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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Die Entstehung einer neuen Welt.
kräfte.1) Diese Rolle usurpierte nun der Landadel und machte einen
guten Gebrauch davon. Als Stachel wirkte auf ihn das schnelle Auf-
blühen der Kaufmannschaft, welches seine eigene soziale Stellung arg
bedrohte. Mit so viel Fleiss und Erfolg verlegte er sich auf das zu
vollbringende Werk, dass man den Ertrag des Kornfeldes gegen Schluss
des 18. Jahrhunderts auf das Vierfache des Ertrages am Schluss des 13.
schätzt! Und inzwischen war der Mastochse drei Mal so schwer ge-
worden und das Schaf trug vier Mal so viel Wolle! Das war der
Erfolg des Monopols; ein Erfolg, der notwendiger Weise über kurz
oder lang der Gemeinsamkeit zu gute kommen musste. Denn wir
Germanen dulden nie auf die Dauer karthaginische Ausbeutung. Und
während die Grossgrundbesitzer alles einsackten, sowohl den recht-
mässigen Lohn ihrer Arbeiter, wie auch den Verdienst, der früher den
Familien von Tausenden und Tausenden von gebildeten Landwirten
bescheidenen Wohlstand verliehen hatte, suchten sich diese Kräfte auf
anderen Wegen menschenwürdig durchzuarbeiten. Die Erfinder in den
Textilindustrien am Schlusse des vorigen Jahrhunderts sind fast alle
Bauern, welche sich mit Weben abgaben, weil sie sonst nicht genug
zum Leben verdienten; andere wanderten in die Kolonien aus und bauten
auf ungeheuren Flächen Korn an, das mit dem heimischen in Konkurrenz
trat; wieder andere wurden Matrosen und Handelsherren. Kurz, der
Wert des monopolisierten Landbesitzes sank nach und nach, und sinkt
noch immer -- wie der Wert des Geldes2) -- so dass offenbar die
Gegenwelle jetzt diese Verhältnisse erfasst hat und wir dem Tage ent-
gegeneilen, wo die Allgemeinheit auch hier ihre Rechte wieder geltend
macht und das anvertraute Gut von den grossen Besitzern -- wie die
politischen Rechte vom König -- zurückfordert. Das Frankreich der
Revolution ging mit dem Beispiel voran; ein vernünftigeres gab vor
dreissig Jahren ein hochherziger deutscher Fürst, der Grossherzog von
Mecklenburg-Schwerin.

1) Dies lässt sich historisch nachweisen. Pietro Crescenzi aus Bologna ver-
öffentlichte sein Buch über den rationellen Landbau in den ersten Jahren des
14. Jahrhunderts, bald folgten Robert Grossetete, Walter Henley u. A., welche
schon eingehend die Düngung behandeln; doch zunächst fast ohne jeden Erfolg, da
derartige Ausführungen bei dem Bildungsstand des Bauern diesem unzugänglich
blieben. Über den geringen Ertrag des Bodens unter der primitiven Bewirtschaftung
der Bauern erhält man belehrende Auskunft bei Andre Reville: Les Paysans au Moyen-
Age,
1896, S. 9.
2) Im Jahre 1694 zahlte die englische Regierung 81/2 % für Geld, im Jahre
1894 kaum 2 %.

Die Entstehung einer neuen Welt.
kräfte.1) Diese Rolle usurpierte nun der Landadel und machte einen
guten Gebrauch davon. Als Stachel wirkte auf ihn das schnelle Auf-
blühen der Kaufmannschaft, welches seine eigene soziale Stellung arg
bedrohte. Mit so viel Fleiss und Erfolg verlegte er sich auf das zu
vollbringende Werk, dass man den Ertrag des Kornfeldes gegen Schluss
des 18. Jahrhunderts auf das Vierfache des Ertrages am Schluss des 13.
schätzt! Und inzwischen war der Mastochse drei Mal so schwer ge-
worden und das Schaf trug vier Mal so viel Wolle! Das war der
Erfolg des Monopols; ein Erfolg, der notwendiger Weise über kurz
oder lang der Gemeinsamkeit zu gute kommen musste. Denn wir
Germanen dulden nie auf die Dauer karthaginische Ausbeutung. Und
während die Grossgrundbesitzer alles einsackten, sowohl den recht-
mässigen Lohn ihrer Arbeiter, wie auch den Verdienst, der früher den
Familien von Tausenden und Tausenden von gebildeten Landwirten
bescheidenen Wohlstand verliehen hatte, suchten sich diese Kräfte auf
anderen Wegen menschenwürdig durchzuarbeiten. Die Erfinder in den
Textilindustrien am Schlusse des vorigen Jahrhunderts sind fast alle
Bauern, welche sich mit Weben abgaben, weil sie sonst nicht genug
zum Leben verdienten; andere wanderten in die Kolonien aus und bauten
auf ungeheuren Flächen Korn an, das mit dem heimischen in Konkurrenz
trat; wieder andere wurden Matrosen und Handelsherren. Kurz, der
Wert des monopolisierten Landbesitzes sank nach und nach, und sinkt
noch immer — wie der Wert des Geldes2) — so dass offenbar die
Gegenwelle jetzt diese Verhältnisse erfasst hat und wir dem Tage ent-
gegeneilen, wo die Allgemeinheit auch hier ihre Rechte wieder geltend
macht und das anvertraute Gut von den grossen Besitzern — wie die
politischen Rechte vom König — zurückfordert. Das Frankreich der
Revolution ging mit dem Beispiel voran; ein vernünftigeres gab vor
dreissig Jahren ein hochherziger deutscher Fürst, der Grossherzog von
Mecklenburg-Schwerin.

