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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
"Rephaim", welche riesige Speere und schwere
eherne Rüstung tragen (I Sam. XVII, 5 ff.,
II Sam. XXI, 16 ff.). Und weiss die Bibel viel
zu erzählen von den Heldenthaten der Israeliten
gegen diese grossen blonden Männer, so konnte
sie andrerseits nicht verschweigen, dass gerade
aus ihnen (namentlich aus dem noch sehr wilden,
unvermischt indoeuropäischen Stamm der Gethiter)
David seine besten, zuverlässigsten Soldaten gewann.
Nur durch die Philister wurden die Philister besiegt;
nur durch die Amoriter die Amoriter. Die Gethiter [Abbildung] Amoriter.
z. B. waren nicht von David unterworfen, sondern folgten ihm freiwillig
(II Sam. XV, 19 fg.), aus Lust am Kriege; ihr Führer, Ithai, wurde
zum Befehlshaber eines Drittels der israelitischen Armee ernannt
(II Sam. XVIII, 2). Von diesem "arischen Truppenteil", wie er ihn
nennt, sagt Renan: "Er war eben so tapfer wie der Araber, und
unterschied sich von diesem durch seine Treue; um etwas Dauerhaftes
zu gründen, musste man sich auf ihn stützen. -- -- Er war es,
welcher die verräterischen Anschläge des Absalom, des Sebah, des
Adoniah vereitelte; er war es, welcher den bedrohten Thron Salomo's
rettete -- -- -- er hat den Kitt des israelitischen Königreiches abge-
geben".1) Jedoch nicht allein tapfere und treue Soldaten waren diese
Männer, sondern auch Städtebauer; ihre Städte waren die am besten
gebauten und die festesten (Deuter. I, 28),2) und namentlich eine
ihrer Städte gewann Weltbedeutung: unweit der Hauptstadt ihrer
hethitischen Freunde, Hebron, gründeten die Amoriter eine neue
Stadt, Jerusalem. Der König von Jerusalem, der gegen Josua aus-
zieht, ist ein Amoriter (Jos. X, 5), und wenn es auch heisst, er sei
von diesem mit allen anderen Königen geschlagen und erschlagen
worden, so wird man das, sowie das ganze Buch Josua, cum grano
salis
zu nehmen haben; denn in Wirklichkeit wurde die Eroberung
Palästinas den Israeliten sehr schwer und ging äusserst langsam und

Geschichte des Volkes Israel, I, 225 fg.). Für die Beurteilung des Charakters David's
ist es wichtig dies zu wissen (siehe unten, S. 369).
1) Renan: Israel II, 30--32.
2) Über Flinders Petrie's neuerliche Ausgrabungen amoritischer Städte mit
Mauern von zweiundeinhalb Meter Dicke, berichtet Sayce: Races of the Old
Testament,
p. 112.

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
»Rephaim«, welche riesige Speere und schwere
eherne Rüstung tragen (I Sam. XVII, 5 ff.,
II Sam. XXI, 16 ff.). Und weiss die Bibel viel
zu erzählen von den Heldenthaten der Israeliten
gegen diese grossen blonden Männer, so konnte
sie andrerseits nicht verschweigen, dass gerade
aus ihnen (namentlich aus dem noch sehr wilden,
unvermischt indoeuropäischen Stamm der Gethiter)
David seine besten, zuverlässigsten Soldaten gewann.
Nur durch die Philister wurden die Philister besiegt;
nur durch die Amoriter die Amoriter. Die Gethiter [Abbildung] Amoriter.
z. B. waren nicht von David unterworfen, sondern folgten ihm freiwillig
(II Sam. XV, 19 fg.), aus Lust am Kriege; ihr Führer, Ithai, wurde
zum Befehlshaber eines Drittels der israelitischen Armee ernannt
(II Sam. XVIII, 2). Von diesem »arischen Truppenteil«, wie er ihn
nennt, sagt Renan: »Er war eben so tapfer wie der Araber, und
unterschied sich von diesem durch seine Treue; um etwas Dauerhaftes
zu gründen, musste man sich auf ihn stützen. — — Er war es,
welcher die verräterischen Anschläge des Absalom, des Sebah, des
Adoniah vereitelte; er war es, welcher den bedrohten Thron Salomo’s
rettete — — — er hat den Kitt des israelitischen Königreiches abge-
geben«.1) Jedoch nicht allein tapfere und treue Soldaten waren diese
Männer, sondern auch Städtebauer; ihre Städte waren die am besten
gebauten und die festesten (Deuter. I, 28),2) und namentlich eine
ihrer Städte gewann Weltbedeutung: unweit der Hauptstadt ihrer
hethitischen Freunde, Hebron, gründeten die Amoriter eine neue
Stadt, Jerusalem. Der König von Jerusalem, der gegen Josua aus-
zieht, ist ein Amoriter (Jos. X, 5), und wenn es auch heisst, er sei
von diesem mit allen anderen Königen geschlagen und erschlagen
worden, so wird man das, sowie das ganze Buch Josua, cum grano
salis
zu nehmen haben; denn in Wirklichkeit wurde die Eroberung
Palästinas den Israeliten sehr schwer und ging äusserst langsam und

