katholischen Romanen. Es ist die sittliche Reinheit eines noch un- verdorbenen Volkes gegenüber einer durch und durch faulen Kultur." Tolerant, evangelisch, sittlich rein: so waren die Germanen ehe sie dem Einfluss Roms unterlagen.
Eigentümlich ist es nun, wie später gerade Germanen sich um- garnen und zu Rittern der antigermanischen Mächte machen Hessen; ich fürchte, es ist dies ebenfalls ein echt germanischer Zug, denn alles Lebende trägt in sich den Keim zu seinem eigenen Verderben und Tod. Zwar dachte Karl der Grosse nicht im Traume daran, dem römischen Bischof zu dienen, im Gegenteil, auch dessen Gewalt wollte er der seinen dienstbar machen; er behandelt den Papst, wie ein Herr seinen Unterthanen,1) er wird von seinen Zeitgenossen ein "Reformator" der Kirche genannt und setzt sogar in dogmatischen Dingen, wie in der Verehrung der Bilder, die er als echter Germane unbedingt verwarf, seinen Willen gegen den Roms durch. Doch ver- hindert das Alles nicht, dass gerade er das Papsttum aufrichtete, indem er ihm Macht und Ansehen verlieh und indem er jene Konfusion zwischen deutschem Königtum und römischem Christentum sanktionierte, von der bisher keine Rede gewesen war und die von nun an wie ein Alp auf Deutschland lastete. Man denke sich doch die Entwickelung der Dinge, wenn auch die Franken Arianer geworden wären, oder wenn sie als Katholiken sich früh, etwa unter Karl dem Grossen, von Rom losgesagt und national organisierte Kirchen gegründet hätten wie die meisten Slaven! Als die Päpste sich an Karl's Vorgänger, Karl Martell und Pipin flehentlich um Hilfe wandten, war die Stellung Roms als Weltmacht verloren; die resolute Zurückweisung seiner Prätentionen hätte sie für alle Zeiten vernichtet. Ja, wenn nur Karl's Versuche geglückt wären, sich die Kaiserkrone nicht von den Römern, sondern von Byzanz aus verleihen zu lassen, so wäre die kirchliche Unabhängigkeit der Germanen nie ernstlich gefährdet worden. Karl's gesamte Lebensthätigkeit bezeugt eine so eminent deutsch-nationale Gesinnung in allen ihren Bestrebungen, dass man, allem Schein und auch manchen entgegengesetzten Folgen zum Trotz, die Germanisierung als sein Ziel erkennen muss, und nicht allein als sein Ziel, sondern auch als sein Werk; denn er ist der Gründer Deutschlands, derjenige,
1) Dass der Papst auch thatsächlich der Unterthan des Kaisers war, steht juristisch und staatsrechtlich fest, so dass die leidenschaftlichen Dissertationen für und wider zwecklos sind. (Siehe Savigny: Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, I. Kap. 5.)
Die Erben.
katholischen Romanen. Es ist die sittliche Reinheit eines noch un- verdorbenen Volkes gegenüber einer durch und durch faulen Kultur.« Tolerant, evangelisch, sittlich rein: so waren die Germanen ehe sie dem Einfluss Roms unterlagen.
