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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Politik und Kirche.
der Angelsachsen, denen sich nach wie vor Deutsche und Skandinavier
stets in grosser Zahl anschlossen. Kaum hatten sich die Vereinigten Staaten
losgesagt, als (1788) die ersten Kolonisten in Australien landeten und Süd-
afrika den zwar rüstigen, doch nicht sehr regen Händen der Holländer ent-
rissen wurde. Es waren dies die Anfänge eines in unserem Jahrhundert
enorm angewachsenen Weltreiches. Und zwar hat sich sowohl bei
der Beherrschung fremder Völker (Indien), wie bei der weit wichtigeren
Begründung solcher "neuen Nationen", wie sie Shakespeare vorschwebten,
bisher die eine Thatsache ausnahmslos bewährt: dass es nur Germanen
und nur Protestanten auf die Dauer und mit vollem glänzenden Erfolg
gelingen wollte. Der enorme südamerikanische Kontinent bleibt gänzlich
ausserhalb unserer Politik und unserer Kultur; nirgends haben die Con-
quistadores eine neue Nation ins Leben gerufen; die letzten spanischen
Kolonien retten sich heute zu anderen Nationen, um nicht vollends zu
Grunde zu gehen. Frankreich ist es niemals gelungen, eine Kolonie
zu begründen, ausser in Canada, das aber nur Dank der Dazwischen-
kunft England's aufgeblüht ist.1) Eine wirkliche Expansionskraft existiert
überhaupt nur bei Deutschen, Angelsachsen und Skandinaviern; selbst
die stammverwandten Holländer haben in Südafrika mehr Beharrungs-
als Ausdehnungsvermögen bewiesen; die russische Ausdehnung ist eine
rein politische, die französische eine rein kommerzielle, andere Länder
zeigen überhaupt keine.

Verlören sich die Menschen nicht so sehr in die Betrachtung der
unübersehbaren Einzelheiten der Geschichte, sie würden schon längst
über die entscheidende Wichtigkeit zweier Dinge für die Politik im
Klaren sein: der Rasse nämlich und der Religion. Sie würden auch
wissen, dass die politische Gestaltung der Gesellschaft -- namentlich
die Gestaltung jenes innersten Rades, der Kirche -- alle geheimsten
Kräfte einer Rasse und ihrer Religion ans Tageslicht bringen und so-
mit die erfolgreichste Förderin von Civilisation und Kultur werden,

Falle "etliche wenige Helden und fürtreffliche Leute" (S. 41) Herz und Hirn des
Unternehmens waren, ist bekannt; gab sich auch die neue Nation vorderhand
keinen König, so ehrte sie doch die Persönlichkeit ihres Gründers, indem sie das
alte, von englischen Königen verliehene Wappen der Washingtons: die Sterne
und Streifen, als Nationalfahne annahm. (Dieses Wappen kann man auf den
Grabsteinen der Washingtons in der Kirche Little Trinity in London noch heute sehen).
1) Wie es ohne diese Dazwischenkunft gegangen wäre, kann man der einen
Thatsache entnehmen, dass die katholischen Priester dort bereits das Verbot des
Buchdruckes
durchgesetzt hatten! und dass einem "Ketzer" der Aufenthalt im
ganzen Lande streng verwehrt war!
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 55

Politik und Kirche.
der Angelsachsen, denen sich nach wie vor Deutsche und Skandinavier
stets in grosser Zahl anschlossen. Kaum hatten sich die Vereinigten Staaten
losgesagt, als (1788) die ersten Kolonisten in Australien landeten und Süd-
afrika den zwar rüstigen, doch nicht sehr regen Händen der Holländer ent-
rissen wurde. Es waren dies die Anfänge eines in unserem Jahrhundert
enorm angewachsenen Weltreiches. Und zwar hat sich sowohl bei
der Beherrschung fremder Völker (Indien), wie bei der weit wichtigeren
Begründung solcher »neuen Nationen«, wie sie Shakespeare vorschwebten,
bisher die eine Thatsache ausnahmslos bewährt: dass es nur Germanen
und nur Protestanten auf die Dauer und mit vollem glänzenden Erfolg
gelingen wollte. Der enorme südamerikanische Kontinent bleibt gänzlich
ausserhalb unserer Politik und unserer Kultur; nirgends haben die Con-
quistadores eine neue Nation ins Leben gerufen; die letzten spanischen
Kolonien retten sich heute zu anderen Nationen, um nicht vollends zu
Grunde zu gehen. Frankreich ist es niemals gelungen, eine Kolonie
zu begründen, ausser in Canada, das aber nur Dank der Dazwischen-
kunft England’s aufgeblüht ist.1) Eine wirkliche Expansionskraft existiert
überhaupt nur bei Deutschen, Angelsachsen und Skandinaviern; selbst
die stammverwandten Holländer haben in Südafrika mehr Beharrungs-
als Ausdehnungsvermögen bewiesen; die russische Ausdehnung ist eine
rein politische, die französische eine rein kommerzielle, andere Länder
zeigen überhaupt keine.

