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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Der Kampf.
Schrift, der im Jahre 1883 aufgefundenen Lehre der zwölf Apostel
aus dem ersten christlichen Jahrhundert, ist das mystische Mahl lediglich
ein Dankopfer (Eucharistie). Beim Kelch spricht die Gemeinde: "Wir
danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock deines Dieners
David, den du uns kund gethan hast durch deinen Diener Jesus; dir
sei Ehre in Ewigkeit." Beim Brod spricht sie: "Wir danken dir, Vater,
für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kund gethan hast durch
deinen Diener Jesus; dir sei Ehre in Ewigkeit."1) -- In den etwas
späteren sogenannten Apostolischen Konstitutionen werden das Brod
und der Wein als "Gaben zu Ehren Christi" bezeichnet.2) Von einer
Verwandlung der Elemente in Leib und Blut Christi weiss damals
kein Mensch etwas. Es ist geradezu charakteristisch für die frühesten
Christen, dass sie das zu ihren Zeiten so gebräuchliche Wort "Mysteria"
(welches lateinisch durch sacramentum wiedergegeben wurde) vermeiden.
Erst im 4. Jahrhundert (d. h. also erst, als das Christentum die offizielle,
obligatorische Religion des durch und durch unchristlichen Kaiserreichs
geworden war) tritt das Wort auf, zugleich als zweifelloses Symptom
eines neuen Begriffes.3) Doch kämpften die besten Geister unauf-
hörlich gegen diese allmähliche Einführung des Materialismus und der
Zauberei in die Religion. Origenes z. B. meint, nicht allein sei es
lediglich "bildlich" zu verstehen, wenn man vom Leibe Christi bei der
Eucharistie spreche, sondern dieses Bild passe "nur für die Einfältigen";
in Wahrheit finde eine "geistige Mitteilung" statt. Darum ist es auch
nach Origenes gleichgültig, wer an dem Abendmahle teilnimmt, der
Genuss desselben nütze nichts und schade nichts an und für sich,
sondern es komme einzig auf die Gesinnung an.4) -- Augustinus hat
bereits einen viel schwereren Stand, denn er lebt inmitten einer so
roh versinnlichten Welt, dass er in der Kirche die Vorstellung ver-
breitet findet, der blosse Genuss des Brodes und des Weines mache
zum Mitglied der Kirche und sichere die Unsterblichkeit, gleichviel
ob Einer in Verbrechen lebe oder nicht, -- eine Vorstellung, gegen
die er häufig und heftig ankämpft.5) Auch angesehene Kirchenlehrer,
z. B. Chrysostomus, hatten damals schon die Behauptung aufgestellt,
durch die geweihte Speise werde der Leib des Geniessenden seinem

1) Nach der Ausgabe des römisch-katholischen Professors Narcissus Liebert.
2) Buch VIII, Kap. 12.
3) Hatch: a. a. O., S. 302. Vergl. auch das oben S. 558 Gesagte.
4) Nach Neander: Kirchengeschichte, 4. Aufl., II, 405.
5) Vergl. z. B. Buch XXI. Kap. 25 des De civitate Dei.

Der Kampf.
Schrift, der im Jahre 1883 aufgefundenen Lehre der zwölf Apostel
aus dem ersten christlichen Jahrhundert, ist das mystische Mahl lediglich
ein Dankopfer (Eucharistie). Beim Kelch spricht die Gemeinde: »Wir
danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock deines Dieners
David, den du uns kund gethan hast durch deinen Diener Jesus; dir
sei Ehre in Ewigkeit.« Beim Brod spricht sie: »Wir danken dir, Vater,
für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kund gethan hast durch
deinen Diener Jesus; dir sei Ehre in Ewigkeit.«1) — In den etwas
späteren sogenannten Apostolischen Konstitutionen werden das Brod
und der Wein als »Gaben zu Ehren Christi« bezeichnet.2) Von einer
Verwandlung der Elemente in Leib und Blut Christi weiss damals
kein Mensch etwas. Es ist geradezu charakteristisch für die frühesten
Christen, dass sie das zu ihren Zeiten so gebräuchliche Wort »Mysteria«
(welches lateinisch durch sacramentum wiedergegeben wurde) vermeiden.
Erst im 4. Jahrhundert (d. h. also erst, als das Christentum die offizielle,
obligatorische Religion des durch und durch unchristlichen Kaiserreichs
geworden war) tritt das Wort auf, zugleich als zweifelloses Symptom
eines neuen Begriffes.3) Doch kämpften die besten Geister unauf-
hörlich gegen diese allmähliche Einführung des Materialismus und der
Zauberei in die Religion. Origenes z. B. meint, nicht allein sei es
lediglich »bildlich« zu verstehen, wenn man vom Leibe Christi bei der
Eucharistie spreche, sondern dieses Bild passe »nur für die Einfältigen«;
in Wahrheit finde eine »geistige Mitteilung« statt. Darum ist es auch
nach Origenes gleichgültig, wer an dem Abendmahle teilnimmt, der
Genuss desselben nütze nichts und schade nichts an und für sich,
sondern es komme einzig auf die Gesinnung an.4) — Augustinus hat
bereits einen viel schwereren Stand, denn er lebt inmitten einer so
roh versinnlichten Welt, dass er in der Kirche die Vorstellung ver-
breitet findet, der blosse Genuss des Brodes und des Weines mache
zum Mitglied der Kirche und sichere die Unsterblichkeit, gleichviel
ob Einer in Verbrechen lebe oder nicht, — eine Vorstellung, gegen
die er häufig und heftig ankämpft.5) Auch angesehene Kirchenlehrer,
z. B. Chrysostomus, hatten damals schon die Behauptung aufgestellt,
durch die geweihte Speise werde der Leib des Geniessenden seinem

