die Aufgabe mit vieler Klarheit aus einander, und schritt fürder zu deren Beantwortung.
Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich er¬ kannt habe, seitdem ich den Philosophen durch die Schule gelaufen, daß ich zur philosophischen Spe¬ kulation keinesweges berufen bin, und daß ich mir dieses Feld völlig abgesprochen habe; ich habe seit¬ her Vieles auf sich beruhen lassen, Vieles zu wis¬ sen und zu begreifen Verzicht geleistet, und bin, wie Du es mir selber gerathen, meinem geraden Sinn vertrauend, der Stimme in mir, so viel es in meiner Macht gewesen, auf dem eigenen Weg gefolgt. Nun schien mir dieser Redekünst¬ ler mit großem Talent ein fest gefügtes Gebäude aufzuführen, das in sich selbst begründet sich em¬ por trug, und wie durch eine innere Nothwendig¬ keit bestand. Nur vermißt' ich ganz in ihm, was ich eben darin hätte suchen wollen, und so ward es mir zu einem bloßen Kunstwerk, dessen zierliche Geschlossenheit und Vollendung dem Auge allein zur Ergötzung diente; aber ich hörte dem wohlbe¬ redten Manne gerne zu, der meine Aufmerksam¬ keit von meinen Leiden auf sich selbst abgelenkt,
die Aufgabe mit vieler Klarheit aus einander, und ſchritt fuͤrder zu deren Beantwortung.
Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich er¬ kannt habe, ſeitdem ich den Philoſophen durch die Schule gelaufen, daß ich zur philoſophiſchen Spe¬ kulation keinesweges berufen bin, und daß ich mir dieſes Feld voͤllig abgeſprochen habe; ich habe ſeit¬ her Vieles auf ſich beruhen laſſen, Vieles zu wiſ¬ ſen und zu begreifen Verzicht geleiſtet, und bin, wie Du es mir ſelber gerathen, meinem geraden Sinn vertrauend, der Stimme in mir, ſo viel es in meiner Macht geweſen, auf dem eigenen Weg gefolgt. Nun ſchien mir dieſer Redekuͤnſt¬ ler mit großem Talent ein feſt gefuͤgtes Gebaͤude aufzufuͤhren, das in ſich ſelbſt begruͤndet ſich em¬ por trug, und wie durch eine innere Nothwendig¬ keit beſtand. Nur vermißt' ich ganz in ihm, was ich eben darin haͤtte ſuchen wollen, und ſo ward es mir zu einem bloßen Kunſtwerk, deſſen zierliche Geſchloſſenheit und Vollendung dem Auge allein zur Ergoͤtzung diente; aber ich hoͤrte dem wohlbe¬ redten Manne gerne zu, der meine Aufmerkſam¬ keit von meinen Leiden auf ſich ſelbſt abgelenkt,
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die Aufgabe mit vieler Klarheit aus einander, und
ſchritt fuͤrder zu deren Beantwortung.
Du weißt, mein Freund, daß ich deutlich er¬
kannt habe, ſeitdem ich den Philoſophen durch die
Schule gelaufen, daß ich zur philoſophiſchen Spe¬
kulation keinesweges berufen bin, und daß ich mir
dieſes Feld voͤllig abgeſprochen habe; ich habe ſeit¬
her Vieles auf ſich beruhen laſſen, Vieles zu wiſ¬
ſen und zu begreifen Verzicht geleiſtet, und bin,
wie Du es mir ſelber gerathen, meinem geraden
Sinn vertrauend, der Stimme in mir, ſo viel
es in meiner Macht geweſen, auf dem eigenen
Weg gefolgt. Nun ſchien mir dieſer Redekuͤnſt¬
ler mit großem Talent ein feſt gefuͤgtes Gebaͤude
aufzufuͤhren, das in ſich ſelbſt begruͤndet ſich em¬
por trug, und wie durch eine innere Nothwendig¬
keit beſtand. Nur vermißt' ich ganz in ihm, was
ich eben darin haͤtte ſuchen wollen, und ſo ward
es mir zu einem bloßen Kunſtwerk, deſſen zierliche
Geſchloſſenheit und Vollendung dem Auge allein
zur Ergoͤtzung diente; aber ich hoͤrte dem wohlbe¬
redten Manne gerne zu, der meine Aufmerkſam¬
keit von meinen Leiden auf ſich ſelbſt abgelenkt,
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/112>, abgerufen am 16.02.2025.
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