Verlören sich die Menschen nicht so sehr in die Betrachtung der
unübersehbaren Einzelheiten der Geschichte, sie würden schon längst
über die entscheidende Wichtigkeit zweier Dinge für die Politik im
Klaren sein: der Rasse nämlich und der Religion. Sie würden auch
wissen, dass die politische Gestaltung der Gesellschaft — namentlich
die Gestaltung jenes innersten Rades, der Kirche — alle geheimsten
Kräfte einer Rasse und ihrer Religion ans Tageslicht bringen und so-
mit die erfolgreichste Förderin von Civilisation und Kultur werden,

Falle »etliche wenige Helden und fürtreffliche Leute« (S. 41) Herz und Hirn des
Unternehmens waren, ist bekannt; gab sich auch die neue Nation vorderhand
keinen König, so ehrte sie doch die Persönlichkeit ihres Gründers, indem sie das
alte, von englischen Königen verliehene Wappen der Washingtons: die Sterne
und Streifen, als Nationalfahne annahm. (Dieses Wappen kann man auf den
Grabsteinen der Washingtons in der Kirche Little Trinity in London noch heute sehen).
1) Wie es ohne diese Dazwischenkunft gegangen wäre, kann man der einen
Thatsache entnehmen, dass die katholischen Priester dort bereits das Verbot des
Buchdruckes
durchgesetzt hatten! und dass einem »Ketzer« der Aufenthalt im
ganzen Lande streng verwehrt war!
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 55
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[857/0336] Politik und Kirche. der Angelsachsen, denen sich nach wie vor Deutsche und Skandinavier stets in grosser Zahl anschlossen. Kaum hatten sich die Vereinigten Staaten losgesagt, als (1788) die ersten Kolonisten in Australien landeten und Süd- afrika den zwar rüstigen, doch nicht sehr regen Händen der Holländer ent- rissen wurde. Es waren dies die Anfänge eines in unserem Jahrhundert enorm angewachsenen Weltreiches. Und zwar hat sich sowohl bei der Beherrschung fremder Völker (Indien), wie bei der weit wichtigeren Begründung solcher »neuen Nationen«, wie sie Shakespeare vorschwebten, bisher die eine Thatsache ausnahmslos bewährt: dass es nur Germanen und nur Protestanten auf die Dauer und mit vollem glänzenden Erfolg gelingen wollte. Der enorme südamerikanische Kontinent bleibt gänzlich ausserhalb unserer Politik und unserer Kultur; nirgends haben die Con- quistadores eine neue Nation ins Leben gerufen; die letzten spanischen Kolonien retten sich heute zu anderen Nationen, um nicht vollends zu Grunde zu gehen. Frankreich ist es niemals gelungen, eine Kolonie zu begründen, ausser in Canada, das aber nur Dank der Dazwischen- kunft England’s aufgeblüht ist. 1) Eine wirkliche Expansionskraft existiert überhaupt nur bei Deutschen, Angelsachsen und Skandinaviern; selbst die stammverwandten Holländer haben in Südafrika mehr Beharrungs- als Ausdehnungsvermögen bewiesen; die russische Ausdehnung ist eine rein politische, die französische eine rein kommerzielle, andere Länder zeigen überhaupt keine. Verlören sich die Menschen nicht so sehr in die Betrachtung der unübersehbaren Einzelheiten der Geschichte, sie würden schon längst über die entscheidende Wichtigkeit zweier Dinge für die Politik im Klaren sein: der Rasse nämlich und der Religion. Sie würden auch wissen, dass die politische Gestaltung der Gesellschaft — namentlich die Gestaltung jenes innersten Rades, der Kirche — alle geheimsten Kräfte einer Rasse und ihrer Religion ans Tageslicht bringen und so- mit die erfolgreichste Förderin von Civilisation und Kultur werden, 3) 1) Wie es ohne diese Dazwischenkunft gegangen wäre, kann man der einen Thatsache entnehmen, dass die katholischen Priester dort bereits das Verbot des Buchdruckes durchgesetzt hatten! und dass einem »Ketzer« der Aufenthalt im ganzen Lande streng verwehrt war! 3) Falle »etliche wenige Helden und fürtreffliche Leute« (S. 41) Herz und Hirn des Unternehmens waren, ist bekannt; gab sich auch die neue Nation vorderhand keinen König, so ehrte sie doch die Persönlichkeit ihres Gründers, indem sie das alte, von englischen Königen verliehene Wappen der Washingtons: die Sterne und Streifen, als Nationalfahne annahm. (Dieses Wappen kann man auf den Grabsteinen der Washingtons in der Kirche Little Trinity in London noch heute sehen). Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 55

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/336>, abgerufen am 25.11.2024.