wissen Bendel, dessen treue und verständige Phy¬ sionomie mich gleich gewann. Derselbe war's, dessen Anhänglichkeit mich seither tröstend durch das Elend des Lebens begleitete, und mir mein düst'res Loos ertragen half. Ich brachte den gan¬ zen Tag auf meinen Zimmern, mit herrenlosen Knechten, Schustern, Schneidern und Kaufleu¬ ten zu, ich richtete mich ein, und kaufte beson¬ ders sehr viele Kostbarkeiten und Edelsteine, um nur Etwas des vielen aufgespeicherten Goldes los zu seyn; es schien aber gar nicht, als könne der Haufen sich vermindern.
Ich schwebte indeß über meinen Zustand in den ängstigendsten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thür', und ließ Abends vier¬ zig Wachskerzen in meinem Saal anzünden, be¬ vor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich ge¬ dachte mit Grauen des fürchterlichen Auftrittes mit den Schulknaben. Ich beschloß, so viel Muth ich auch dazu bedurfte, die öffentliche Meinung noch einmal zu prüfen. -- Die Nächte waren zu der Zeit mondhell. Abends spät warf ich einen weiten Mantel um, drückte mir den Hut tief in
wiſſen Bendel, deſſen treue und verſtaͤndige Phy¬ ſionomie mich gleich gewann. Derſelbe war’s, deſſen Anhaͤnglichkeit mich ſeither troͤſtend durch das Elend des Lebens begleitete, und mir mein duͤſt’res Loos ertragen half. Ich brachte den gan¬ zen Tag auf meinen Zimmern, mit herrenloſen Knechten, Schuſtern, Schneidern und Kaufleu¬ ten zu, ich richtete mich ein, und kaufte beſon¬ ders ſehr viele Koſtbarkeiten und Edelſteine, um nur Etwas des vielen aufgeſpeicherten Goldes los zu ſeyn; es ſchien aber gar nicht, als koͤnne der Haufen ſich vermindern.
Ich ſchwebte indeß uͤber meinen Zuſtand in den aͤngſtigendſten Zweifeln. Ich wagte keinen Schritt aus meiner Thuͤr’, und ließ Abends vier¬ zig Wachskerzen in meinem Saal anzuͤnden, be¬ vor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich ge¬ dachte mit Grauen des fuͤrchterlichen Auftrittes mit den Schulknaben. Ich beſchloß, ſo viel Muth ich auch dazu bedurfte, die oͤffentliche Meinung noch einmal zu pruͤfen. — Die Naͤchte waren zu der Zeit mondhell. Abends ſpaͤt warf ich einen weiten Mantel um, druͤckte mir den Hut tief in
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wiſſen Bendel, deſſen treue und verſtaͤndige Phy¬
ſionomie mich gleich gewann. Derſelbe war’s,
deſſen Anhaͤnglichkeit mich ſeither troͤſtend durch
das Elend des Lebens begleitete, und mir mein
duͤſt’res Loos ertragen half. Ich brachte den gan¬
zen Tag auf meinen Zimmern, mit herrenloſen
Knechten, Schuſtern, Schneidern und Kaufleu¬
ten zu, ich richtete mich ein, und kaufte beſon¬
ders ſehr viele Koſtbarkeiten und Edelſteine, um
nur Etwas des vielen aufgeſpeicherten Goldes los
zu ſeyn; es ſchien aber gar nicht, als koͤnne der
Haufen ſich vermindern.
Ich ſchwebte indeß uͤber meinen Zuſtand in
den aͤngſtigendſten Zweifeln. Ich wagte keinen
Schritt aus meiner Thuͤr’, und ließ Abends vier¬
zig Wachskerzen in meinem Saal anzuͤnden, be¬
vor ich aus dem Dunkel heraus kam. Ich ge¬
dachte mit Grauen des fuͤrchterlichen Auftrittes
mit den Schulknaben. Ich beſchloß, ſo viel Muth
ich auch dazu bedurfte, die oͤffentliche Meinung
noch einmal zu pruͤfen. — Die Naͤchte waren zu
der Zeit mondhell. Abends ſpaͤt warf ich einen
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/40>, abgerufen am 16.07.2024.
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