Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016."Aus einem alten Hause entsprossen" -- sagt Adelbert von Chamisso (eigentlich Charles Louis Adelaide de Chamisso de Boncourt) von sich selbst -- "war ich auf dem Schlosse Boncourt in der Champagne geboren." (27. Januar 1781.) "Die Auswanderung des französischen Adels entführte mich schon im Jahre 1790 dem Mutterboden. Nach manchen Irrfahrten durch die Niederlande, Holland, Deutschland, und nach manchem erduldeten Elend wurde meine Familie zuletzt nach Preußen verschlagen. Ich war im Jahre 1796 Edelknabe der Königin, Gemahlin Friedrich Wilhelms II., und trat 1798 unter Friedrich Wilhelm III. in Kriegsdienst bei einem Infanterieregiment der Besatzung Berlin's Die mildere Herrschaft des Consuls gewährte zu Anfang des Jahrhunderts meiner Familie die Heimkehr nach Frankreich, ich aber blieb zurück. So stand ich in den Jahren, wo der Knabe zum Manne heranreift, allein, durchaus ohne Erziehung; ich hatte nie eine Schule ernstlich besucht. Ich machte Verse, erst französische, später deutsche. Ich schrieb im Jahre 1803 einen Faust, den ich aus dankbarer Erinnerung in meine Gedichte mit aufgenommen habe. Dieser fast knabenhafte metaphysische Versuch brachte mich fast zufällig einem andern Jünglinge nahe, der sich gleich mir im Dichten versuchte, K. A. Varnhagen von Ense." (S. dessen anziehende Schilderung in seinen Denkwürdigkeiten 1,283--85.) "Wir verbrüderten uns, und so entstand unreiferweise der Musenalmanach auf das Jahr 1804. Diese Unbesonnenheit, welche ich nicht bereuen kann, ward zu einem segensreichen „Aus einem alten Hause entsprossen“ — sagt Adelbert von Chamisso (eigentlich Charles Louis Adelaide de Chamisso de Boncourt) von sich selbst — „war ich auf dem Schlosse Boncourt in der Champagne geboren.“ (27. Januar 1781.) „Die Auswanderung des französischen Adels entführte mich schon im Jahre 1790 dem Mutterboden. Nach manchen Irrfahrten durch die Niederlande, Holland, Deutschland, und nach manchem erduldeten Elend wurde meine Familie zuletzt nach Preußen verschlagen. Ich war im Jahre 1796 Edelknabe der Königin, Gemahlin Friedrich Wilhelms II., und trat 1798 unter Friedrich Wilhelm III. in Kriegsdienst bei einem Infanterieregiment der Besatzung Berlin's Die mildere Herrschaft des Consuls gewährte zu Anfang des Jahrhunderts meiner Familie die Heimkehr nach Frankreich, ich aber blieb zurück. So stand ich in den Jahren, wo der Knabe zum Manne heranreift, allein, durchaus ohne Erziehung; ich hatte nie eine Schule ernstlich besucht. Ich machte Verse, erst französische, später deutsche. Ich schrieb im Jahre 1803 einen Faust, den ich aus dankbarer Erinnerung in meine Gedichte mit aufgenommen habe. Dieser fast knabenhafte metaphysische Versuch brachte mich fast zufällig einem andern Jünglinge nahe, der sich gleich mir im Dichten versuchte, K. A. Varnhagen von Ense.“ (S. dessen anziehende Schilderung in seinen Denkwürdigkeiten 1,283—85.) „Wir verbrüderten uns, und so entstand unreiferweise der Musenalmanach auf das Jahr 1804. Diese Unbesonnenheit, welche ich nicht bereuen kann, ward zu einem segensreichen <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0005"/> <div type="preface"> <p>„Aus einem alten Hause entsprossen“ — sagt Adelbert von Chamisso (eigentlich Charles Louis Adelaide de Chamisso de Boncourt) von sich selbst — „war ich auf dem Schlosse Boncourt in der Champagne geboren.“ (27. Januar 1781.) „Die Auswanderung des französischen Adels entführte mich schon im Jahre 1790 dem Mutterboden. Nach manchen Irrfahrten durch die Niederlande, Holland, Deutschland, und nach manchem erduldeten Elend wurde meine Familie zuletzt nach Preußen verschlagen. Ich war im Jahre 1796 Edelknabe der Königin, Gemahlin Friedrich Wilhelms II., und trat 1798 unter Friedrich Wilhelm III. in Kriegsdienst bei einem Infanterieregiment der Besatzung Berlin's Die mildere Herrschaft des Consuls gewährte zu Anfang des Jahrhunderts meiner Familie die Heimkehr nach Frankreich, ich aber blieb zurück. So stand ich in den Jahren, wo der Knabe zum Manne heranreift, allein, durchaus ohne Erziehung; ich hatte nie eine Schule ernstlich besucht. Ich machte Verse, erst französische, später deutsche. Ich schrieb im Jahre 1803 einen Faust, den ich aus dankbarer Erinnerung in meine Gedichte mit aufgenommen habe. Dieser fast knabenhafte metaphysische Versuch brachte mich fast zufällig einem andern Jünglinge nahe, der sich gleich mir im Dichten versuchte, K. A. Varnhagen von Ense.“ (S. dessen anziehende Schilderung in seinen Denkwürdigkeiten 1,283—85.) „Wir verbrüderten uns, und so entstand unreiferweise der Musenalmanach auf das Jahr 1804. Diese Unbesonnenheit, welche ich nicht bereuen kann, ward zu einem segensreichen<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0005]
„Aus einem alten Hause entsprossen“ — sagt Adelbert von Chamisso (eigentlich Charles Louis Adelaide de Chamisso de Boncourt) von sich selbst — „war ich auf dem Schlosse Boncourt in der Champagne geboren.“ (27. Januar 1781.) „Die Auswanderung des französischen Adels entführte mich schon im Jahre 1790 dem Mutterboden. Nach manchen Irrfahrten durch die Niederlande, Holland, Deutschland, und nach manchem erduldeten Elend wurde meine Familie zuletzt nach Preußen verschlagen. Ich war im Jahre 1796 Edelknabe der Königin, Gemahlin Friedrich Wilhelms II., und trat 1798 unter Friedrich Wilhelm III. in Kriegsdienst bei einem Infanterieregiment der Besatzung Berlin's Die mildere Herrschaft des Consuls gewährte zu Anfang des Jahrhunderts meiner Familie die Heimkehr nach Frankreich, ich aber blieb zurück. So stand ich in den Jahren, wo der Knabe zum Manne heranreift, allein, durchaus ohne Erziehung; ich hatte nie eine Schule ernstlich besucht. Ich machte Verse, erst französische, später deutsche. Ich schrieb im Jahre 1803 einen Faust, den ich aus dankbarer Erinnerung in meine Gedichte mit aufgenommen habe. Dieser fast knabenhafte metaphysische Versuch brachte mich fast zufällig einem andern Jünglinge nahe, der sich gleich mir im Dichten versuchte, K. A. Varnhagen von Ense.“ (S. dessen anziehende Schilderung in seinen Denkwürdigkeiten 1,283—85.) „Wir verbrüderten uns, und so entstand unreiferweise der Musenalmanach auf das Jahr 1804. Diese Unbesonnenheit, welche ich nicht bereuen kann, ward zu einem segensreichen
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/5>, abgerufen am 16.07.2024. |