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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
von Priestern sein" (Exodus XIX, 6).1) Den Juden wurde nunmehr
die Weltherrschaft und der Besitz aller Schätze der Welt versprochen,
namentlich alles Goldes und alles Silbers.2) "Dein Volk wird das
Erdreich ewiglich besitzen" (Jesaia LX, 21): das ist nunmehr die
Zukunft, welche dem Juden vorgespiegelt wird. In Demut soll er
sich vor Gott beugen, nicht aber in jener inneren Demut, von der
Christus spricht, sondern er beugt das Haupt vor Jahve, weil ihm
verheissen wird, durch die Erfüllung dieser Bedingung werde er allen
Völkern der Welt den Fuss auf den Nacken setzen, Herr und Be-
sitzer der ganzen Erde werden.3) Diese eine Grundlage jüdischer
Religion involviert also ein direktes verbrecherisches Attentat auf alle
Völker der Erde, und zwar kann das Verbrechen nicht darum in
Abrede gestellt werden, weil die Macht zur Ausführung bisher fehlte,
denn die Hoffnung selbst ist es, die verbrecherisch ist und die das
Herz des Juden vergiftet.4) -- Zu den missverstandenen und ab-
sichtlich gefälschten Propheten kamen auch andere Zukunftsträume,
um die es aber nicht besser bestellt war. Von den Persern hatten
die Juden während ihrer Gefangenschaft zum ersten Mal über die
Unsterblichkeit und über ein künftiges Leben dunkle Kunde ver-

1) Dass die Stelle XIX, 3--9 ein freier Zusatz aus post-deuteronomischer
Zeit ist, zeigt Wellhausen: Composition des Hexateuchs, S. 93, und vergl. 97.
2) Jesaia: das ganze sechzigste Kapitel. Siehe auch den nachexilischen Pro-
pheten Haggai, der den Juden "aller Heiden Schätze" verheisst: "denn mein is
beides, Silber und Gold, spricht der Herr Zebaoth" (II, 8, 9).
3) Die Absurdität des Gedankens, diese Religion sei der Stamm des
Christentums, das Christentum dessen Blüte, muss doch dem befangensten Menschen
in die Augen springen.
4) Die jüdischen Apologeten werfen ein, sie gehorchen dem Gesetz, nicht
"weil" sie dadurch zur Herrschaft gelangen sollen, sondern weil Jahve es befiehlt;
dass Jahve den Juden als dem heiligen Volk die Welt schenke, geschehe zu seinem
eigenen, nicht zu ihrem Ruhm. Doch dünkt mich das pure Kasuistik, die eine
Erwiderung nicht verdient. Ein unverdächtiger Autor, Montefiore, sagt buchstäblich:
Ohne Frage bildet das Argument -- ,Gehorche dem Gesetz, denn es wird sich
auszahlen' -- das zu Grunde liegende Hauptmotiv im Deuteronomium" (a. a. O.,
p. 531). Dass unzählige Juden fromme Menschen sind, die das Gesetz erfüllen, und
ein reines edles Leben führen, ohne an Lohn zu denken, beweist nur, dass hier
wie anderwärts Moral und Religion nicht zusammengehören, und dass es auf der
ganzen Welt Menschen giebt, die unendlich viel besser als ihr Glaube sind. Noch
heute aber schreiben selbst ziemlich freisinnige Juden: "Die Existenz des Juden-
tums ist von der Festhaltung der Messiashoffnung bedingt" -- die bestimmte Er-
wartung der Weltherrschaft bildet also noch immer die Seele des Judentums
(vergl. oben S. 328).

Die Erben.
von Priestern sein« (Exodus XIX, 6).1) Den Juden wurde nunmehr
die Weltherrschaft und der Besitz aller Schätze der Welt versprochen,
namentlich alles Goldes und alles Silbers.2) »Dein Volk wird das
Erdreich ewiglich besitzen« (Jesaia LX, 21): das ist nunmehr die
Zukunft, welche dem Juden vorgespiegelt wird. In Demut soll er
sich vor Gott beugen, nicht aber in jener inneren Demut, von der
Christus spricht, sondern er beugt das Haupt vor Jahve, weil ihm
verheissen wird, durch die Erfüllung dieser Bedingung werde er allen
Völkern der Welt den Fuss auf den Nacken setzen, Herr und Be-
sitzer der ganzen Erde werden.3) Diese eine Grundlage jüdischer
Religion involviert also ein direktes verbrecherisches Attentat auf alle
Völker der Erde, und zwar kann das Verbrechen nicht darum in
Abrede gestellt werden, weil die Macht zur Ausführung bisher fehlte,
denn die Hoffnung selbst ist es, die verbrecherisch ist und die das
Herz des Juden vergiftet.4) — Zu den missverstandenen und ab-
sichtlich gefälschten Propheten kamen auch andere Zukunftsträume,
um die es aber nicht besser bestellt war. Von den Persern hatten
die Juden während ihrer Gefangenschaft zum ersten Mal über die
Unsterblichkeit und über ein künftiges Leben dunkle Kunde ver-

