Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
der Übergang vermittelt wurde, andernteils unterwarfen sie sich zweifel-
los die Ureinwohner (wie die Herrschaft der semitischen Sprachen,
des Hebräischen, des Aramäischen u. s. w. beweist), und zeugten mit
ihren syrischen Sklavinnen Söhne und Töchter; später (in halbhistorischen
Zeiten) sehen wir sie mit unabhängigen Sippen des fremden Volkes
freiwillig Ehen schliessen, und ohne Zweifel war das inzwischen schon
seit Jahrhunderten Sitte geworden. Doch, wie man sich auch den
Vorgang der Vermischung vorstellen will, sicher ist, dass sie stattfand.

Um von jenem anderen syrischen Menschentypus sprechen zu
können, wäre es bequem, einen Namen für ihn zu haben. Hommel,
der berühmte Münchener Gelehrte, nennt ihn den der Alarodier;1)
er glaubt ihm eine weite Verbreitung, auch über das südliche Europa
zuschreiben zu dürfen, und will ihn in den Iberiern und in den heutigen
Basken wiedererkennen. Doch müssen ungelehrte Menschen beim
Gebrauch derartiger Hypothesen sehr vorsichtig sein; ehe die Druck-
legung dieses Buches vollendet ist, können die Alarodier schon zum
alten Eisen der Wissenschaft geworfen sein. Nachahmungswürdig
erscheint das Beispiel des französischen Zoologen und Anthropologen
G. de Lapouge, der den verschiedenen physischen Typen nach der
Linnäischen Methode Namen giebt, ohne sich weiter um Geschichte
und Ursprung zu kümmern: Homo europaeus, Homo Afer, Homo
contractus
u. s. w. Dieser kleinasiatische Typus würde sich mit
Lapouge's Homo alpinus, was die Schädelbildung anbelangt, ziemlich
decken;2) doch wollen wir ihn hier, ohne uns weiter zu exponieren,
einfach als den Homo Syriacus bezeichnen, den Ureinwohner Syriens.
Und gerade so, wie wir für den semitischen Typus im Beduinen
einen festen Anhaltspunkt gewannen, finden wir hier in dem zwar
nicht mehr unter uns als nationale Individualität lebenden, doch
aus der Geschichte und aus vielfachen Abbildungen täglich mehr
bekannt werdenden Stamme der Hethiter einen besonders charakte-
ristischen Vertreter des syrischen Menschentypus, noch dazu gerade
denjenigen, mit dem die Israeliten in Palästina enge Beziehungen an-
knüpften. Dieser syrische Mensch ist nun durch das Vorwalten
eines bestimmten anatomischen Charakters ausgezeichnet: er ist ein

1) Er entlehnt den Namen einem von Herodot erwähnten, am Fusse des
Ararat wohnenden Stamme.
2) Lapouge: La depopulation de la France, Revue d'Anthropologie 1888, p. 79.
F. von Luschan hat ausdrücklich auf die Ähnlichkeit des syrischen Menschen mit
dem Savoyarden hingewiesen.

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
der Übergang vermittelt wurde, andernteils unterwarfen sie sich zweifel-
los die Ureinwohner (wie die Herrschaft der semitischen Sprachen,
des Hebräischen, des Aramäischen u. s. w. beweist), und zeugten mit
ihren syrischen Sklavinnen Söhne und Töchter; später (in halbhistorischen
Zeiten) sehen wir sie mit unabhängigen Sippen des fremden Volkes
freiwillig Ehen schliessen, und ohne Zweifel war das inzwischen schon
seit Jahrhunderten Sitte geworden. Doch, wie man sich auch den
Vorgang der Vermischung vorstellen will, sicher ist, dass sie stattfand.