1) Nach der Ausgabe des römisch-katholischen Professors Narcissus Liebert.
2) Buch VIII, Kap. 12.
3) Hatch: a. a. O., S. 302. Vergl. auch das oben S. 558 Gesagte.
4) Nach Neander: Kirchengeschichte, 4. Aufl., II, 405.
5) Vergl. z. B. Buch XXI. Kap. 25 des De civitate Dei.
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[638/0117] Der Kampf. Schrift, der im Jahre 1883 aufgefundenen Lehre der zwölf Apostel aus dem ersten christlichen Jahrhundert, ist das mystische Mahl lediglich ein Dankopfer (Eucharistie). Beim Kelch spricht die Gemeinde: »Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock deines Dieners David, den du uns kund gethan hast durch deinen Diener Jesus; dir sei Ehre in Ewigkeit.« Beim Brod spricht sie: »Wir danken dir, Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kund gethan hast durch deinen Diener Jesus; dir sei Ehre in Ewigkeit.« 1) — In den etwas späteren sogenannten Apostolischen Konstitutionen werden das Brod und der Wein als »Gaben zu Ehren Christi« bezeichnet. 2) Von einer Verwandlung der Elemente in Leib und Blut Christi weiss damals kein Mensch etwas. Es ist geradezu charakteristisch für die frühesten Christen, dass sie das zu ihren Zeiten so gebräuchliche Wort »Mysteria« (welches lateinisch durch sacramentum wiedergegeben wurde) vermeiden. Erst im 4. Jahrhundert (d. h. also erst, als das Christentum die offizielle, obligatorische Religion des durch und durch unchristlichen Kaiserreichs geworden war) tritt das Wort auf, zugleich als zweifelloses Symptom eines neuen Begriffes. 3) Doch kämpften die besten Geister unauf- hörlich gegen diese allmähliche Einführung des Materialismus und der Zauberei in die Religion. Origenes z. B. meint, nicht allein sei es lediglich »bildlich« zu verstehen, wenn man vom Leibe Christi bei der Eucharistie spreche, sondern dieses Bild passe »nur für die Einfältigen«; in Wahrheit finde eine »geistige Mitteilung« statt. Darum ist es auch nach Origenes gleichgültig, wer an dem Abendmahle teilnimmt, der Genuss desselben nütze nichts und schade nichts an und für sich, sondern es komme einzig auf die Gesinnung an. 4) — Augustinus hat bereits einen viel schwereren Stand, denn er lebt inmitten einer so roh versinnlichten Welt, dass er in der Kirche die Vorstellung ver- breitet findet, der blosse Genuss des Brodes und des Weines mache zum Mitglied der Kirche und sichere die Unsterblichkeit, gleichviel ob Einer in Verbrechen lebe oder nicht, — eine Vorstellung, gegen die er häufig und heftig ankämpft. 5) Auch angesehene Kirchenlehrer, z. B. Chrysostomus, hatten damals schon die Behauptung aufgestellt, durch die geweihte Speise werde der Leib des Geniessenden seinem 1) Nach der Ausgabe des römisch-katholischen Professors Narcissus Liebert. 2) Buch VIII, Kap. 12. 3) Hatch: a. a. O., S. 302. Vergl. auch das oben S. 558 Gesagte. 4) Nach Neander: Kirchengeschichte, 4. Aufl., II, 405. 5) Vergl. z. B. Buch XXI. Kap. 25 des De civitate Dei.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/117>, abgerufen am 28.11.2024.