Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.Die Entstehung einer neuen Welt. Wer diesen Winken folgt, wird, davon bin ich überzeugt, auf jedemKunstgebiete sehr lebendige Vorstellungen und fruchtbare Einsichten gewinnen. Ich möchte nur noch die Warnung hinzufügen, dass man die Dinge, wo es sich darum handelt, sie zu einem Ganzen zu ver- binden, zwar genau, doch nicht von zu nahe ansehen soll. Betrachten wir unsere Zeit z. B. als das Ende der Welt, so werden wir von der so nahen Pracht der grossen Epoche Italiens fast erdrückt; gelingt es uns dagegen, bis in die weit offenen Arme einer verschwenderisch spendenden Zukunft zu flüchten, dann wird uns vielleicht jene wunderbare Blüte bildender Kunst doch nur als eine Episode in einem viel grösseren Ganzen erscheinen. Schon die blosse Existenz eines Mannes wie Michelangelo, neben einem Raffael, weist in zukünftige Zeiten und auf zukünftige Werke. Die Kunst ist stets am Ziel: dieses Wort Schopenhauer's habe ich mir schon früher angeeignet und bin darum in diesem Abschnitt nicht der historischen Entfaltung von Giotto und Dante bis Goethe und Beethoven nachgegangen, sondern den bleibenden Zügen der individuellen Menschenart. Einzig die Kenntnis dieser treibenden und zwingenden Züge ist es, welche ein wirkliches Ver- ständnis der Kunst der Vergangenheit und der Gegenwart ermöglicht. Von uns Germanen soll noch viel Kunst geschaffen werden, und was geschaffen wird, dürfen wir nicht an dem Masstab eines fremden Früheren messen, sondern wir müssen es mittelst einer umfassenden Kenntnis unserer gesamten Eigenart beurteilen. So nur werden wir ein Kriterium besitzen, das uns befähigt, mit Liebe und Verständnis den so weit auseinandergehenden künstlerischen Bestrebungen unseres Jahrhunderts gerecht zu werden, und jenem giftspeienden Drachen aller Kunstbetrachtung -- der geflügelten Phrase -- den Garaus zu machen. Schlusswort. Mein Notbrückenbau wäre vollendet. Nichts fanden wir für Die Entstehung einer neuen Welt. Wer diesen Winken folgt, wird, davon bin ich überzeugt, auf jedemKunstgebiete sehr lebendige Vorstellungen und fruchtbare Einsichten gewinnen. Ich möchte nur noch die Warnung hinzufügen, dass man die Dinge, wo es sich darum handelt, sie zu einem Ganzen zu ver- binden, zwar genau, doch nicht von zu nahe ansehen soll. Betrachten wir unsere Zeit z. B. als das Ende der Welt, so werden wir von der so nahen Pracht der grossen Epoche Italiens fast erdrückt; gelingt es uns dagegen, bis in die weit offenen Arme einer verschwenderisch spendenden Zukunft zu flüchten, dann wird uns vielleicht jene wunderbare Blüte bildender Kunst doch nur als eine Episode in einem viel grösseren Ganzen erscheinen. Schon die blosse Existenz eines Mannes wie Michelangelo, neben einem Raffael, weist in zukünftige Zeiten und auf zukünftige Werke. Die Kunst ist stets am Ziel: dieses Wort Schopenhauer’s habe ich mir schon früher angeeignet und bin darum in diesem Abschnitt nicht der historischen Entfaltung von Giotto und Dante bis Goethe und Beethoven nachgegangen, sondern den bleibenden Zügen der individuellen Menschenart. Einzig die Kenntnis dieser treibenden und zwingenden Züge ist es, welche ein wirkliches Ver- ständnis der Kunst der Vergangenheit und der Gegenwart ermöglicht. Von uns Germanen soll noch viel Kunst geschaffen werden, und was geschaffen wird, dürfen wir nicht an dem Masstab eines fremden Früheren messen, sondern wir müssen es mittelst einer umfassenden Kenntnis unserer gesamten Eigenart beurteilen. So nur werden wir ein Kriterium besitzen, das uns befähigt, mit Liebe und Verständnis den so weit auseinandergehenden künstlerischen Bestrebungen unseres Jahrhunderts gerecht zu werden, und jenem giftspeienden Drachen aller Kunstbetrachtung — der geflügelten Phrase — den Garaus zu machen. Schlusswort. 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Die Entstehung einer neuen Welt.
Wer diesen Winken folgt, wird, davon bin ich überzeugt, auf jedem
Kunstgebiete sehr lebendige Vorstellungen und fruchtbare Einsichten
gewinnen. Ich möchte nur noch die Warnung hinzufügen, dass man
die Dinge, wo es sich darum handelt, sie zu einem Ganzen zu ver-
binden, zwar genau, doch nicht von zu nahe ansehen soll. Betrachten
wir unsere Zeit z. B. als das Ende der Welt, so werden wir von der so
nahen Pracht der grossen Epoche Italiens fast erdrückt; gelingt es uns
dagegen, bis in die weit offenen Arme einer verschwenderisch spendenden
Zukunft zu flüchten, dann wird uns vielleicht jene wunderbare Blüte
bildender Kunst doch nur als eine Episode in einem viel grösseren
Ganzen erscheinen. Schon die blosse Existenz eines Mannes wie
Michelangelo, neben einem Raffael, weist in zukünftige Zeiten und
auf zukünftige Werke. Die Kunst ist stets am Ziel: dieses Wort
Schopenhauer’s habe ich mir schon früher angeeignet und bin darum
in diesem Abschnitt nicht der historischen Entfaltung von Giotto und
Dante bis Goethe und Beethoven nachgegangen, sondern den bleibenden
Zügen der individuellen Menschenart. Einzig die Kenntnis dieser
treibenden und zwingenden Züge ist es, welche ein wirkliches Ver-
ständnis der Kunst der Vergangenheit und der Gegenwart ermöglicht.
Von uns Germanen soll noch viel Kunst geschaffen werden, und was
geschaffen wird, dürfen wir nicht an dem Masstab eines fremden
Früheren messen, sondern wir müssen es mittelst einer umfassenden
Kenntnis unserer gesamten Eigenart beurteilen. So nur werden wir
ein Kriterium besitzen, das uns befähigt, mit Liebe und Verständnis
den so weit auseinandergehenden künstlerischen Bestrebungen unseres
Jahrhunderts gerecht zu werden, und jenem giftspeienden Drachen
aller Kunstbetrachtung — der geflügelten Phrase — den Garaus zu
machen.
Mein Notbrückenbau wäre vollendet. Nichts fanden wir für
unsere germanische Kultur bezeichnender, als das Handinhandgehen
des Triebes zur Entdeckung und des Triebes zur Gestaltung. Ent-
gegen den Lehren unserer Historiker behaupten wir, nie hat Kunst
und nie hat Wissenschaft bei uns gerastet; thäten sie es, so wären
wir keine Germanen mehr. Ja, wir sahen, dass sich beide bei uns
gewissermassen bedingen: die Quelle unserer Erfindungsgabe, aller
unserer Genialität, sogar der ganzen Originalität unserer Civilisation,
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