der gesunde Menschenverstand des Alten gab sol¬ chen überspannten Vorstellungen nicht Raum. Bei¬ de waren überzeugt von der Reinheit meiner Lie¬ be -- sie konnten nichts thun, als für ihr Kind beten.
Es fällt mir ein Brief in die Hand, den ich noch aus dieser Zeit von Mina habe. -- Ja, das sind ihre Züge, ich will Dir ihn abschreiben.
"Bin ein schwaches, thörichtes Mädchen, könnte mir einbilden, daß mein Geliebter, weil ich ihn innig, innig liebe, dem armen Mädchen nicht weh thun möchte. -- Ach, Du bist so gut, so unaussprechlich gut; aber mißbrauche mich nicht. Du sollst mir nichts opfern, mir nichts opfern wol¬ len; o Gott! ich könnte mich hassen, wenn Du das thätest. Nein -- Du hast mich unendlich glücklich gemacht, Du hast mich Dich lieben ge¬ lehrt. Zeuch hin! -- Weiß doch mein Schicksal, Graf Peter gehört nicht mir, gehört der Welt an. Will stolz seyn, wenn ich höre: das ist er gewesen, und das war er wieder, und das hat er vollbracht; da haben sie ihn angebetet, und da haben sie ihn vergöttert. Siehe, wenn ich das
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der geſunde Menſchenverſtand des Alten gab ſol¬ chen uͤberſpannten Vorſtellungen nicht Raum. Bei¬ de waren uͤberzeugt von der Reinheit meiner Lie¬ be — ſie konnten nichts thun, als fuͤr ihr Kind beten.
Es faͤllt mir ein Brief in die Hand, den ich noch aus dieſer Zeit von Mina habe. — Ja, das ſind ihre Zuͤge, ich will Dir ihn abſchreiben.
“Bin ein ſchwaches, thoͤrichtes Maͤdchen, koͤnnte mir einbilden, daß mein Geliebter, weil ich ihn innig, innig liebe, dem armen Maͤdchen nicht weh thun moͤchte. — Ach, Du biſt ſo gut, ſo unausſprechlich gut; aber mißbrauche mich nicht. Du ſollſt mir nichts opfern, mir nichts opfern wol¬ len; o Gott! ich koͤnnte mich haſſen, wenn Du das thaͤteſt. Nein — Du haſt mich unendlich gluͤcklich gemacht, Du haſt mich Dich lieben ge¬ lehrt. Zeuch hin! — Weiß doch mein Schickſal, Graf Peter gehoͤrt nicht mir, gehoͤrt der Welt an. Will ſtolz ſeyn, wenn ich hoͤre: das iſt er geweſen, und das war er wieder, und das hat er vollbracht; da haben ſie ihn angebetet, und da haben ſie ihn vergoͤttert. Siehe, wenn ich das
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der geſunde Menſchenverſtand des Alten gab ſol¬
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de waren uͤberzeugt von der Reinheit meiner Lie¬
be — ſie konnten nichts thun, als fuͤr ihr Kind
beten.
Es faͤllt mir ein Brief in die Hand, den ich
noch aus dieſer Zeit von Mina habe. — Ja, das
ſind ihre Zuͤge, ich will Dir ihn abſchreiben.
“Bin ein ſchwaches, thoͤrichtes Maͤdchen,
koͤnnte mir einbilden, daß mein Geliebter, weil
ich ihn innig, innig liebe, dem armen Maͤdchen
nicht weh thun moͤchte. — Ach, Du biſt ſo gut,
ſo unausſprechlich gut; aber mißbrauche mich nicht.
Du ſollſt mir nichts opfern, mir nichts opfern wol¬
len; o Gott! ich koͤnnte mich haſſen, wenn Du
das thaͤteſt. Nein — Du haſt mich unendlich
gluͤcklich gemacht, Du haſt mich Dich lieben ge¬
lehrt. Zeuch hin! — Weiß doch mein Schickſal,
Graf Peter gehoͤrt nicht mir, gehoͤrt der Welt
an. Will ſtolz ſeyn, wenn ich hoͤre: das iſt er
geweſen, und das war er wieder, und das hat er
vollbracht; da haben ſie ihn angebetet, und da
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/69>, abgerufen am 16.02.2025.
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