1) Dies lässt sich historisch nachweisen. Pietro Crescenzi aus Bologna ver-
öffentlichte sein Buch über den rationellen Landbau in den ersten Jahren des
14. Jahrhunderts, bald folgten Robert Grossetête, Walter Henley u. A., welche
schon eingehend die Düngung behandeln; doch zunächst fast ohne jeden Erfolg, da
derartige Ausführungen bei dem Bildungsstand des Bauern diesem unzugänglich
blieben. Über den geringen Ertrag des Bodens unter der primitiven Bewirtschaftung
der Bauern erhält man belehrende Auskunft bei André Réville: Les Paysans au Moyen-
Age,
1896, S. 9.
2) Im Jahre 1694 zahlte die englische Regierung 8½ % für Geld, im Jahre
1894 kaum 2 %.
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[832/0311] Die Entstehung einer neuen Welt. kräfte. 1) Diese Rolle usurpierte nun der Landadel und machte einen guten Gebrauch davon. Als Stachel wirkte auf ihn das schnelle Auf- blühen der Kaufmannschaft, welches seine eigene soziale Stellung arg bedrohte. Mit so viel Fleiss und Erfolg verlegte er sich auf das zu vollbringende Werk, dass man den Ertrag des Kornfeldes gegen Schluss des 18. Jahrhunderts auf das Vierfache des Ertrages am Schluss des 13. schätzt! Und inzwischen war der Mastochse drei Mal so schwer ge- worden und das Schaf trug vier Mal so viel Wolle! Das war der Erfolg des Monopols; ein Erfolg, der notwendiger Weise über kurz oder lang der Gemeinsamkeit zu gute kommen musste. Denn wir Germanen dulden nie auf die Dauer karthaginische Ausbeutung. Und während die Grossgrundbesitzer alles einsackten, sowohl den recht- mässigen Lohn ihrer Arbeiter, wie auch den Verdienst, der früher den Familien von Tausenden und Tausenden von gebildeten Landwirten bescheidenen Wohlstand verliehen hatte, suchten sich diese Kräfte auf anderen Wegen menschenwürdig durchzuarbeiten. Die Erfinder in den Textilindustrien am Schlusse des vorigen Jahrhunderts sind fast alle Bauern, welche sich mit Weben abgaben, weil sie sonst nicht genug zum Leben verdienten; andere wanderten in die Kolonien aus und bauten auf ungeheuren Flächen Korn an, das mit dem heimischen in Konkurrenz trat; wieder andere wurden Matrosen und Handelsherren. Kurz, der Wert des monopolisierten Landbesitzes sank nach und nach, und sinkt noch immer — wie der Wert des Geldes 2) — so dass offenbar die Gegenwelle jetzt diese Verhältnisse erfasst hat und wir dem Tage ent- gegeneilen, wo die Allgemeinheit auch hier ihre Rechte wieder geltend macht und das anvertraute Gut von den grossen Besitzern — wie die politischen Rechte vom König — zurückfordert. Das Frankreich der Revolution ging mit dem Beispiel voran; ein vernünftigeres gab vor dreissig Jahren ein hochherziger deutscher Fürst, der Grossherzog von Mecklenburg-Schwerin. 1) Dies lässt sich historisch nachweisen. Pietro Crescenzi aus Bologna ver- öffentlichte sein Buch über den rationellen Landbau in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts, bald folgten Robert Grossetête, Walter Henley u. A., welche schon eingehend die Düngung behandeln; doch zunächst fast ohne jeden Erfolg, da derartige Ausführungen bei dem Bildungsstand des Bauern diesem unzugänglich blieben. Über den geringen Ertrag des Bodens unter der primitiven Bewirtschaftung der Bauern erhält man belehrende Auskunft bei André Réville: Les Paysans au Moyen- Age, 1896, S. 9. 2) Im Jahre 1694 zahlte die englische Regierung 8½ % für Geld, im Jahre 1894 kaum 2 %.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 832. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/311>, abgerufen am 25.11.2024.