Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.seither tröstend durch das Elend des Lebens begleitete und mir mein düstres Loos ertragen half. Ich brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern mit herrenlosen Knechten, Schustern, Schneidern und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein und kaufte besonders sehr viele Kostbarkeiten und Edelsteine, um nur Etwas des vielen aufgespeicherten Goldes los zu werden; es schien aber gar nicht, als könne der Haufen sich vermindern. Ich schwebte indeß über meinen Zustand in den ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thür und ließ Abends vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrittes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. -- Die Nächte waren zu der Zeit mondhell. Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte mir den Hut tief in die Augen und schlich, zitternd wie ein Verbrecher, aus dem Hause. Erst auf einem entlegenen Platz trat ich aus dem Schatten der Häuser, in deren Schutz ich so weit gekommen war, an das Mondeslicht hervor, gefaßt, mein Schicksal aus dem Munde der Vorübergehenden zu vernehmen. Erspare mir, Lieber Freund, die schmerzliche Wiederholung alles dessen, was ich erdulden mußte. Die Frauen bezeugten oft das tiefste Mitleid, das ich ihnen seither tröstend durch das Elend des Lebens begleitete und mir mein düstres Loos ertragen half. Ich brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern mit herrenlosen Knechten, Schustern, Schneidern und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein und kaufte besonders sehr viele Kostbarkeiten und Edelsteine, um nur Etwas des vielen aufgespeicherten Goldes los zu werden; es schien aber gar nicht, als könne der Haufen sich vermindern. Ich schwebte indeß über meinen Zustand in den ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thür und ließ Abends vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrittes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. — Die Nächte waren zu der Zeit mondhell. Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte mir den Hut tief in die Augen und schlich, zitternd wie ein Verbrecher, aus dem Hause. Erst auf einem entlegenen Platz trat ich aus dem Schatten der Häuser, in deren Schutz ich so weit gekommen war, an das Mondeslicht hervor, gefaßt, mein Schicksal aus dem Munde der Vorübergehenden zu vernehmen. Erspare mir, Lieber Freund, die schmerzliche Wiederholung alles dessen, was ich erdulden mußte. Die Frauen bezeugten oft das tiefste Mitleid, das ich ihnen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0025"/> seither tröstend durch das Elend des Lebens begleitete und mir mein düstres Loos ertragen half.</p><lb/> <p>Ich brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern mit herrenlosen Knechten, Schustern, Schneidern und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein und kaufte besonders sehr viele Kostbarkeiten und Edelsteine, um nur Etwas des vielen aufgespeicherten Goldes los zu werden; es schien aber gar nicht, als könne der Haufen sich vermindern.</p><lb/> <p>Ich schwebte indeß über meinen Zustand in den ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thür und ließ Abends vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrittes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. — Die Nächte waren zu der Zeit mondhell. Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte mir den Hut tief in die Augen und schlich, zitternd wie ein Verbrecher, aus dem Hause. Erst auf einem entlegenen Platz trat ich aus dem Schatten der Häuser, in deren Schutz ich so weit gekommen war, an das Mondeslicht hervor, gefaßt, mein Schicksal aus dem Munde der Vorübergehenden zu vernehmen.</p><lb/> <p>Erspare mir, Lieber Freund, die schmerzliche Wiederholung alles dessen, was ich erdulden mußte. Die Frauen bezeugten oft das tiefste Mitleid, das ich ihnen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
seither tröstend durch das Elend des Lebens begleitete und mir mein düstres Loos ertragen half.
Ich brachte den ganzen Tag auf meinen Zimmern mit herrenlosen Knechten, Schustern, Schneidern und Kaufleuten zu, ich richtete mich ein und kaufte besonders sehr viele Kostbarkeiten und Edelsteine, um nur Etwas des vielen aufgespeicherten Goldes los zu werden; es schien aber gar nicht, als könne der Haufen sich vermindern.
Ich schwebte indeß über meinen Zustand in den ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thür und ließ Abends vierzig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, bevor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich gedachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrittes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. — Die Nächte waren zu der Zeit mondhell. Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte mir den Hut tief in die Augen und schlich, zitternd wie ein Verbrecher, aus dem Hause. Erst auf einem entlegenen Platz trat ich aus dem Schatten der Häuser, in deren Schutz ich so weit gekommen war, an das Mondeslicht hervor, gefaßt, mein Schicksal aus dem Munde der Vorübergehenden zu vernehmen.
Erspare mir, Lieber Freund, die schmerzliche Wiederholung alles dessen, was ich erdulden mußte. Die Frauen bezeugten oft das tiefste Mitleid, das ich ihnen
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/25>, abgerufen am 16.02.2025. |