Jn den Pfeifen solcher Orgelregister, die man Rohrwerke, in einigen Gegenden auch Schnarrwerke nennt, hängt der Ton vorzüglich von der Art des Anblasens ab. Das Mundstück ist bey diesen Pfeifen so beschaffen, daß die eine Seite der engen Oeffnung, durch welche die eingeblasene Lust strömt, aus einem Streifen von Messingblech besteht, welcher die Zunge genennt, und durch die eindringende Luft auch in zitternde Be- wegung gesetzt wird. Diese Zunge wird vermittelst eines mit einem Stiele versehenen mes- singenen Reifen, welchen man die Krücke nennt, an die andere Seite des Mundstücks an- gedrückt; wenn man eine solche Pfeife stimmen will, wird diese Krücke etwas aufwärts oder niederwärts geschoben, wodurch der zitternde Theil des Messingstreifens verlängert oder ver- kürzt und zugleich auch die Oeffnung, durch welche die Luft einströmt, erweitert oder verengert wird. Derjenige Theil der Pfeife, in welchem sich die mitklingende Luftmasse befindet, ist gewöhnlich weit kürzer, als an andern Orgelpfeifen, es wird nähmlich durch die Kraft des Anblasens, verbunden mit den Schwingungen der Zunge die in dem übrigen Theile der Pfeife enthaltene Luftmasse genöthigt, in ganz andern Zeiträumen zu zittern, als sie ihrer eigenthüm- lichen Beschaffenheit nach zittern würde, daher auch der Klang gewöhnlich etwas rauh und schnarrend ist, weshalb auch solche Register meistens für sich allein keine gute Würkung thun, desto besser aber wegen ihrer beträchtlichern Stärke bey Zuziehung anderer sanftern Register zu Verstärkung des Klanges dienen. Uebrigens wird zwar bey tiefern Tönen der Theil der Pfeife, worin sich die mitzitternde Luftmasse befindet, größer gemacht, als bey höhern Tönen, es ist aber nicht erforderlich, daß es in eben denselben Verhältnissen geschehe, wie bey andern Pfeifen.
71.
Jn Flöten, Hoboen, Clarinetten, Fagots, Hörnern, Trompeten, u. s. w. wie auch in solchen Orgelpfeifen, die man Flötenwerke nennt, hängen die Tone hauptsächlich von der Länge der schwingenden Luftsäule ab, so daß durch eine Verschiedenheit des Blasens sich keine andern Töne hervorbringen lassen, als solche, die mit der Länge der schwingenden Luftsäule, oder mit den Längen der Theile, in welche sie sich auf eine regelmäßige Art eintheilt, in umgekehrtem Verhältnige stehen. Jn Orgelpfeifen, wie auch in einigen andern Arten der Blasinstrumente, geschieht das A[n]blasen vermittelst eines Mundsticks, welches bey den meisten so beschaffen ist, daß die durch eine enge [Ritz]e [eindrin]gende Luft
70.
Jn den Pfeifen ſolcher Orgelregiſter, die man Rohrwerke, in einigen Gegenden auch Schnarrwerke nennt, haͤngt der Ton vorzuͤglich von der Art des Anblaſens ab. Das Mundſtuͤck iſt bey dieſen Pfeifen ſo beſchaffen, daß die eine Seite der engen Oeffnung, durch welche die eingeblaſene Luſt ſtroͤmt, aus einem Streifen von Meſſingblech beſteht, welcher die Zunge genennt, und durch die eindringende Luft auch in zitternde Be- wegung geſetzt wird. Dieſe Zunge wird vermittelſt eines mit einem Stiele verſehenen meſ- ſingenen Reifen, welchen man die Kruͤcke nennt, an die andere Seite des Mundſtuͤcks an- gedruͤckt; wenn man eine ſolche Pfeife ſtimmen will, wird dieſe Kruͤcke etwas aufwaͤrts oder niederwaͤrts geſchoben, wodurch der zitternde Theil des Meſſingſtreifens verlaͤngert oder ver- kuͤrzt und zugleich auch die Oeffnung, durch welche die Luft einſtroͤmt, erweitert oder verengert wird. Derjenige Theil der Pfeife, in welchem ſich die mitklingende Luftmaſſe befindet, iſt gewoͤhnlich weit kuͤrzer, als an andern Orgelpfeifen, es wird naͤhmlich durch die Kraft des Anblaſens, verbunden mit den Schwingungen der Zunge die in dem uͤbrigen Theile der Pfeife enthaltene Luftmaſſe genoͤthigt, in ganz andern Zeitraͤumen zu zittern, als ſie ihrer eigenthuͤm- lichen Beſchaffenheit nach zittern wuͤrde, daher auch der Klang gewoͤhnlich etwas rauh und ſchnarrend iſt, weshalb auch ſolche Regiſter meiſtens fuͤr ſich allein keine gute Wuͤrkung thun, deſto beſſer aber wegen ihrer betraͤchtlichern Staͤrke bey Zuziehung anderer ſanftern Regiſter zu Verſtaͤrkung des Klanges dienen. Uebrigens wird zwar bey tiefern Toͤnen der Theil der Pfeife, worin ſich die mitzitternde Luftmaſſe befindet, groͤßer gemacht, als bey hoͤhern Toͤnen, es iſt aber nicht erforderlich, daß es in eben denſelben Verhaͤltniſſen geſchehe, wie bey andern Pfeifen.