1) Dass die Stelle XIX, 3—9 ein freier Zusatz aus post-deuteronomischer
Zeit ist, zeigt Wellhausen: Composition des Hexateuchs, S. 93, und vergl. 97.
2) Jesaia: das ganze sechzigste Kapitel. Siehe auch den nachexilischen Pro-
pheten Haggai, der den Juden »aller Heiden Schätze« verheisst: »denn mein is
beides, Silber und Gold, spricht der Herr Zebaoth« (II, 8, 9).
3) Die Absurdität des Gedankens, diese Religion sei der Stamm des
Christentums, das Christentum dessen Blüte, muss doch dem befangensten Menschen
in die Augen springen.
4) Die jüdischen Apologeten werfen ein, sie gehorchen dem Gesetz, nicht
»weil« sie dadurch zur Herrschaft gelangen sollen, sondern weil Jahve es befiehlt;
dass Jahve den Juden als dem heiligen Volk die Welt schenke, geschehe zu seinem
eigenen, nicht zu ihrem Ruhm. Doch dünkt mich das pure Kasuistik, die eine
Erwiderung nicht verdient. Ein unverdächtiger Autor, Montefiore, sagt buchstäblich:
Ohne Frage bildet das Argument — ‚Gehorche dem Gesetz, denn es wird sich
auszahlen‘ — das zu Grunde liegende Hauptmotiv im Deuteronomium« (a. a. O.,
p. 531). Dass unzählige Juden fromme Menschen sind, die das Gesetz erfüllen, und
ein reines edles Leben führen, ohne an Lohn zu denken, beweist nur, dass hier
wie anderwärts Moral und Religion nicht zusammengehören, und dass es auf der
ganzen Welt Menschen giebt, die unendlich viel besser als ihr Glaube sind. Noch
heute aber schreiben selbst ziemlich freisinnige Juden: »Die Existenz des Juden-
tums ist von der Festhaltung der Messiashoffnung bedingt« — die bestimmte Er-
wartung der Weltherrschaft bildet also noch immer die Seele des Judentums
(vergl. oben S. 328).
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[448/0471] Die Erben. von Priestern sein« (Exodus XIX, 6). 1) Den Juden wurde nunmehr die Weltherrschaft und der Besitz aller Schätze der Welt versprochen, namentlich alles Goldes und alles Silbers. 2) »Dein Volk wird das Erdreich ewiglich besitzen« (Jesaia LX, 21): das ist nunmehr die Zukunft, welche dem Juden vorgespiegelt wird. In Demut soll er sich vor Gott beugen, nicht aber in jener inneren Demut, von der Christus spricht, sondern er beugt das Haupt vor Jahve, weil ihm verheissen wird, durch die Erfüllung dieser Bedingung werde er allen Völkern der Welt den Fuss auf den Nacken setzen, Herr und Be- sitzer der ganzen Erde werden. 3) Diese eine Grundlage jüdischer Religion involviert also ein direktes verbrecherisches Attentat auf alle Völker der Erde, und zwar kann das Verbrechen nicht darum in Abrede gestellt werden, weil die Macht zur Ausführung bisher fehlte, denn die Hoffnung selbst ist es, die verbrecherisch ist und die das Herz des Juden vergiftet. 4) — Zu den missverstandenen und ab- sichtlich gefälschten Propheten kamen auch andere Zukunftsträume, um die es aber nicht besser bestellt war. Von den Persern hatten die Juden während ihrer Gefangenschaft zum ersten Mal über die Unsterblichkeit und über ein künftiges Leben dunkle Kunde ver- 1) Dass die Stelle XIX, 3—9 ein freier Zusatz aus post-deuteronomischer Zeit ist, zeigt Wellhausen: Composition des Hexateuchs, S. 93, und vergl. 97. 2) Jesaia: das ganze sechzigste Kapitel. Siehe auch den nachexilischen Pro- pheten Haggai, der den Juden »aller Heiden Schätze« verheisst: »denn mein is beides, Silber und Gold, spricht der Herr Zebaoth« (II, 8, 9). 3) Die Absurdität des Gedankens, diese Religion sei der Stamm des Christentums, das Christentum dessen Blüte, muss doch dem befangensten Menschen in die Augen springen. 4) Die jüdischen Apologeten werfen ein, sie gehorchen dem Gesetz, nicht »weil« sie dadurch zur Herrschaft gelangen sollen, sondern weil Jahve es befiehlt; dass Jahve den Juden als dem heiligen Volk die Welt schenke, geschehe zu seinem eigenen, nicht zu ihrem Ruhm. Doch dünkt mich das pure Kasuistik, die eine Erwiderung nicht verdient. Ein unverdächtiger Autor, Montefiore, sagt buchstäblich: Ohne Frage bildet das Argument — ‚Gehorche dem Gesetz, denn es wird sich auszahlen‘ — das zu Grunde liegende Hauptmotiv im Deuteronomium« (a. a. O., p. 531). Dass unzählige Juden fromme Menschen sind, die das Gesetz erfüllen, und ein reines edles Leben führen, ohne an Lohn zu denken, beweist nur, dass hier wie anderwärts Moral und Religion nicht zusammengehören, und dass es auf der ganzen Welt Menschen giebt, die unendlich viel besser als ihr Glaube sind. Noch heute aber schreiben selbst ziemlich freisinnige Juden: »Die Existenz des Juden- tums ist von der Festhaltung der Messiashoffnung bedingt« — die bestimmte Er- wartung der Weltherrschaft bildet also noch immer die Seele des Judentums (vergl. oben S. 328).

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/471>, abgerufen am 12.09.2024.