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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
walten des ausgesprochenen amoritischen (indoeuropäischen) Typus
auszeichneten.1)

Ja, man hat sich bisweilen gefragt, ob nicht David selber
halb oder dreiviertel Amoriter sei? Die Bibel legt an verschie-
denen Orten besonderen Nachdruck auf seine Blondheit, und, wie
Virchow durch unzählige Statistiken nachgewiesen hat, ist "die Haut
mit ihrem Zubehör noch dauerhafter als der Schädel"; helle Haut
und blondes Haar kam nun bei den Hebräern und den Menschen
aus der syrischen Gruppe gar nie vor, sondern diese Charakteristika
des Europäers wurden erst durch die Amoriter und Hellenen ins Land
gebracht; darum fiel ja auch David's Blondheit auf.2) Unter diesen
Umständen ist es wohl nicht allzukühn, wenn man vermutet, dass ein
in Bethlehem (d. h. gerade in der von Amoritern am dichtesten be-
völkerten Gegend) geborener Hirte eine Amoriterin zur Mutter gehabt
haben mag. Sein Charakter, sowohl dessen grosse Fehler wie auch
dessen herzgewinnende Eigenschaften, seine Kühnheit, seine Vorliebe
für das Abenteuerliche, seine Sorglosigkeit, sein schwärmerischer Sinn,
unterscheiden David wie mir scheint von allen Helden Israels, eben-
falls sein Bestreben, das Reich zu organisieren, die verzettelten Stämme
zu einer Einheit zusammenzufassen (was ihm ja den Hass der Israeliten
zuzog). Auch seine ausgesprochene Vorliebe für die Philister (siehe
z. B. II Sam. XXI, 3), unter denen er gern als Soldat gedient hatte,
ist ein auffallender Zug, ebenso wie die bemerkenswerte Thatsache
auf die Renan hinweist (Israel II, 35), dass er die Philister im Kriege
edel behandelt, die hebräischen Völker dagegen mit furchtbarer Grau-
samkeit, als seien sie ihm im Herzen zuwider. Sollte diese Ver-
mutung der Wirklichkeit entsprechen, dann wäre allerdings Salomo
kaum ein Israelit zu nennen; denn es ist höchst unwahrscheinlich,
dass seine Mutter Bathseba, das Eheweib des Hethiters Uria, eine
Israelitin gewesen sei.3) So würde sich die eigentümliche Inkompa-

1) Siehe Typenbild auf S. 363.
2) Luther hatte die bezüglichen Stellen (I Samuel XVI, 12, XVII, 42 u. s. w.)
mit "bräunlicht" übersetzt; Gesenius verdeutscht dagegen in seinem Wörterbuch
das betreffende hebräische Wort mit "rot" und räumt ein, dass es gewöhnlich
sich auf das Haar beziehe, nur giebt er sich grosse Mühe, nachzuweisen, David
müsse schwarzhaarig gewesen sein und das "rot" beziehe sich also hier auf die
Gesichtsfarbe; die besten wissenschaftlichen Übersetzer der Gegenwart (z. B. Segond)
fassen aber die Bezeichnung direkt als blond, d. h. also blondhaarig auf, und es
scheint für sicher zu gelten, dass David ausgesprochen blond war.
3) Renan: Israel II, 97.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 24

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
walten des ausgesprochenen amoritischen (indoeuropäischen) Typus
auszeichneten.1)

Ja, man hat sich bisweilen gefragt, ob nicht David selber
halb oder dreiviertel Amoriter sei? Die Bibel legt an verschie-
denen Orten besonderen Nachdruck auf seine Blondheit, und, wie
Virchow durch unzählige Statistiken nachgewiesen hat, ist »die Haut
mit ihrem Zubehör noch dauerhafter als der Schädel«; helle Haut
und blondes Haar kam nun bei den Hebräern und den Menschen
aus der syrischen Gruppe gar nie vor, sondern diese Charakteristika
des Europäers wurden erst durch die Amoriter und Hellenen ins Land
gebracht; darum fiel ja auch David’s Blondheit auf.2) Unter diesen
Umständen ist es wohl nicht allzukühn, wenn man vermutet, dass ein
in Bethlehem (d. h. gerade in der von Amoritern am dichtesten be-
völkerten Gegend) geborener Hirte eine Amoriterin zur Mutter gehabt
haben mag. Sein Charakter, sowohl dessen grosse Fehler wie auch
dessen herzgewinnende Eigenschaften, seine Kühnheit, seine Vorliebe
für das Abenteuerliche, seine Sorglosigkeit, sein schwärmerischer Sinn,
unterscheiden David wie mir scheint von allen Helden Israels, eben-
falls sein Bestreben, das Reich zu organisieren, die verzettelten Stämme
zu einer Einheit zusammenzufassen (was ihm ja den Hass der Israeliten
zuzog). Auch seine ausgesprochene Vorliebe für die Philister (siehe
z. B. II Sam. XXI, 3), unter denen er gern als Soldat gedient hatte,
ist ein auffallender Zug, ebenso wie die bemerkenswerte Thatsache
auf die Renan hinweist (Israël II, 35), dass er die Philister im Kriege
edel behandelt, die hebräischen Völker dagegen mit furchtbarer Grau-
samkeit, als seien sie ihm im Herzen zuwider. Sollte diese Ver-
mutung der Wirklichkeit entsprechen, dann wäre allerdings Salomo
kaum ein Israelit zu nennen; denn es ist höchst unwahrscheinlich,
dass seine Mutter Bathseba, das Eheweib des Hethiters Uria, eine
Israelitin gewesen sei.3) So würde sich die eigentümliche Inkompa-

