Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Erben.
schreibern der tüchtigste Herrscher, den das römische Imperium be-
sessen, erkannte in der Immigration der Juden (also ebenfalls schon
vor der Zerstörung Jerusalems!) eine nationale Gefahr; Friedrich II.,
der Hohenstaufe, gewiss einer der genialsten Menschen, die je die
Krone getragen und das Schwert geführt haben, ein freier denkender
Mann als irgend ein Monarch unseres 19. Jahrhunderts, ein begeisterter
Bewunderer des Morgenlandes und generöser Unterstützer hebräischer
Gelehrten, hielt es dennoch für angezeigt (entgegen der Sitte seiner
Zeitgenossen) die Juden von allen öffentlichen Ämtern auszuschliessen
und wies warnend darauf hin, dass wo man auch den Juden zur Ge-
walt zulässt, er sie missbraucht; genau dasselbe lehrte der andere grosse
Friedrich II., der Hohenzollern, der jede Freiheit gewährte, nur nicht
die der Juden; nicht unähnlich hat Fürst Bismarck, als er noch offen
reden durfte, sich im Landtag (1847) geäussert, und der grosse Ge-
schichtsforscher Mommsen spricht vom Judentum als von einem "Staat
im Staate". -- Was speziell den sozialen Einfluss betrifft, so will ich
mich begnügen, zwei weise, gerechte Männer anzuführen, deren Urteil
selbst den Juden nicht verdächtig sein kann, Herder und Goethe.
Der Erste behauptet: "Ein Ministerium, bei dem der Jude Alles gilt,
eine Haushaltung, in der ein Jude die Schlüssel zur Garderobe oder
der ganzen Kasse des Hauses führt, ein Departement oder Kommissariat,
in welchem die Juden die Hauptgeschäfte treiben -- -- sind unauszu-
trocknende pontinische Sümpfe"; und er meint, die Gegenwart einer
unbestimmten Menge Juden sei für einen europäischen Staat so ver-
derblich, dass man sich "nicht durch allgemeine menschenfreundliche
Grundsätze leiten lassen dürfe", sondern es handle sich um eine
Staatsfrage, und es sei Pflicht eines jeden Staates, festzustellen: "wie
viele von diesem fremden Volke dürfen ohne Nachteil der Eingeborenen
geduldet werden".1) Goethe geht noch tiefer: "Wie sollten wir dem
Juden den Anteil an der höchsten Kultur vergönnen, deren Ursprung
und Herkommen er verleugnet?"2) Goethe und Herder urteilen also
genau so wie der grosse Hohenstaufe, wie der grosse Hohenzollern,
und wie alle grossen Männer vor und nach ihnen: ohne in aber-
gläubischer Weise dem jüdischen Volk seine Eigenart zum Vorwurf
zu machen, halten sie es für eine thatsächliche Gefahr für unsere
Civilisation und für unsere Kultur; sie würden ihm einen thätigen

1) Adrastea: Bekehrung der Juden.
2) Wilhelm Meister's Wanderjahre, Buch III, Kap. 11.

Die Erben.
schreibern der tüchtigste Herrscher, den das römische Imperium be-
sessen, erkannte in der Immigration der Juden (also ebenfalls schon
vor der Zerstörung Jerusalems!) eine nationale Gefahr; Friedrich II.,
der Hohenstaufe, gewiss einer der genialsten Menschen, die je die
Krone getragen und das Schwert geführt haben, ein freier denkender
Mann als irgend ein Monarch unseres 19. Jahrhunderts, ein begeisterter
Bewunderer des Morgenlandes und generöser Unterstützer hebräischer
Gelehrten, hielt es dennoch für angezeigt (entgegen der Sitte seiner
Zeitgenossen) die Juden von allen öffentlichen Ämtern auszuschliessen
und wies warnend darauf hin, dass wo man auch den Juden zur Ge-
walt zulässt, er sie missbraucht; genau dasselbe lehrte der andere grosse
Friedrich II., der Hohenzollern, der jede Freiheit gewährte, nur nicht
die der Juden; nicht unähnlich hat Fürst Bismarck, als er noch offen
reden durfte, sich im Landtag (1847) geäussert, und der grosse Ge-
schichtsforscher Mommsen spricht vom Judentum als von einem »Staat
im Staate«. — Was speziell den sozialen Einfluss betrifft, so will ich
mich begnügen, zwei weise, gerechte Männer anzuführen, deren Urteil
selbst den Juden nicht verdächtig sein kann, Herder und Goethe.