Um von jenem anderen syrischen Menschentypus sprechen zu
können, wäre es bequem, einen Namen für ihn zu haben. Hommel,
der berühmte Münchener Gelehrte, nennt ihn den der Alarodier;1)
er glaubt ihm eine weite Verbreitung, auch über das südliche Europa
zuschreiben zu dürfen, und will ihn in den Iberiern und in den heutigen
Basken wiedererkennen. Doch müssen ungelehrte Menschen beim
Gebrauch derartiger Hypothesen sehr vorsichtig sein; ehe die Druck-
legung dieses Buches vollendet ist, können die Alarodier schon zum
alten Eisen der Wissenschaft geworfen sein. Nachahmungswürdig
erscheint das Beispiel des französischen Zoologen und Anthropologen
G. de Lapouge, der den verschiedenen physischen Typen nach der
Linnäischen Methode Namen giebt, ohne sich weiter um Geschichte
und Ursprung zu kümmern: Homo europaeus, Homo Afer, Homo
contractus
u. s. w. Dieser kleinasiatische Typus würde sich mit
Lapouge’s Homo alpinus, was die Schädelbildung anbelangt, ziemlich
decken;2) doch wollen wir ihn hier, ohne uns weiter zu exponieren,
einfach als den Homo Syriacus bezeichnen, den Ureinwohner Syriens.
Und gerade so, wie wir für den semitischen Typus im Beduinen
einen festen Anhaltspunkt gewannen, finden wir hier in dem zwar
nicht mehr unter uns als nationale Individualität lebenden, doch
aus der Geschichte und aus vielfachen Abbildungen täglich mehr
bekannt werdenden Stamme der Hethiter einen besonders charakte-
ristischen Vertreter des syrischen Menschentypus, noch dazu gerade
denjenigen, mit dem die Israeliten in Palästina enge Beziehungen an-
knüpften. Dieser syrische Mensch ist nun durch das Vorwalten
eines bestimmten anatomischen Charakters ausgezeichnet: er ist ein