1) Siehe Typenbild auf S. 363.
2) Luther hatte die bezüglichen Stellen (I Samuel XVI, 12, XVII, 42 u. s. w.)
mit »bräunlicht« übersetzt; Gesenius verdeutscht dagegen in seinem Wörterbuch
das betreffende hebräische Wort mit »rot« und räumt ein, dass es gewöhnlich
sich auf das Haar beziehe, nur giebt er sich grosse Mühe, nachzuweisen, David
müsse schwarzhaarig gewesen sein und das »rot« beziehe sich also hier auf die
Gesichtsfarbe; die besten wissenschaftlichen Übersetzer der Gegenwart (z. B. Segond)
fassen aber die Bezeichnung direkt als blond, d. h. also blondhaarig auf, und es
scheint für sicher zu gelten, dass David ausgesprochen blond war.
3) Renan: Israël II, 97.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 24
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[369/0392] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. walten des ausgesprochenen amoritischen (indoeuropäischen) Typus auszeichneten. 1) Ja, man hat sich bisweilen gefragt, ob nicht David selber halb oder dreiviertel Amoriter sei? Die Bibel legt an verschie- denen Orten besonderen Nachdruck auf seine Blondheit, und, wie Virchow durch unzählige Statistiken nachgewiesen hat, ist »die Haut mit ihrem Zubehör noch dauerhafter als der Schädel«; helle Haut und blondes Haar kam nun bei den Hebräern und den Menschen aus der syrischen Gruppe gar nie vor, sondern diese Charakteristika des Europäers wurden erst durch die Amoriter und Hellenen ins Land gebracht; darum fiel ja auch David’s Blondheit auf. 2) Unter diesen Umständen ist es wohl nicht allzukühn, wenn man vermutet, dass ein in Bethlehem (d. h. gerade in der von Amoritern am dichtesten be- völkerten Gegend) geborener Hirte eine Amoriterin zur Mutter gehabt haben mag. Sein Charakter, sowohl dessen grosse Fehler wie auch dessen herzgewinnende Eigenschaften, seine Kühnheit, seine Vorliebe für das Abenteuerliche, seine Sorglosigkeit, sein schwärmerischer Sinn, unterscheiden David wie mir scheint von allen Helden Israels, eben- falls sein Bestreben, das Reich zu organisieren, die verzettelten Stämme zu einer Einheit zusammenzufassen (was ihm ja den Hass der Israeliten zuzog). Auch seine ausgesprochene Vorliebe für die Philister (siehe z. B. II Sam. XXI, 3), unter denen er gern als Soldat gedient hatte, ist ein auffallender Zug, ebenso wie die bemerkenswerte Thatsache auf die Renan hinweist (Israël II, 35), dass er die Philister im Kriege edel behandelt, die hebräischen Völker dagegen mit furchtbarer Grau- samkeit, als seien sie ihm im Herzen zuwider. Sollte diese Ver- mutung der Wirklichkeit entsprechen, dann wäre allerdings Salomo kaum ein Israelit zu nennen; denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass seine Mutter Bathseba, das Eheweib des Hethiters Uria, eine Israelitin gewesen sei. 3) So würde sich die eigentümliche Inkompa- 1) Siehe Typenbild auf S. 363. 2) Luther hatte die bezüglichen Stellen (I Samuel XVI, 12, XVII, 42 u. s. w.) mit »bräunlicht« übersetzt; Gesenius verdeutscht dagegen in seinem Wörterbuch das betreffende hebräische Wort mit »rot« und räumt ein, dass es gewöhnlich sich auf das Haar beziehe, nur giebt er sich grosse Mühe, nachzuweisen, David müsse schwarzhaarig gewesen sein und das »rot« beziehe sich also hier auf die Gesichtsfarbe; die besten wissenschaftlichen Übersetzer der Gegenwart (z. B. Segond) fassen aber die Bezeichnung direkt als blond, d. h. also blondhaarig auf, und es scheint für sicher zu gelten, dass David ausgesprochen blond war. 3) Renan: Israël II, 97. Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 24

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/392>, abgerufen am 24.11.2024.