Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Erben.
Schädelkenner war. Trotzdem seine Beurteilung des Semiten aus den
vierziger Jahren datiert, wo man die Halbsemiten von dem echten
Stamm noch nicht deutlich zu unterscheiden gelernt hatte, greift seine
Charakteristik Momente heraus, welche den intellektuellen Kern der
semitischen Persönlichkeit blosslegen. Er schreibt: "Die Anschauungs-
weise des Semiten ist subjektiv und egoistisch. Seine Poesie ist lyrisch,
daher subjektiv, es spricht das Gemüt seine Freude und seinen Schmerz,
seine Liebe und seinen Hass, seine Bewunderung und seine Verach-
tung aus; -- -- -- das Epos, bei dem das Ich des Dichters vor dem
Gegenstande zurücktritt, gelingt ihm nicht, noch weniger das Drama,
welches eine noch vollständigere Abstreifung der eigenen Persönlich-
keit bei dem Dichter erfordert.1) Auch die Philosophie gehört den
Semiten nicht; sie haben sich, und zwar nur die Araber, bei den
Philosophen der Indogermanen eingemietet. Ihre Anschauungen und
Vorstellungen beherrschen ihren Geist zu sehr, als dass sie sich zum
Festhalten des reinen Gedankens richtig erheben und das Allgemeinere
und Notwendige von ihrer eigenen Individualität und deren Zufällig-
keiten trennen könnten.2) In seiner Religion ist der Semit selbst-
süchtig und ausschliessend; Jehovah ist nur der Gott der Hebräer, die

1) Also doch Individualismus? Gewiss, doch in einem ganz anderen Sinne
als beim Indogermanen. Beim Semiten steht, wie man diesen Ausführungen
Lassen's entnimmt, das Individuum sich selbst gewissermassen im Wege, daher
sind seine wirklichen Leistungen nur kollektive, im Gegensatz zum Griechen zum
Beispiel und zum Germanen, bei denen jedes Werk den Stempel einer bestimmten
Persönlichkeit, eines Individuums trägt. Genau dieselbe Anschauung wie Lassen
hegt auch Fr. von Schack: "Die ganze schaffende Thätigkeit der Araber trägt
einen subjektiven Charakter. Überall sprechen sie vorzugsweise ihr Seelenleben
aus, ziehen die Dinge der Aussenwelt in dasselbe hinein und zeigen wenig Neigung,
der Wirklichkeit fest ins Auge zu sehen, um die Natur in scharfen und bestimmten
Umrissen darzustellen, oder sich in die Individualität Anderer zu vertiefen und
Menschen oder Lebensverhältnisse gegenständlich zu schildern. Hiernach mussten
diejenigen Formen der Poesie, welche ein Heraustreten aus sich selbst und ge-
staltende Kraft
verlangen, ihnen am fernsten liegen" (Poesie und Kunst der
Araber
I, 99).
2) Über Wissenschaft speziell schreibt Grau in seinem bekannten philo-
semitischen Werke: Semiten und Indogermanen (2. Aufl., S. 33): "Die Hebräer, wie
alle Semiten, sind viel zu subjektiv, als dass der reine Wissenstrieb eine Macht
in ihnen werden könnte. Die Naturwissenschaft in dem objektiven Sinne, den
sie bei den Indogermanen hat, mit welchem gegeben ist, dass die Natur nach
ihrem eigenen Sinn und Wesen zur Geltung komme, der Mensch aber lediglich
ihr Dolmetscher sei, kennen die Hebräer nicht". S. 50 schreibt Grau: "den Semiten
liegt alles Objektive fern".

Die Erben.
