Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. die mythisch-symbolische Vorstellung eines mit Phantasie begabtenVolkes (vermutlich der Sumero-Akkadier), doch, wie Renan uns soeben belehrte, der Mythus wird unter den Händen der Semiten zu historischer Chronik.1) Von all den tiefen Ideen, welche sinnende und sinnige Gemüter in diese Erzählung hineingeheimnisst hatten, merkten die Semiten gar nichts, so rein gar nichts, dass die Juden z. B. die Vorstellung eines bösen Geistes, dem guten entgegengesetzt, erst während der babylonischen Gefangenschaft durch Zoroaster kennen lernten, bis dahin hatten sie in der Schlange ihrer Bibel eben lediglich eine Schlange erblickt!2) Was sage ich, sie hätten keine Vorstellung eines bösen Prinzips gehabt? Trotz ihres Buches der Genesis, Kap. 1 und 2, war den Israeliten auch die Idee eines Gottes, Schöpfers des Himmels und der Erde, bis zum babylonischen Exil gänzlich un- bekannt! Der Gedanke taucht zum ersten Mal im sogenannten Deutero-Jesaia auf. (Siehe Kap. XL bis LVI des Buches Jesaia.) Dem wirklichen Jesaia, sowie Jeremia, war die Vorstellung noch fremd.3) Die in der Genesis enthaltenen phantastisch-wissenschaftlichen Ideen über die Entstehung der organischen Welt, der tiefsinnige Mythus des 1) Von der hervorragenden Phantasie der Sumero-Akkadier zeugen ihre wissenschaftlichen Leistungen, ausserdem soll aber ihre Sprache auf eine ganz besondere Neigung zur Abstraktion schliessen lassen, denn sie ist reicher an abstrakten Begriffen als an nomina concreta (siehe Delitzsch: Die Entstehung des ältesten Schriftsystems 1898, S. 118). Ein direkterer Gegensatz zur semitischen An- lage ist undenkbar; man stellt sich leicht vor, welche Verballhornung die sumerischen Theorien der Schöpfung unter israelitischen Händen mögen erlitten haben. 2) Vergl. Montefiore a. a. O., S. 453. Wie tief im Organismus der Semiten diese Unfähigkeit begründet liegt, ersehen wir daraus, dass ein Mann wie James Darmesteter, einer der am meisten genannten Orientalisten unseres Jahrhunderts, ein Mann von universeller Gelehrsamkeit, im Jahre des Heiles 1882 schreiben konnte: "Die biblische Kosmogonie, aus fremder Quelle hastig entlehnt, sowie alle ihre Er- zählungen von Äpfeln und Schlangen, über welche die Geschlechter der Christen schlaflose Nächte verbrachten, haben unseren israelitischen Doktoren niemals die geringste Qual verursacht, noch ihr Denken beschäftigt". Ein tieferes Verständnis hat seine Gelehrsamkeit diesem durchaus freidenkerischen Juden -- "einem ehr- lichen Juden", wie Shakespeare gesagt hätte -- nicht geben können; und so dürfen wir wohl lächeln, wenn er uns, nachdem er die Äpfel abgethan hat, belehrt, das Kreuz sei schon "verfault" und das Christentum eine "abortierte" Religion. Doch die gähnende Kluft (S. 330) reisst sich tief auf vor unseren Augen bei dem Anblick so bodenlosen Unverstandes! (siehe Coup d'oeil sur l'histoire du peuple juif, p. 19 suiv). 3) Selbst der jüdische Gelehrte Montefiore giebt das ausdrücklich zu: Religion
of the ancient Hebrews, p. 269. Für Näheres siehe weiter unten, S. 403. Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. die mythisch-symbolische Vorstellung eines mit Phantasie begabtenVolkes (vermutlich der Sumero-Akkadier), doch, wie Renan uns soeben belehrte, der Mythus wird unter den Händen der Semiten zu historischer Chronik.1) Von all den tiefen Ideen, welche sinnende und sinnige Gemüter in diese Erzählung hineingeheimnisst hatten, merkten die Semiten gar nichts, so rein gar nichts, dass die Juden z. B. die Vorstellung eines bösen Geistes, dem guten entgegengesetzt, erst während der babylonischen Gefangenschaft durch Zoroaster kennen lernten, bis dahin hatten sie in der Schlange ihrer Bibel eben lediglich eine Schlange erblickt!2) Was sage ich, sie hätten keine Vorstellung eines bösen Prinzips gehabt? Trotz ihres Buches der Genesis, Kap. 1 und 2, war den Israeliten auch die Idee eines Gottes, Schöpfers des Himmels und der Erde, bis zum babylonischen Exil gänzlich un- bekannt! Der Gedanke taucht zum ersten Mal im sogenannten Deutero-Jesaia auf. (Siehe Kap. XL bis LVI des Buches Jesaia.) Dem wirklichen Jesaia, sowie Jeremia, war die Vorstellung noch fremd.3) Die in der Genesis enthaltenen phantastisch-wissenschaftlichen Ideen über die Entstehung der organischen Welt, der tiefsinnige Mythus des 1) Von der hervorragenden Phantasie der Sumero-Akkadier zeugen ihre wissenschaftlichen Leistungen, ausserdem soll aber ihre Sprache auf eine ganz besondere Neigung zur Abstraktion schliessen lassen, denn sie ist reicher an abstrakten Begriffen als an nomina concreta (siehe Delitzsch: Die Entstehung des ältesten Schriftsystems 1898, S. 118). Ein direkterer Gegensatz zur semitischen An- lage ist undenkbar; man stellt sich leicht vor, welche Verballhornung die sumerischen Theorien der Schöpfung unter israelitischen Händen mögen erlitten haben. 