Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung. II. Ich kam endlich wieder zu Sinnen und eilte, diesen Ort zu verlassen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte. Ich füllte erst meine Taschen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre des Beutels um den Hals fest und verbarg ihn selbst auf meiner Brust. Ich kam unbeachtet aus dem Park, erreichte die Landstraße und nahm meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Gedanken dem Thore zu ging, hörte ich hinter mir schreien: Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch! -- Ich sah mich um, ein altes Weib rief mir nach: Sehe sich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren. -- Danke, Mütterchen! ich warf ihr ein Goldstück für den wohlgemeinten Rath hin und trat unter die Bäume. Am Thore mußt' ich gleich wieder von der Schildwache hören: Wo hat der Herr seinen Schatten gelassen? und gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: Jesus Maria! der arme Mensch hat keinen Schatten! Das fing an, mich zu verdrießen, und ich vermied sehr nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung. II. Ich kam endlich wieder zu Sinnen und eilte, diesen Ort zu verlassen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte. Ich füllte erst meine Taschen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre des Beutels um den Hals fest und verbarg ihn selbst auf meiner Brust. Ich kam unbeachtet aus dem Park, erreichte die Landstraße und nahm meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Gedanken dem Thore zu ging, hörte ich hinter mir schreien: Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch! — Ich sah mich um, ein altes Weib rief mir nach: Sehe sich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren. — Danke, Mütterchen! ich warf ihr ein Goldstück für den wohlgemeinten Rath hin und trat unter die Bäume. Am Thore mußt' ich gleich wieder von der Schildwache hören: Wo hat der Herr seinen Schatten gelassen? und gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: Jesus Maria! der arme Mensch hat keinen Schatten! Das fing an, mich zu verdrießen, und ich vermied sehr <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0021"/> nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>II.</head> <p>Ich kam endlich wieder zu Sinnen und eilte, diesen Ort zu verlassen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte. Ich füllte erst meine Taschen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre des Beutels um den Hals fest und verbarg ihn selbst auf meiner Brust. Ich kam unbeachtet aus dem Park, erreichte die Landstraße und nahm meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Gedanken dem Thore zu ging, hörte ich hinter mir schreien: Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch! — Ich sah mich um, ein altes Weib rief mir nach: Sehe sich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren. — Danke, Mütterchen! ich warf ihr ein Goldstück für den wohlgemeinten Rath hin und trat unter die Bäume.</p><lb/> <p>Am Thore mußt' ich gleich wieder von der Schildwache hören: Wo hat der Herr seinen Schatten gelassen? und gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: Jesus Maria! der arme Mensch hat keinen Schatten! Das fing an, mich zu verdrießen, und ich vermied sehr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest, rund um mich her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung.
II. Ich kam endlich wieder zu Sinnen und eilte, diesen Ort zu verlassen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte. Ich füllte erst meine Taschen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre des Beutels um den Hals fest und verbarg ihn selbst auf meiner Brust. Ich kam unbeachtet aus dem Park, erreichte die Landstraße und nahm meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Gedanken dem Thore zu ging, hörte ich hinter mir schreien: Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch! — Ich sah mich um, ein altes Weib rief mir nach: Sehe sich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren. — Danke, Mütterchen! ich warf ihr ein Goldstück für den wohlgemeinten Rath hin und trat unter die Bäume.
Am Thore mußt' ich gleich wieder von der Schildwache hören: Wo hat der Herr seinen Schatten gelassen? und gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: Jesus Maria! der arme Mensch hat keinen Schatten! Das fing an, mich zu verdrießen, und ich vermied sehr
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T13:49:40Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T13:49:40Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |