Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

einmal Ihren Schatten sehen zu lassen, -- die
Sonne scheint eben so schön auf dem Hofe. --"

Ich war wie vom Donner gerührt. Es
dauerte lange, bis ich die Sprache wieder fand. --
"Wie kann ein Knecht gegen seinen Herrn - - ?"
Er fiel mir ganz ruhig in die Rede: "Ein Knecht
kann ein sehr ehrlicher Mann seyn und einem
Schattenlosen nicht dienen wollen, ich fordre mei¬
ne Entlassung." Ich mußte andre Saiten auf¬
ziehen. "Aber Rascal, lieber Rascal, wer
hat Dich auf die unglückliche Idee gebracht, wie
kannst Du denken - - - -?" er fuhr im selben

Tone fort: "Es wollen Leute behaupten, Sie
hätten keinen Schatten -- und kurz, Sie zeigen
mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Ent¬
lassung."

Bendel, bleich und zitternd, aber besonne¬
ner als ich, machte mir ein Zeichen, ich nahm zu
dem Alles beschwichtigenden Golde meine Zuflucht, --
auch das hatte seine Macht verloren -- er warf's
mir vor die Füße; "von einem Schattenlosen
nehme ich nichts an." Er kehrte mir den Rücken
und ging, den Hut auf dem Kopf, ein Liedchen pfei¬

einmal Ihren Schatten ſehen zu laſſen, — die
Sonne ſcheint eben ſo ſchoͤn auf dem Hofe. —„

Ich war wie vom Donner geruͤhrt. Es
dauerte lange, bis ich die Sprache wieder fand. —
“Wie kann ein Knecht gegen ſeinen Herrn – – ?„
Er fiel mir ganz ruhig in die Rede: “Ein Knecht
kann ein ſehr ehrlicher Mann ſeyn und einem
Schattenloſen nicht dienen wollen, ich fordre mei¬
ne Entlaſſung.„ Ich mußte andre Saiten auf¬
ziehen. “Aber Rascal, lieber Rascal, wer
hat Dich auf die ungluͤckliche Idee gebracht, wie
kannſt Du denken – – – –?„ er fuhr im ſelben

Tone fort: “Es wollen Leute behaupten, Sie
haͤtten keinen Schatten — und kurz, Sie zeigen
mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Ent¬
laſſung.„

Bendel, bleich und zitternd, aber beſonne¬
ner als ich, machte mir ein Zeichen, ich nahm zu
dem Alles beſchwichtigenden Golde meine Zuflucht, —
auch das hatte ſeine Macht verloren — er warf's
mir vor die Fuͤße; “von einem Schattenloſen
nehme ich nichts an.„ Er kehrte mir den Ruͤcken
und ging, den Hut auf dem Kopf, ein Liedchen pfei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="57"/>
einmal Ihren Schatten &#x017F;ehen zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; die<lb/>
Sonne &#x017F;cheint eben &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n auf dem Hofe. &#x2014;&#x201E;</p><lb/>
        <p>Ich war wie vom Donner geru&#x0364;hrt. Es<lb/>
dauerte lange, bis ich die Sprache wieder fand. &#x2014;<lb/>
&#x201C;Wie kann ein Knecht gegen &#x017F;einen Herrn &#x2013; &#x2013; ?&#x201E;<lb/>
Er fiel mir ganz ruhig in die Rede: &#x201C;Ein Knecht<lb/>
kann ein &#x017F;ehr ehrlicher Mann &#x017F;eyn und einem<lb/>
Schattenlo&#x017F;en nicht dienen wollen, ich fordre mei¬<lb/>
ne Entla&#x017F;&#x017F;ung.&#x201E; Ich mußte andre Saiten auf¬<lb/>
ziehen. &#x201C;Aber <hi rendition="#g">Rascal</hi>, lieber <hi rendition="#g">Rascal</hi>, wer<lb/>
hat Dich auf die unglu&#x0364;ckliche Idee gebracht, wie<lb/>
kann&#x017F;t Du denken &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013;?&#x201E; er fuhr im &#x017F;elben</p><lb/>
        <p>Tone fort: &#x201C;Es wollen Leute behaupten, Sie<lb/>
ha&#x0364;tten keinen Schatten &#x2014; und kurz, Sie zeigen<lb/>
mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Ent¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung.&#x201E;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Bendel</hi>, bleich und zitternd, aber be&#x017F;onne¬<lb/>
ner als ich, machte mir ein Zeichen, ich nahm zu<lb/>
dem Alles be&#x017F;chwichtigenden Golde meine Zuflucht, &#x2014;<lb/>
auch das hatte &#x017F;eine Macht verloren &#x2014; er warf's<lb/>
mir vor die Fu&#x0364;ße; &#x201C;von einem Schattenlo&#x017F;en<lb/>
nehme ich nichts an.&#x201E; Er kehrte mir den Ru&#x0364;cken<lb/>
und ging, den Hut auf dem Kopf, ein Liedchen pfei¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0077] einmal Ihren Schatten ſehen zu laſſen, — die Sonne ſcheint eben ſo ſchoͤn auf dem Hofe. —„ Ich war wie vom Donner geruͤhrt. Es dauerte lange, bis ich die Sprache wieder fand. — “Wie kann ein Knecht gegen ſeinen Herrn – – ?„ Er fiel mir ganz ruhig in die Rede: “Ein Knecht kann ein ſehr ehrlicher Mann ſeyn und einem Schattenloſen nicht dienen wollen, ich fordre mei¬ ne Entlaſſung.„ Ich mußte andre Saiten auf¬ ziehen. “Aber Rascal, lieber Rascal, wer hat Dich auf die ungluͤckliche Idee gebracht, wie kannſt Du denken – – – –?„ er fuhr im ſelben Tone fort: “Es wollen Leute behaupten, Sie haͤtten keinen Schatten — und kurz, Sie zeigen mir Ihren Schatten, oder geben mir meine Ent¬ laſſung.„ Bendel, bleich und zitternd, aber beſonne¬ ner als ich, machte mir ein Zeichen, ich nahm zu dem Alles beſchwichtigenden Golde meine Zuflucht, — auch das hatte ſeine Macht verloren — er warf's mir vor die Fuͤße; “von einem Schattenloſen nehme ich nichts an.„ Er kehrte mir den Ruͤcken und ging, den Hut auf dem Kopf, ein Liedchen pfei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/77
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/77>, abgerufen am 22.12.2024.