Da ich an einem schönen Abend nach mei¬ ner Gewohnheit eine Gesellschaft in einem erleuch¬ teten Garten versammelt hatte, wandelte ich mit der Herrin Arm in Arm, in einiger Entfernung von den übrigen Gästen, und bemühte mich, ihr Redesarten vorzudrechseln. Sie sah sittig vor sich nieder, und erwiederte leise den Druck meiner Hand; da trat unversehens hinter uns der Mond aus den Wolken hervor -- und sie sah nur ih¬ ren Schatten vor sich hinfallen. Sie fuhr zusam¬ men, und blickte bestürzt mich an, dann wieder auf die Erde, mit dem Auge meinen Schatten begehrend; und was in ihr vorging, malte sich so sonderbar in ihren Mienen, daß ich in ein lautes Gelächter hätte ausbrechen mögen, wenn es mir nicht selber eiskalt über den Rücken gelaufen wäre.
Ich ließ sie aus meinem Arm in eine Ohn¬ macht sinken, schoß wie ein Pfeil durch die ent¬ setzten Gäste, erreichte die Thür', warf mich in den ersten Wagen, den ich da haltend fand, und fuhr nach der Stadt zurück, wo ich diesmal zu meinem Unheil den vorsichtigen Bendel gelassen hatte. Er erschrack, als er mich sah, ein Wort
Da ich an einem ſchoͤnen Abend nach mei¬ ner Gewohnheit eine Geſellſchaft in einem erleuch¬ teten Garten verſammelt hatte, wandelte ich mit der Herrin Arm in Arm, in einiger Entfernung von den uͤbrigen Gaͤſten, und bemuͤhte mich, ihr Redesarten vorzudrechſeln. Sie ſah ſittig vor ſich nieder, und erwiederte leiſe den Druck meiner Hand; da trat unverſehens hinter uns der Mond aus den Wolken hervor — und ſie ſah nur ih¬ ren Schatten vor ſich hinfallen. Sie fuhr zuſam¬ men, und blickte beſtuͤrzt mich an, dann wieder auf die Erde, mit dem Auge meinen Schatten begehrend; und was in ihr vorging, malte ſich ſo ſonderbar in ihren Mienen, daß ich in ein lautes Gelaͤchter haͤtte ausbrechen moͤgen, wenn es mir nicht ſelber eiskalt uͤber den Ruͤcken gelaufen waͤre.
Ich ließ ſie aus meinem Arm in eine Ohn¬ macht ſinken, ſchoß wie ein Pfeil durch die ent¬ ſetzten Gaͤſte, erreichte die Thuͤr', warf mich in den erſten Wagen, den ich da haltend fand, und fuhr nach der Stadt zuruͤck, wo ich diesmal zu meinem Unheil den vorſichtigen Bendel gelaſſen hatte. Er erſchrack, als er mich ſah, ein Wort
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Da ich an einem ſchoͤnen Abend nach mei¬
ner Gewohnheit eine Geſellſchaft in einem erleuch¬
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der Herrin Arm in Arm, in einiger Entfernung
von den uͤbrigen Gaͤſten, und bemuͤhte mich, ihr
Redesarten vorzudrechſeln. Sie ſah ſittig vor ſich
nieder, und erwiederte leiſe den Druck meiner
Hand; da trat unverſehens hinter uns der Mond
aus den Wolken hervor — und ſie ſah nur ih¬
ren Schatten vor ſich hinfallen. Sie fuhr zuſam¬
men, und blickte beſtuͤrzt mich an, dann wieder
auf die Erde, mit dem Auge meinen Schatten
begehrend; und was in ihr vorging, malte ſich ſo
ſonderbar in ihren Mienen, daß ich in ein lautes
Gelaͤchter haͤtte ausbrechen moͤgen, wenn es mir
nicht ſelber eiskalt uͤber den Ruͤcken gelaufen
waͤre.
Ich ließ ſie aus meinem Arm in eine Ohn¬
macht ſinken, ſchoß wie ein Pfeil durch die ent¬
ſetzten Gaͤſte, erreichte die Thuͤr', warf mich in
den erſten Wagen, den ich da haltend fand, und
fuhr nach der Stadt zuruͤck, wo ich diesmal zu
meinem Unheil den vorſichtigen Bendel gelaſſen
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/54>, abgerufen am 16.02.2025.
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