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Jn Floͤten, Hoboen, Clarinetten, Fagots, Hoͤrnern, Trompeten, u. ſ. w. wie auch in ſolchen Orgelpfeifen, die man Floͤtenwerke nennt, haͤngen die Tone hauptſaͤchlich von der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule ab, ſo daß durch eine Verſchiedenheit des Blaſens ſich keine andern Toͤne hervorbringen laſſen, als ſolche, die mit der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule, oder mit den Laͤngen der Theile, in welche ſie ſich auf eine regelmaͤßige Art eintheilt, in umgekehrtem Verhaͤltnige ſtehen. Jn Orgelpfeifen, wie auch in einigen andern Arten der Blasinſtrumente, geſchieht das A[n]blaſen vermittelſt eines Mundſticks, welches bey den meiſten ſo beſchaffen iſt, daß die durch eine enge [Ritz]e [eindrin]gende Luft
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70.
Jn den Pfeifen ſolcher Orgelregiſter, die man Rohrwerke, in einigen Gegenden
auch Schnarrwerke nennt, haͤngt der Ton vorzuͤglich von der Art des Anblaſens
ab. Das Mundſtuͤck iſt bey dieſen Pfeifen ſo beſchaffen, daß die eine Seite der engen
Oeffnung, durch welche die eingeblaſene Luſt ſtroͤmt, aus einem Streifen von Meſſingblech
beſteht, welcher die Zunge genennt, und durch die eindringende Luft auch in zitternde Be-
wegung geſetzt wird. Dieſe Zunge wird vermittelſt eines mit einem Stiele verſehenen meſ-
ſingenen Reifen, welchen man die Kruͤcke nennt, an die andere Seite des Mundſtuͤcks an-
gedruͤckt; wenn man eine ſolche Pfeife ſtimmen will, wird dieſe Kruͤcke etwas aufwaͤrts oder
niederwaͤrts geſchoben, wodurch der zitternde Theil des Meſſingſtreifens verlaͤngert oder ver-
kuͤrzt und zugleich auch die Oeffnung, durch welche die Luft einſtroͤmt, erweitert oder verengert
wird. Derjenige Theil der Pfeife, in welchem ſich die mitklingende Luftmaſſe befindet, iſt
gewoͤhnlich weit kuͤrzer, als an andern Orgelpfeifen, es wird naͤhmlich durch die Kraft des
Anblaſens, verbunden mit den Schwingungen der Zunge die in dem uͤbrigen Theile der Pfeife
enthaltene Luftmaſſe genoͤthigt, in ganz andern Zeitraͤumen zu zittern, als ſie ihrer eigenthuͤm-
lichen Beſchaffenheit nach zittern wuͤrde, daher auch der Klang gewoͤhnlich etwas rauh und
ſchnarrend iſt, weshalb auch ſolche Regiſter meiſtens fuͤr ſich allein keine gute Wuͤrkung thun,
deſto beſſer aber wegen ihrer betraͤchtlichern Staͤrke bey Zuziehung anderer ſanftern Regiſter
zu Verſtaͤrkung des Klanges dienen. Uebrigens wird zwar bey tiefern Toͤnen der Theil der
Pfeife, worin ſich die mitzitternde Luftmaſſe befindet, groͤßer gemacht, als bey hoͤhern Toͤnen,
es iſt aber nicht erforderlich, daß es in eben denſelben Verhaͤltniſſen geſchehe, wie bey
andern Pfeifen.
71.
Jn Floͤten, Hoboen, Clarinetten, Fagots, Hoͤrnern, Trompeten,
u. ſ. w. wie auch in ſolchen Orgelpfeifen, die man Floͤtenwerke nennt, haͤngen die Tone
hauptſaͤchlich von der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule ab, ſo daß durch eine Verſchiedenheit
des Blaſens ſich keine andern Toͤne hervorbringen laſſen, als ſolche, die mit der Laͤnge der
ſchwingenden Luftſaͤule, oder mit den Laͤngen der Theile, in welche ſie ſich auf eine regelmaͤßige
Art eintheilt, in umgekehrtem Verhaͤltnige ſtehen. Jn Orgelpfeifen, wie auch in einigen
andern Arten der Blasinſtrumente, geſchieht das Anblaſen vermittelſt eines Mundſticks,
welches bey den meiſten ſo beſchaffen iſt, daß die durch eine enge Ritze eindringende Luft
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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/118>, abgerufen am 18.07.2024.
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