Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sah mich um, und -- Entsetzen! -- der Mann im grauen Rock saß neben mir, mit satanischem Lächeln auf mich blickend. -- Er hatte mir seine Tarnkappe mit über den Kopf gezogen, zu seinen Füßen lagen sein und mein Schatten friedlich neben einander; er spielte nachlässig mit dem bekannten Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der Forstmeister mit den Papieren beschäftigt im Schatten der Laube auf- und abging -- beugte er sich vertraulich zu meinem Ohr und flüsterte mir die Worte:

So hätten Sie denn doch meine Einladung angenommen, und da säßen wir einmal zwei Köpfe unter Einer Kappe! -- Schon recht! schon recht! Nun geben Sie mir aber auch mein Vogelnest zurück, Sie brauchen es nicht mehr und sind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vorenthalten zu wollen -- doch keinen Dank dafür, ich versichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen habe. -- Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand, steckte es in die Tasche und lachte mich abermals aus, und zwar so laut, daß sich der Forstmeister nach dem Geräusch umsah. -- Ich saß wie versteinert da.

Sie müssen mir doch gestehen, fuhr er fort, daß so eine Kappe viel bequemer ist. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann, sondern auch seinen Schatten mit, und noch so viele andere, als er mit zu nehmen Lust hat. Sehen Sie, heute führ' ich wieder ihrer zwei. -- Er lachte wieder. Merken Sie sich's, Schlemihl, was man anfangs mit Gutem nicht will, das muß man

sah mich um, und — Entsetzen! — der Mann im grauen Rock saß neben mir, mit satanischem Lächeln auf mich blickend. — Er hatte mir seine Tarnkappe mit über den Kopf gezogen, zu seinen Füßen lagen sein und mein Schatten friedlich neben einander; er spielte nachlässig mit dem bekannten Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der Forstmeister mit den Papieren beschäftigt im Schatten der Laube auf- und abging — beugte er sich vertraulich zu meinem Ohr und flüsterte mir die Worte:

So hätten Sie denn doch meine Einladung angenommen, und da säßen wir einmal zwei Köpfe unter Einer Kappe! — Schon recht! schon recht! Nun geben Sie mir aber auch mein Vogelnest zurück, Sie brauchen es nicht mehr und sind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vorenthalten zu wollen — doch keinen Dank dafür, ich versichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen habe. — Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand, steckte es in die Tasche und lachte mich abermals aus, und zwar so laut, daß sich der Forstmeister nach dem Geräusch umsah. — Ich saß wie versteinert da.

Sie müssen mir doch gestehen, fuhr er fort, daß so eine Kappe viel bequemer ist. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann, sondern auch seinen Schatten mit, und noch so viele andere, als er mit zu nehmen Lust hat. Sehen Sie, heute führ' ich wieder ihrer zwei. — Er lachte wieder. Merken Sie sich's, Schlemihl, was man anfangs mit Gutem nicht will, das muß man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="6">
        <p><pb facs="#f0065"/>
sah mich                um, und &#x2014; Entsetzen! &#x2014; der Mann im grauen Rock saß neben mir, mit satanischem Lächeln                auf mich blickend. &#x2014; Er hatte mir seine Tarnkappe mit über den Kopf gezogen, zu                seinen Füßen lagen sein und mein Schatten friedlich neben einander; er spielte                nachlässig mit dem bekannten Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der                Forstmeister mit den Papieren beschäftigt im Schatten der Laube auf- und abging &#x2014;                beugte er sich vertraulich zu meinem Ohr und flüsterte mir die Worte:</p><lb/>
        <p>So hätten Sie denn doch meine Einladung angenommen, und da säßen wir einmal zwei                Köpfe unter Einer Kappe! &#x2014; Schon recht! schon recht! Nun geben Sie mir aber auch mein                Vogelnest zurück, Sie brauchen es nicht mehr und sind ein zu ehrlicher Mann, um es                mir vorenthalten zu wollen &#x2014; doch keinen Dank dafür, ich versichere Sie, daß ich es                Ihnen von Herzen gern geliehen habe. &#x2014; Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand,                steckte es in die Tasche und lachte mich abermals aus, und zwar so laut, daß sich der                Forstmeister nach dem Geräusch umsah. &#x2014; Ich saß wie versteinert da.</p><lb/>
        <p>Sie müssen mir doch gestehen, fuhr er fort, daß so eine Kappe viel bequemer ist. Sie                deckt doch nicht nur ihren Mann, sondern auch seinen Schatten mit, und noch so viele                andere, als er mit zu nehmen Lust hat. Sehen Sie, heute führ' ich wieder ihrer zwei.                &#x2014; Er lachte wieder. Merken Sie sich's, Schlemihl, was man anfangs mit Gutem nicht                will, das muß man<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] sah mich um, und — Entsetzen! — der Mann im grauen Rock saß neben mir, mit satanischem Lächeln auf mich blickend. — Er hatte mir seine Tarnkappe mit über den Kopf gezogen, zu seinen Füßen lagen sein und mein Schatten friedlich neben einander; er spielte nachlässig mit dem bekannten Pergament, das er in der Hand hielt, und, indem der Forstmeister mit den Papieren beschäftigt im Schatten der Laube auf- und abging — beugte er sich vertraulich zu meinem Ohr und flüsterte mir die Worte: So hätten Sie denn doch meine Einladung angenommen, und da säßen wir einmal zwei Köpfe unter Einer Kappe! — Schon recht! schon recht! Nun geben Sie mir aber auch mein Vogelnest zurück, Sie brauchen es nicht mehr und sind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vorenthalten zu wollen — doch keinen Dank dafür, ich versichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen habe. — Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand, steckte es in die Tasche und lachte mich abermals aus, und zwar so laut, daß sich der Forstmeister nach dem Geräusch umsah. — Ich saß wie versteinert da. Sie müssen mir doch gestehen, fuhr er fort, daß so eine Kappe viel bequemer ist. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann, sondern auch seinen Schatten mit, und noch so viele andere, als er mit zu nehmen Lust hat. Sehen Sie, heute führ' ich wieder ihrer zwei. — Er lachte wieder. Merken Sie sich's, Schlemihl, was man anfangs mit Gutem nicht will, das muß man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/65
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/65>, abgerufen am 22.11.2024.