Schädelkenner war. Trotzdem seine Beurteilung des Semiten aus den
vierziger Jahren datiert, wo man die Halbsemiten von dem echten
Stamm noch nicht deutlich zu unterscheiden gelernt hatte, greift seine
Charakteristik Momente heraus, welche den intellektuellen Kern der
semitischen Persönlichkeit blosslegen. Er schreibt: »Die Anschauungs-
weise des Semiten ist subjektiv und egoistisch. Seine Poesie ist lyrisch,
daher subjektiv, es spricht das Gemüt seine Freude und seinen Schmerz,
seine Liebe und seinen Hass, seine Bewunderung und seine Verach-
tung aus; — — — das Epos, bei dem das Ich des Dichters vor dem
Gegenstande zurücktritt, gelingt ihm nicht, noch weniger das Drama,
welches eine noch vollständigere Abstreifung der eigenen Persönlich-
keit bei dem Dichter erfordert.1) Auch die Philosophie gehört den
Semiten nicht; sie haben sich, und zwar nur die Araber, bei den
Philosophen der Indogermanen eingemietet. Ihre Anschauungen und
Vorstellungen beherrschen ihren Geist zu sehr, als dass sie sich zum
Festhalten des reinen Gedankens richtig erheben und das Allgemeinere
und Notwendige von ihrer eigenen Individualität und deren Zufällig-
keiten trennen könnten.2) In seiner Religion ist der Semit selbst-
süchtig und ausschliessend; Jehovah ist nur der Gott der Hebräer, die

1) Also doch Individualismus? Gewiss, doch in einem ganz anderen Sinne
als beim Indogermanen. Beim Semiten steht, wie man diesen Ausführungen
Lassen’s entnimmt, das Individuum sich selbst gewissermassen im Wege, daher
sind seine wirklichen Leistungen nur kollektive, im Gegensatz zum Griechen zum
Beispiel und zum Germanen, bei denen jedes Werk den Stempel einer bestimmten
Persönlichkeit, eines Individuums trägt. Genau dieselbe Anschauung wie Lassen
hegt auch Fr. von Schack: »Die ganze schaffende Thätigkeit der Araber trägt
einen subjektiven Charakter. Überall sprechen sie vorzugsweise ihr Seelenleben
aus, ziehen die Dinge der Aussenwelt in dasselbe hinein und zeigen wenig Neigung,
der Wirklichkeit fest ins Auge zu sehen, um die Natur in scharfen und bestimmten
Umrissen darzustellen, oder sich in die Individualität Anderer zu vertiefen und
Menschen oder Lebensverhältnisse gegenständlich zu schildern. Hiernach mussten
diejenigen Formen der Poesie, welche ein Heraustreten aus sich selbst und ge-
staltende Kraft
verlangen, ihnen am fernsten liegen« (Poesie und Kunst der
Araber
I, 99).
2) Über Wissenschaft speziell schreibt Grau in seinem bekannten philo-
semitischen Werke: Semiten und Indogermanen (2. Aufl., S. 33): »Die Hebräer, wie
alle Semiten, sind viel zu subjektiv, als dass der reine Wissenstrieb eine Macht
in ihnen werden könnte. Die Naturwissenschaft in dem objektiven Sinne, den
sie bei den Indogermanen hat, mit welchem gegeben ist, dass die Natur nach
ihrem eigenen Sinn und Wesen zur Geltung komme, der Mensch aber lediglich
ihr Dolmetscher sei, kennen die Hebräer nicht«. S. 50 schreibt Grau: »den Semiten
liegt alles Objektive fern«.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0407" n="384"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/>
Schädelkenner war. Trotzdem seine Beurteilung des Semiten aus den<lb/>
vierziger Jahren datiert, wo man die Halbsemiten von dem echten<lb/>
Stamm noch nicht deutlich zu unterscheiden gelernt hatte, greift seine<lb/>
Charakteristik Momente heraus, welche den intellektuellen Kern der<lb/>
semitischen Persönlichkeit blosslegen. Er schreibt: »Die Anschauungs-<lb/>
weise des Semiten ist subjektiv und egoistisch. Seine Poesie ist lyrisch,<lb/>
daher subjektiv, es spricht das Gemüt seine Freude und seinen Schmerz,<lb/>
seine Liebe und seinen Hass, seine Bewunderung und seine Verach-<lb/>
tung aus; &#x2014; &#x2014; &#x2014; das Epos, bei dem das Ich des Dichters vor dem<lb/>
Gegenstande zurücktritt, gelingt ihm nicht, noch weniger das Drama,<lb/>
welches eine noch vollständigere Abstreifung der eigenen Persönlich-<lb/>
keit bei dem Dichter erfordert.<note place="foot" n="1)">Also doch Individualismus? Gewiss, doch in einem ganz anderen Sinne<lb/>
als beim Indogermanen. Beim Semiten steht, wie man diesen Ausführungen<lb/>
Lassen&#x2019;s entnimmt, das Individuum sich selbst gewissermassen im Wege, daher<lb/>
sind seine wirklichen Leistungen nur kollektive, im Gegensatz zum Griechen zum<lb/>
Beispiel und zum Germanen, bei denen jedes Werk den Stempel einer bestimmten<lb/>
Persönlichkeit, eines Individuums trägt. Genau dieselbe Anschauung wie Lassen<lb/>
hegt auch Fr. von Schack: »Die ganze schaffende Thätigkeit der Araber trägt<lb/>
einen subjektiven Charakter. Überall sprechen sie vorzugsweise <hi rendition="#g">ihr</hi> Seelenleben<lb/>
aus, ziehen die Dinge der Aussenwelt in dasselbe hinein und zeigen wenig Neigung,<lb/>
der Wirklichkeit fest ins Auge zu sehen, um die Natur in scharfen und bestimmten<lb/>