Der Erste behauptet: »Ein Ministerium, bei dem der Jude Alles gilt,
eine Haushaltung, in der ein Jude die Schlüssel zur Garderobe oder
der ganzen Kasse des Hauses führt, ein Departement oder Kommissariat,
in welchem die Juden die Hauptgeschäfte treiben — — sind unauszu-
trocknende pontinische Sümpfe«; und er meint, die Gegenwart einer
unbestimmten Menge Juden sei für einen europäischen Staat so ver-
derblich, dass man sich »nicht durch allgemeine menschenfreundliche
Grundsätze leiten lassen dürfe«, sondern es handle sich um eine
Staatsfrage, und es sei Pflicht eines jeden Staates, festzustellen: »wie
viele von diesem fremden Volke dürfen ohne Nachteil der Eingeborenen
geduldet werden«.1) Goethe geht noch tiefer: »Wie sollten wir dem
Juden den Anteil an der höchsten Kultur vergönnen, deren Ursprung
und Herkommen er verleugnet?«2) Goethe und Herder urteilen also
genau so wie der grosse Hohenstaufe, wie der grosse Hohenzollern,
und wie alle grossen Männer vor und nach ihnen: ohne in aber-
gläubischer Weise dem jüdischen Volk seine Eigenart zum Vorwurf
zu machen, halten sie es für eine thatsächliche Gefahr für unsere
Civilisation und für unsere Kultur; sie würden ihm einen thätigen

1) Adrastea: Bekehrung der Juden.
2) Wilhelm Meister’s Wanderjahre, Buch III, Kap. 11.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0359" n="336"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/>
schreibern der tüchtigste Herrscher, den das römische Imperium be-<lb/>
sessen, erkannte in der Immigration der Juden (also ebenfalls schon<lb/><hi rendition="#g">vor</hi> der Zerstörung Jerusalems!) eine <hi rendition="#g">nationale Gefahr;</hi> Friedrich II.,<lb/>
der Hohenstaufe, gewiss einer der genialsten Menschen, die je die<lb/>
Krone getragen und das Schwert geführt haben, ein freier denkender<lb/>
Mann als irgend ein Monarch unseres 19. Jahrhunderts, ein begeisterter<lb/>
Bewunderer des Morgenlandes und generöser Unterstützer hebräischer<lb/>
Gelehrten, hielt es dennoch für angezeigt (entgegen der Sitte seiner<lb/>
Zeitgenossen) die Juden von allen öffentlichen Ämtern auszuschliessen<lb/>
und wies warnend darauf hin, dass wo man auch den Juden zur Ge-<lb/>
walt zulässt, er sie missbraucht; genau dasselbe lehrte der andere grosse<lb/>
Friedrich II., der Hohenzollern, der jede Freiheit gewährte, nur nicht<lb/>
die der Juden; nicht unähnlich hat Fürst Bismarck, als er noch offen<lb/>
reden durfte, sich im Landtag (1847) geäussert, und der grosse Ge-<lb/>
schichtsforscher Mommsen spricht vom Judentum als von einem »Staat<lb/>
im Staate«. &#x2014; Was speziell den sozialen Einfluss betrifft, so will ich<lb/>
mich begnügen, zwei weise, gerechte Männer anzuführen, deren Urteil<lb/>
selbst den Juden nicht verdächtig sein kann, Herder und Goethe.<lb/>
Der Erste behauptet: »Ein Ministerium, bei dem der Jude Alles gilt,<lb/>
eine Haushaltung, in der ein Jude die Schlüssel zur Garderobe oder<lb/>
der ganzen Kasse des Hauses führt, ein Departement oder Kommissariat,<lb/>