Eigentümlich ist es nun, wie später gerade Germanen sich um- garnen und zu Rittern der antigermanischen Mächte machen Hessen; ich fürchte, es ist dies ebenfalls ein echt germanischer Zug, denn alles Lebende trägt in sich den Keim zu seinem eigenen Verderben und Tod. Zwar dachte Karl der Grosse nicht im Traume daran, dem römischen Bischof zu dienen, im Gegenteil, auch dessen Gewalt wollte er der seinen dienstbar machen; er behandelt den Papst, wie ein Herr seinen Unterthanen,1) er wird von seinen Zeitgenossen ein »Reformator« der Kirche genannt und setzt sogar in dogmatischen Dingen, wie in der Verehrung der Bilder, die er als echter Germane unbedingt verwarf, seinen Willen gegen den Roms durch. Doch ver- hindert das Alles nicht, dass gerade er das Papsttum aufrichtete, indem er ihm Macht und Ansehen verlieh und indem er jene Konfusion zwischen deutschem Königtum und römischem Christentum sanktionierte, von der bisher keine Rede gewesen war und die von nun an wie ein Alp auf Deutschland lastete. Man denke sich doch die Entwickelung der Dinge, wenn auch die Franken Arianer geworden wären, oder wenn sie als Katholiken sich früh, etwa unter Karl dem Grossen, von Rom losgesagt und national organisierte Kirchen gegründet hätten wie die meisten Slaven! Als die Päpste sich an Karl’s Vorgänger, Karl Martell und Pipin flehentlich um Hilfe wandten, war die Stellung Roms als Weltmacht verloren; die resolute Zurückweisung seiner Prätentionen hätte sie für alle Zeiten vernichtet. Ja, wenn nur Karl’s Versuche geglückt wären, sich die Kaiserkrone nicht von den Römern, sondern von Byzanz aus verleihen zu lassen, so wäre die kirchliche Unabhängigkeit der Germanen nie ernstlich gefährdet worden. Karl’s gesamte Lebensthätigkeit bezeugt eine so eminent deutsch-nationale Gesinnung in allen ihren Bestrebungen, dass man, allem Schein und auch manchen entgegengesetzten Folgen zum Trotz, die Germanisierung als sein Ziel erkennen muss, und nicht allein als sein Ziel, sondern auch als sein Werk; denn er ist der Gründer Deutschlands, derjenige,
1) Dass der Papst auch thatsächlich der Unterthan des Kaisers war, steht juristisch und staatsrechtlich fest, so dass die leidenschaftlichen Dissertationen für und wider zwecklos sind. (Siehe Savigny: Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, I. Kap. 5.)
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Die Erben.
katholischen Romanen. Es ist die sittliche Reinheit eines noch un-
verdorbenen Volkes gegenüber einer durch und durch faulen Kultur.«
Tolerant, evangelisch, sittlich rein: so waren die Germanen ehe sie
dem Einfluss Roms unterlagen.
Eigentümlich ist es nun, wie später gerade Germanen sich um-
garnen und zu Rittern der antigermanischen Mächte machen Hessen;
ich fürchte, es ist dies ebenfalls ein echt germanischer Zug, denn
alles Lebende trägt in sich den Keim zu seinem eigenen Verderben
und Tod. Zwar dachte Karl der Grosse nicht im Traume daran,
dem römischen Bischof zu dienen, im Gegenteil, auch dessen Gewalt
wollte er der seinen dienstbar machen; er behandelt den Papst, wie
ein Herr seinen Unterthanen, 1) er wird von seinen Zeitgenossen ein
»Reformator« der Kirche genannt und setzt sogar in dogmatischen
Dingen, wie in der Verehrung der Bilder, die er als echter Germane
unbedingt verwarf, seinen Willen gegen den Roms durch. Doch ver-
hindert das Alles nicht, dass gerade er das Papsttum aufrichtete, indem er
ihm Macht und Ansehen verlieh und indem er jene Konfusion zwischen
deutschem Königtum und römischem Christentum sanktionierte, von
der bisher keine Rede gewesen war und die von nun an wie ein
Alp auf Deutschland lastete. Man denke sich doch die Entwickelung
der Dinge, wenn auch die Franken Arianer geworden wären, oder
wenn sie als Katholiken sich früh, etwa unter Karl dem Grossen, von
Rom losgesagt und national organisierte Kirchen gegründet hätten
wie die meisten Slaven! Als die Päpste sich an Karl’s Vorgänger,
Karl Martell und Pipin flehentlich um Hilfe wandten, war die Stellung
Roms als Weltmacht verloren; die resolute Zurückweisung seiner
Prätentionen hätte sie für alle Zeiten vernichtet. Ja, wenn nur Karl’s
Versuche geglückt wären, sich die Kaiserkrone nicht von den Römern,
sondern von Byzanz aus verleihen zu lassen, so wäre die kirchliche
Unabhängigkeit der Germanen nie ernstlich gefährdet worden. Karl’s
gesamte Lebensthätigkeit bezeugt eine so eminent deutsch-nationale
Gesinnung in allen ihren Bestrebungen, dass man, allem Schein und
auch manchen entgegengesetzten Folgen zum Trotz, die Germanisierung
als sein Ziel erkennen muss, und nicht allein als sein Ziel, sondern
auch als sein Werk; denn er ist der Gründer Deutschlands, derjenige,
1) Dass der Papst auch thatsächlich der Unterthan des Kaisers war, steht
juristisch und staatsrechtlich fest, so dass die leidenschaftlichen Dissertationen für
und wider zwecklos sind. (Siehe Savigny: Geschichte des römischen Rechtes im
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/537>, abgerufen am 24.11.2024.
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