Umrissen darzustellen, oder sich in die Individualität Anderer zu vertiefen und<lb/>
Menschen oder Lebensverhältnisse gegenständlich zu schildern. Hiernach mussten<lb/>
diejenigen Formen der Poesie, welche ein Heraustreten aus sich selbst und <hi rendition="#g">ge-<lb/>
staltende Kraft</hi> verlangen, ihnen am fernsten liegen« (<hi rendition="#i">Poesie und Kunst der<lb/>
Araber</hi> I, 99).</note> Auch die Philosophie gehört den<lb/>
Semiten nicht; sie haben sich, und zwar nur die Araber, bei den<lb/>
Philosophen der Indogermanen eingemietet. Ihre Anschauungen und<lb/>
Vorstellungen beherrschen ihren Geist zu sehr, als dass sie sich zum<lb/>
Festhalten des reinen Gedankens richtig erheben und das Allgemeinere<lb/>
und Notwendige von ihrer eigenen Individualität und deren Zufällig-<lb/>
keiten trennen könnten.<note place="foot" n="2)">Über Wissenschaft speziell schreibt Grau in seinem bekannten philo-<lb/>
semitischen Werke: <hi rendition="#i">Semiten und Indogermanen</hi> (2. Aufl., S. 33): »Die Hebräer, wie<lb/>
alle Semiten, sind viel zu subjektiv, als dass der reine Wissenstrieb eine Macht<lb/>
in ihnen werden könnte. Die Naturwissenschaft in dem objektiven Sinne, den<lb/>
sie bei den Indogermanen hat, mit welchem gegeben ist, dass die Natur nach<lb/>
ihrem eigenen Sinn und Wesen zur Geltung komme, der Mensch aber lediglich<lb/>
ihr Dolmetscher sei, kennen die Hebräer nicht«. S. 50 schreibt Grau: »den Semiten<lb/>
liegt <hi rendition="#g">alles Objektive</hi> fern«.</note> In seiner Religion ist der Semit selbst-<lb/>
süchtig und ausschliessend; Jehovah ist nur der Gott der Hebräer, die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0407] Die Erben. Schädelkenner war. Trotzdem seine Beurteilung des Semiten aus den vierziger Jahren datiert, wo man die Halbsemiten von dem echten Stamm noch nicht deutlich zu unterscheiden gelernt hatte, greift seine Charakteristik Momente heraus, welche den intellektuellen Kern der semitischen Persönlichkeit blosslegen. Er schreibt: »Die Anschauungs- weise des Semiten ist subjektiv und egoistisch. Seine Poesie ist lyrisch, daher subjektiv, es spricht das Gemüt seine Freude und seinen Schmerz, seine Liebe und seinen Hass, seine Bewunderung und seine Verach- tung aus; — — — das Epos, bei dem das Ich des Dichters vor dem Gegenstande zurücktritt, gelingt ihm nicht, noch weniger das Drama, welches eine noch vollständigere Abstreifung der eigenen Persönlich- keit bei dem Dichter erfordert. 1) Auch die Philosophie gehört den Semiten nicht; sie haben sich, und zwar nur die Araber, bei den Philosophen der Indogermanen eingemietet. Ihre Anschauungen und Vorstellungen beherrschen ihren Geist zu sehr, als dass sie sich zum Festhalten des reinen Gedankens richtig erheben und das Allgemeinere und Notwendige von ihrer eigenen Individualität und deren Zufällig- keiten trennen könnten. 2) In seiner Religion ist der Semit selbst- süchtig und ausschliessend; Jehovah ist nur der Gott der Hebräer, die 1) Also doch Individualismus? Gewiss, doch in einem ganz anderen Sinne als beim Indogermanen. Beim Semiten steht, wie man diesen Ausführungen Lassen’s entnimmt, das Individuum sich selbst gewissermassen im Wege, daher sind seine wirklichen Leistungen nur kollektive, im Gegensatz zum Griechen zum Beispiel und zum Germanen, bei denen jedes Werk den Stempel einer bestimmten Persönlichkeit, eines Individuums trägt. Genau dieselbe Anschauung wie Lassen hegt auch Fr. von Schack: »Die ganze schaffende Thätigkeit der Araber trägt einen subjektiven Charakter. Überall sprechen sie vorzugsweise ihr Seelenleben aus, ziehen die Dinge der Aussenwelt in dasselbe hinein und zeigen wenig Neigung, der Wirklichkeit fest ins Auge zu sehen, um die Natur in scharfen und bestimmten Umrissen darzustellen, oder sich in die Individualität Anderer zu vertiefen und Menschen oder Lebensverhältnisse gegenständlich zu schildern. Hiernach mussten diejenigen Formen der Poesie, welche ein Heraustreten aus sich selbst und ge- staltende Kraft verlangen, ihnen am fernsten liegen« (Poesie und Kunst der Araber I, 99). 2) Über Wissenschaft speziell schreibt Grau in seinem bekannten philo- semitischen Werke: Semiten und Indogermanen (2. Aufl., S. 33): »Die Hebräer, wie alle Semiten, sind viel zu subjektiv, als dass der reine Wissenstrieb eine Macht in ihnen werden könnte. Die Naturwissenschaft in dem objektiven Sinne, den sie bei den Indogermanen hat, mit welchem gegeben ist, dass die Natur nach ihrem eigenen Sinn und Wesen zur Geltung komme, der Mensch aber lediglich ihr Dolmetscher sei, kennen die Hebräer nicht«. S. 50 schreibt Grau: »den Semiten liegt alles Objektive fern«.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/407
Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/407>, abgerufen am 01.09.2024.