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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

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Tag legend, daß ich endlich, sei es auch nur, um
ihn los zu werden, den Handel mit dem Schatten
abschließen würde. -- Er war mir eben so lästig
als verhaßt. Ich konnte mich ordentlich vor ihm
fürchten. Ich hatte mich von ihm abhängig ge¬
macht. Er hielt mich, nachdem er mich in die
Herrlichkeit der Welt, die ich floh, zurück geführt
hatte. Ich mußte seine Beredsamkeit über mich
ergehen lassen, und fühlte schier, er habe Recht.
Ein Reicher muß in der Welt einen Schatten
haben, und, sobald ich den Stand behaupten
wollte, den er mich wieder geltend zu machen ver¬
leitet hatte, war nur ein Ausgang zu ersehen.
Dieses aber stand bei mir fest, nachdem ich mei¬
ne Liebe hingeopfert, nachdem mir das Leben ver¬
blaßt war, wollt' ich meine Seele nicht, sei es
um alle Schatten der Welt, dieser Kreatur ver¬
schreiben. Ich wußte nicht, wie es enden sollte.

Wir saßen einst vor einer Höle, welche die
Fremden, die das Gebirg' bereisen, zu besuchen
pflegen. Man hört dort das Gebrause unterirdi¬
scher Ströme aus ungemessener Tiefe heraufschal¬
len, und kein Grund scheint den Stein, den man

G

Tag legend, daß ich endlich, ſei es auch nur, um
ihn los zu werden, den Handel mit dem Schatten
abſchließen wuͤrde. — Er war mir eben ſo laͤſtig
als verhaßt. Ich konnte mich ordentlich vor ihm
fuͤrchten. Ich hatte mich von ihm abhaͤngig ge¬
macht. Er hielt mich, nachdem er mich in die
Herrlichkeit der Welt, die ich floh, zuruͤck gefuͤhrt
hatte. Ich mußte ſeine Beredſamkeit uͤber mich
ergehen laſſen, und fuͤhlte ſchier, er habe Recht.
Ein Reicher muß in der Welt einen Schatten
haben, und, ſobald ich den Stand behaupten
wollte, den er mich wieder geltend zu machen ver¬
leitet hatte, war nur ein Ausgang zu erſehen.
Dieſes aber ſtand bei mir feſt, nachdem ich mei¬
ne Liebe hingeopfert, nachdem mir das Leben ver¬
blaßt war, wollt’ ich meine Seele nicht, ſei es
um alle Schatten der Welt, dieſer Kreatur ver¬
ſchreiben. Ich wußte nicht, wie es enden ſollte.

Wir ſaßen einſt vor einer Hoͤle, welche die
Fremden, die das Gebirg’ bereiſen, zu beſuchen
pflegen. Man hoͤrt dort das Gebrauſe unterirdi¬
ſcher Stroͤme aus ungemeſſener Tiefe heraufſchal¬
len, und kein Grund ſcheint den Stein, den man

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[97/0117] Tag legend, daß ich endlich, ſei es auch nur, um ihn los zu werden, den Handel mit dem Schatten abſchließen wuͤrde. — Er war mir eben ſo laͤſtig als verhaßt. Ich konnte mich ordentlich vor ihm fuͤrchten. Ich hatte mich von ihm abhaͤngig ge¬ macht. Er hielt mich, nachdem er mich in die Herrlichkeit der Welt, die ich floh, zuruͤck gefuͤhrt hatte. Ich mußte ſeine Beredſamkeit uͤber mich ergehen laſſen, und fuͤhlte ſchier, er habe Recht. Ein Reicher muß in der Welt einen Schatten haben, und, ſobald ich den Stand behaupten wollte, den er mich wieder geltend zu machen ver¬ leitet hatte, war nur ein Ausgang zu erſehen. Dieſes aber ſtand bei mir feſt, nachdem ich mei¬ ne Liebe hingeopfert, nachdem mir das Leben ver¬ blaßt war, wollt’ ich meine Seele nicht, ſei es um alle Schatten der Welt, dieſer Kreatur ver¬ ſchreiben. Ich wußte nicht, wie es enden ſollte. Wir ſaßen einſt vor einer Hoͤle, welche die Fremden, die das Gebirg’ bereiſen, zu beſuchen pflegen. Man hoͤrt dort das Gebrauſe unterirdi¬ ſcher Stroͤme aus ungemeſſener Tiefe heraufſchal¬ len, und kein Grund ſcheint den Stein, den man G

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/117>, abgerufen am 24.11.2024.