1) Er entlehnt den Namen einem von Herodot erwähnten, am Fusse des
Ararat wohnenden Stamme.
2) Lapouge: La dépopulation de la France, Revue d’Anthropologie 1888, p. 79.
F. von Luschan hat ausdrücklich auf die Ähnlichkeit des syrischen Menschen mit
dem Savoyarden hingewiesen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0382" n="359"/><fw place="top" type="header">Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.</fw><lb/>
der Übergang vermittelt wurde, andernteils unterwarfen sie sich zweifel-<lb/>
los die Ureinwohner (wie die Herrschaft der semitischen Sprachen,<lb/>
des Hebräischen, des Aramäischen u. s. w. beweist), und zeugten mit<lb/>
ihren syrischen Sklavinnen Söhne und Töchter; später (in halbhistorischen<lb/>
Zeiten) sehen wir sie mit unabhängigen Sippen des fremden Volkes<lb/>
freiwillig Ehen schliessen, und ohne Zweifel war das inzwischen schon<lb/>
seit Jahrhunderten Sitte geworden. Doch, wie man sich auch den<lb/>
Vorgang der Vermischung vorstellen will, sicher ist, dass sie stattfand.</p><lb/>
            <p>Um von jenem anderen syrischen Menschentypus sprechen zu<lb/>
können, wäre es bequem, einen Namen für ihn zu haben. Hommel,<lb/>
der berühmte Münchener Gelehrte, nennt ihn den der <hi rendition="#g">Alarodier;</hi><note place="foot" n="1)">Er entlehnt den Namen einem von Herodot erwähnten, am Fusse des<lb/>
Ararat wohnenden Stamme.</note><lb/>
er glaubt ihm eine weite Verbreitung, auch über das südliche Europa<lb/>
zuschreiben zu dürfen, und will ihn in den Iberiern und in den heutigen<lb/>
Basken wiedererkennen. Doch müssen ungelehrte Menschen beim<lb/>
Gebrauch derartiger Hypothesen sehr vorsichtig sein; ehe die Druck-<lb/>
legung dieses Buches vollendet ist, können die Alarodier schon zum<lb/>
alten Eisen der Wissenschaft geworfen sein. Nachahmungswürdig<lb/>
erscheint das Beispiel des französischen Zoologen und Anthropologen<lb/>
G. de Lapouge, der den verschiedenen physischen Typen nach der<lb/>
Linnäischen Methode Namen giebt, ohne sich weiter um Geschichte<lb/>
und Ursprung zu kümmern: <hi rendition="#i">Homo europaeus, Homo Afer, Homo<lb/>
contractus</hi> u. s. w. Dieser kleinasiatische Typus würde sich mit<lb/>
Lapouge&#x2019;s <hi rendition="#i">Homo alpinus,</hi> was die Schädelbildung anbelangt, ziemlich<lb/>
decken;<note place="foot" n="2)">Lapouge: <hi rendition="#i">La dépopulation de la France, Revue d&#x2019;Anthropologie</hi> 1888, p. 79.<lb/>
F. von Luschan hat ausdrücklich auf die Ähnlichkeit des syrischen Menschen mit<lb/>
dem Savoyarden hingewiesen.</note> doch wollen wir ihn hier, ohne uns weiter zu exponieren,<lb/>
einfach als den <hi rendition="#i">Homo Syriacus</hi> bezeichnen, den Ureinwohner Syriens.<lb/>
Und gerade so, wie wir für den semitischen Typus im Beduinen<lb/>
einen festen Anhaltspunkt gewannen, finden wir hier in dem zwar<lb/>
nicht mehr unter uns als nationale Individualität lebenden, doch<lb/>
aus der Geschichte und aus vielfachen Abbildungen täglich mehr<lb/>
bekannt werdenden Stamme der <hi rendition="#g">Hethiter</hi> einen besonders charakte-<lb/>
ristischen Vertreter des syrischen Menschentypus, noch dazu gerade<lb/>
denjenigen, mit dem die Israeliten in Palästina enge Beziehungen an-<lb/>
knüpften. Dieser syrische Mensch ist nun durch das Vorwalten<lb/>
eines bestimmten anatomischen Charakters ausgezeichnet: er ist ein<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0382] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. der Übergang vermittelt wurde, andernteils unterwarfen sie sich zweifel- los die Ureinwohner (wie die Herrschaft der semitischen Sprachen, des Hebräischen, des Aramäischen u. s. w. beweist), und zeugten mit ihren syrischen Sklavinnen Söhne und Töchter; später (in halbhistorischen Zeiten) sehen wir sie mit unabhängigen Sippen des fremden Volkes freiwillig Ehen schliessen, und ohne Zweifel war das inzwischen schon seit Jahrhunderten Sitte geworden. Doch, wie man sich auch den Vorgang der Vermischung vorstellen will, sicher ist, dass sie stattfand. Um von jenem anderen syrischen Menschentypus sprechen zu können, wäre es bequem, einen Namen für ihn zu haben. Hommel, der berühmte Münchener Gelehrte, nennt ihn den der Alarodier; 1) er glaubt ihm eine weite Verbreitung, auch über das südliche Europa zuschreiben zu dürfen, und will ihn in den Iberiern und in den heutigen Basken wiedererkennen. Doch müssen ungelehrte Menschen beim Gebrauch derartiger Hypothesen sehr vorsichtig sein; ehe die Druck- legung dieses Buches vollendet ist, können die Alarodier schon zum alten Eisen der Wissenschaft geworfen sein. Nachahmungswürdig erscheint das Beispiel des französischen Zoologen und Anthropologen G. de Lapouge, der den verschiedenen physischen Typen nach der Linnäischen Methode Namen giebt, ohne sich weiter um Geschichte und Ursprung zu kümmern: Homo europaeus, Homo Afer, Homo contractus u. s. w. Dieser kleinasiatische Typus würde sich mit Lapouge’s Homo alpinus, was die Schädelbildung anbelangt, ziemlich decken; 2) doch wollen wir ihn hier, ohne uns weiter zu exponieren, einfach als den Homo Syriacus bezeichnen, den Ureinwohner Syriens. Und gerade so, wie wir für den semitischen Typus im Beduinen einen festen Anhaltspunkt gewannen, finden wir hier in dem zwar nicht mehr unter uns als nationale Individualität lebenden, doch aus der Geschichte und aus vielfachen Abbildungen täglich mehr bekannt werdenden Stamme der Hethiter einen besonders charakte- ristischen Vertreter des syrischen Menschentypus, noch dazu gerade denjenigen, mit dem die Israeliten in Palästina enge Beziehungen an- knüpften. Dieser syrische Mensch ist nun durch das Vorwalten eines bestimmten anatomischen Charakters ausgezeichnet: er ist ein 1) Er entlehnt den Namen einem von Herodot erwähnten, am Fusse des Ararat wohnenden Stamme. 2) Lapouge: La dépopulation de la France, Revue d’Anthropologie 1888, p. 79. F. von Luschan hat ausdrücklich auf die Ähnlichkeit des syrischen Menschen mit dem Savoyarden hingewiesen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/382
Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/382>, abgerufen am 24.11.2024.