2) Vergl. Montefiore a. a. O., S. 453. Wie tief im Organismus der Semiten diese Unfähigkeit begründet liegt, ersehen wir daraus, dass ein Mann wie James Darmesteter, einer der am meisten genannten Orientalisten unseres Jahrhunderts, ein Mann von universeller Gelehrsamkeit, im Jahre des Heiles 1882 schreiben konnte: »Die biblische Kosmogonie, aus fremder Quelle hastig entlehnt, sowie alle ihre Er- zählungen von Äpfeln und Schlangen, über welche die Geschlechter der Christen schlaflose Nächte verbrachten, haben unseren israelitischen Doktoren niemals die geringste Qual verursacht, noch ihr Denken beschäftigt«. Ein tieferes Verständnis hat seine Gelehrsamkeit diesem durchaus freidenkerischen Juden — »einem ehr- lichen Juden«, wie Shakespeare gesagt hätte — nicht geben können; und so dürfen wir wohl lächeln, wenn er uns, nachdem er die Äpfel abgethan hat, belehrt, das Kreuz sei schon »verfault« und das Christentum eine »abortierte« Religion. Doch die gähnende Kluft (S. 330) reisst sich tief auf vor unseren Augen bei dem Anblick so bodenlosen Unverstandes! (siehe Coup d’oeil sur l’histoire du peuple juif, p. 19 suiv). 3) Selbst der jüdische Gelehrte Montefiore giebt das ausdrücklich zu: Religion
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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
die mythisch-symbolische Vorstellung eines mit Phantasie begabten
Volkes (vermutlich der Sumero-Akkadier), doch, wie Renan uns
soeben belehrte, der Mythus wird unter den Händen der Semiten zu
historischer Chronik. 1) Von all den tiefen Ideen, welche sinnende
und sinnige Gemüter in diese Erzählung hineingeheimnisst hatten,
merkten die Semiten gar nichts, so rein gar nichts, dass die Juden
z. B. die Vorstellung eines bösen Geistes, dem guten entgegengesetzt,
erst während der babylonischen Gefangenschaft durch Zoroaster kennen
lernten, bis dahin hatten sie in der Schlange ihrer Bibel eben lediglich
eine Schlange erblickt! 2) Was sage ich, sie hätten keine Vorstellung
eines bösen Prinzips gehabt? Trotz ihres Buches der Genesis, Kap. 1
und 2, war den Israeliten auch die Idee eines Gottes, Schöpfers des
Himmels und der Erde, bis zum babylonischen Exil gänzlich un-
bekannt! Der Gedanke taucht zum ersten Mal im sogenannten
Deutero-Jesaia auf. (Siehe Kap. XL bis LVI des Buches Jesaia.) Dem
wirklichen Jesaia, sowie Jeremia, war die Vorstellung noch fremd. 3)
Die in der Genesis enthaltenen phantastisch-wissenschaftlichen Ideen
über die Entstehung der organischen Welt, der tiefsinnige Mythus des
1) Von der hervorragenden Phantasie der Sumero-Akkadier zeugen ihre
wissenschaftlichen Leistungen, ausserdem soll aber ihre Sprache auf eine ganz
besondere Neigung zur Abstraktion schliessen lassen, denn sie ist reicher an
abstrakten Begriffen als an nomina concreta (siehe Delitzsch: Die Entstehung des
ältesten Schriftsystems 1898, S. 118). Ein direkterer Gegensatz zur semitischen An-
lage ist undenkbar; man stellt sich leicht vor, welche Verballhornung die sumerischen
Theorien der Schöpfung unter israelitischen Händen mögen erlitten haben.
2) Vergl. Montefiore a. a. O., S. 453. Wie tief im Organismus der Semiten diese
Unfähigkeit begründet liegt, ersehen wir daraus, dass ein Mann wie James Darmesteter,
einer der am meisten genannten Orientalisten unseres Jahrhunderts, ein Mann von
universeller Gelehrsamkeit, im Jahre des Heiles 1882 schreiben konnte: »Die
biblische Kosmogonie, aus fremder Quelle hastig entlehnt, sowie alle ihre Er-
zählungen von Äpfeln und Schlangen, über welche die Geschlechter der Christen
schlaflose Nächte verbrachten, haben unseren israelitischen Doktoren niemals die
geringste Qual verursacht, noch ihr Denken beschäftigt«. Ein tieferes Verständnis
hat seine Gelehrsamkeit diesem durchaus freidenkerischen Juden — »einem ehr-
lichen Juden«, wie Shakespeare gesagt hätte — nicht geben können; und so
dürfen wir wohl lächeln, wenn er uns, nachdem er die Äpfel abgethan hat, belehrt,
das Kreuz sei schon »verfault« und das Christentum eine »abortierte« Religion.
Doch die gähnende Kluft (S. 330) reisst sich tief auf vor unseren Augen bei dem
Anblick so bodenlosen Unverstandes! (siehe Coup d’oeil sur l’histoire du peuple juif,
p. 19 suiv).
3) Selbst der jüdische Gelehrte Montefiore giebt das ausdrücklich zu: Religion
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