<lb/>
ob es andere ſind, und bey Unterſuchung gewiſſer Eigenſchaften eines klingen-<lb/>
den oder den Schall fortleitenden Koͤrpers, ob das, was er gefunden hat, auf<lb/>
ebendieſelben, oder ob es auf andere Eigenſchaften Beziehung hat, ob auch<lb/>ſonſt ebendieſelben Umſtaͤnde Statt finden, die ich vorausgeſetzt habe. Jch<lb/>
erinnere dieſes nicht etwa deshalb, als ob ich nie wollte geirrt haben, (welches<lb/>
mehreremahl geſchehen iſt, wo ich es auch hernach eingeſtanden und berichtigt<lb/>
habe), ſondern vielmehr aus der Urſache, weil die auf nur ſcheinbare Wider-<lb/>ſpruͤche und deren Berichtigung zu verwendende Zeit und Bemuͤhung von bey-<lb/>
den Seiten weit vortheilhafter auf wuͤrkliche Fortſchritte in der Wiſſenſchaft<lb/>
angewendet werden kann.</p><lb/><dateline>Geſchrieben zu Wittenberg in Sachſen im Febr. 1802.</dateline></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></front></text></TEI>
[XII/0014]
merkung zu §. 103.) nicht jeder Ton nach Belieben hervorbringen, ſondern viel-
mehr jede Figur, d. i. jede moͤgliche Eintheilungsart der Scheibe in gleichzeitig
ſchwingende Theile, ſteht gegen die andern Figuren in gewiſſen (meiſtens mit
den Quadraten gewiſſer Zahlen uͤbereinkommenden, oder auch irrationalen)
Tonverhaͤltniſſen, die unter ſich immer dieſelben bleiben, der Ton einer Figur,
deſſen Hoͤhe oder Tiefe von der Dicke und Groͤße der Scheibe abhaͤngt, ſey
welcher man wolle. Auch kann oͤfters bey ganz verſchiedenen Figuren oder
Schwingungsarten einerley Ton Statt finden, wovon beſonders an rectangel-
foͤrmigen und elliptiſchen Scheiben mehrere Beyſpiele ſind gegeben worden.
Da einige in den Anmerkungen zu §. 109. und 206. erwaͤhnte Wider-
ſpruͤche gegen akuſtiſche Bemerkungen von mir blos durch Mißverſtaͤndniſſe ſind
veranlaßt worden, wo der Andere nicht von ebenderſelben Sache redete, und
alſo jeder von uns in ſeiner Art Recht hatte, ſo erſuche ich einen jeden, der
etwas anders, als ich, gefunden zu haben glaubt, erſt genau zu unterſuchen,
ob es ganz ebendieſelbe Sache betrift, von der ich geredet habe, z. B. bey Un-
terſuchung gewiſſer Schwingungsarten und der ihnen zukommenden Tonver-
haͤltniſſe, ob es ebendieſelben Schwingungsarten, die ich gemeynt habe, oder
ob es andere ſind, und bey Unterſuchung gewiſſer Eigenſchaften eines klingen-
den oder den Schall fortleitenden Koͤrpers, ob das, was er gefunden hat, auf
ebendieſelben, oder ob es auf andere Eigenſchaften Beziehung hat, ob auch
ſonſt ebendieſelben Umſtaͤnde Statt finden, die ich vorausgeſetzt habe. Jch
erinnere dieſes nicht etwa deshalb, als ob ich nie wollte geirrt haben, (welches
mehreremahl geſchehen iſt, wo ich es auch hernach eingeſtanden und berichtigt
habe), ſondern vielmehr aus der Urſache, weil die auf nur ſcheinbare Wider-
ſpruͤche und deren Berichtigung zu verwendende Zeit und Bemuͤhung von bey-
den Seiten weit vortheilhafter auf wuͤrkliche Fortſchritte in der Wiſſenſchaft
angewendet werden kann.
Geſchrieben zu Wittenberg in Sachſen im Febr. 1802.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/14>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.