Geschichte des Volkes Israel, I, 225 fg.). Für die Beurteilung des Charakters David’s
ist es wichtig dies zu wissen (siehe unten, S. 369).
1) Renan: Israël II, 30—32.
2) Über Flinders Petrie’s neuerliche Ausgrabungen amoritischer Städte mit
Mauern von zweiundeinhalb Meter Dicke, berichtet Sayce: Races of the Old
Testament,
p. 112.
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[367/0390] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. »Rephaim«, welche riesige Speere und schwere eherne Rüstung tragen (I Sam. XVII, 5 ff., II Sam. XXI, 16 ff.). Und weiss die Bibel viel zu erzählen von den Heldenthaten der Israeliten gegen diese grossen blonden Männer, so konnte sie andrerseits nicht verschweigen, dass gerade aus ihnen (namentlich aus dem noch sehr wilden, unvermischt indoeuropäischen Stamm der Gethiter) David seine besten, zuverlässigsten Soldaten gewann. Nur durch die Philister wurden die Philister besiegt; nur durch die Amoriter die Amoriter. Die Gethiter [Abbildung Amoriter.] z. B. waren nicht von David unterworfen, sondern folgten ihm freiwillig (II Sam. XV, 19 fg.), aus Lust am Kriege; ihr Führer, Ithai, wurde zum Befehlshaber eines Drittels der israelitischen Armee ernannt (II Sam. XVIII, 2). Von diesem »arischen Truppenteil«, wie er ihn nennt, sagt Renan: »Er war eben so tapfer wie der Araber, und unterschied sich von diesem durch seine Treue; um etwas Dauerhaftes zu gründen, musste man sich auf ihn stützen. — — Er war es, welcher die verräterischen Anschläge des Absalom, des Sebah, des Adoniah vereitelte; er war es, welcher den bedrohten Thron Salomo’s rettete — — — er hat den Kitt des israelitischen Königreiches abge- geben«. 1) Jedoch nicht allein tapfere und treue Soldaten waren diese Männer, sondern auch Städtebauer; ihre Städte waren die am besten gebauten und die festesten (Deuter. I, 28), 2) und namentlich eine ihrer Städte gewann Weltbedeutung: unweit der Hauptstadt ihrer hethitischen Freunde, Hebron, gründeten die Amoriter eine neue Stadt, Jerusalem. Der König von Jerusalem, der gegen Josua aus- zieht, ist ein Amoriter (Jos. X, 5), und wenn es auch heisst, er sei von diesem mit allen anderen Königen geschlagen und erschlagen worden, so wird man das, sowie das ganze Buch Josua, cum grano salis zu nehmen haben; denn in Wirklichkeit wurde die Eroberung Palästinas den Israeliten sehr schwer und ging äusserst langsam und 4) 1) Renan: Israël II, 30—32. 2) Über Flinders Petrie’s neuerliche Ausgrabungen amoritischer Städte mit Mauern von zweiundeinhalb Meter Dicke, berichtet Sayce: Races of the Old Testament, p. 112. 4) Geschichte des Volkes Israel, I, 225 fg.). Für die Beurteilung des Charakters David’s ist es wichtig dies zu wissen (siehe unten, S. 369).

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/390>, abgerufen am 24.11.2024.