in welchem die Juden die Hauptgeschäfte treiben &#x2014; &#x2014; sind unauszu-<lb/>
trocknende pontinische Sümpfe«; und er meint, die Gegenwart einer<lb/>
unbestimmten Menge Juden sei für einen europäischen Staat so ver-<lb/>
derblich, dass man sich »nicht durch allgemeine menschenfreundliche<lb/>
Grundsätze leiten lassen dürfe«, sondern es handle sich um eine<lb/><hi rendition="#g">Staatsfrage,</hi> und es sei Pflicht eines jeden Staates, festzustellen: »wie<lb/>
viele von diesem fremden Volke dürfen ohne Nachteil der Eingeborenen<lb/>
geduldet werden«.<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#i">Adrastea: Bekehrung der Juden.</hi></note> Goethe geht noch tiefer: »Wie sollten wir dem<lb/>
Juden den Anteil an der höchsten Kultur vergönnen, deren Ursprung<lb/>
und Herkommen er verleugnet?«<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#i">Wilhelm Meister&#x2019;s Wanderjahre,</hi> Buch III, Kap. 11.</note> Goethe und Herder urteilen also<lb/>
genau so wie der grosse Hohenstaufe, wie der grosse Hohenzollern,<lb/>
und wie alle grossen Männer vor und nach ihnen: ohne in aber-<lb/>
gläubischer Weise dem jüdischen Volk seine Eigenart zum Vorwurf<lb/>
zu machen, halten sie es für eine thatsächliche Gefahr für <hi rendition="#g">unsere</hi><lb/>
Civilisation und für <hi rendition="#g">unsere</hi> Kultur; sie würden ihm einen thätigen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0359] Die Erben. schreibern der tüchtigste Herrscher, den das römische Imperium be- sessen, erkannte in der Immigration der Juden (also ebenfalls schon vor der Zerstörung Jerusalems!) eine nationale Gefahr; Friedrich II., der Hohenstaufe, gewiss einer der genialsten Menschen, die je die Krone getragen und das Schwert geführt haben, ein freier denkender Mann als irgend ein Monarch unseres 19. Jahrhunderts, ein begeisterter Bewunderer des Morgenlandes und generöser Unterstützer hebräischer Gelehrten, hielt es dennoch für angezeigt (entgegen der Sitte seiner Zeitgenossen) die Juden von allen öffentlichen Ämtern auszuschliessen und wies warnend darauf hin, dass wo man auch den Juden zur Ge- walt zulässt, er sie missbraucht; genau dasselbe lehrte der andere grosse Friedrich II., der Hohenzollern, der jede Freiheit gewährte, nur nicht die der Juden; nicht unähnlich hat Fürst Bismarck, als er noch offen reden durfte, sich im Landtag (1847) geäussert, und der grosse Ge- schichtsforscher Mommsen spricht vom Judentum als von einem »Staat im Staate«. — Was speziell den sozialen Einfluss betrifft, so will ich mich begnügen, zwei weise, gerechte Männer anzuführen, deren Urteil selbst den Juden nicht verdächtig sein kann, Herder und Goethe. Der Erste behauptet: »Ein Ministerium, bei dem der Jude Alles gilt, eine Haushaltung, in der ein Jude die Schlüssel zur Garderobe oder der ganzen Kasse des Hauses führt, ein Departement oder Kommissariat, in welchem die Juden die Hauptgeschäfte treiben — — sind unauszu- trocknende pontinische Sümpfe«; und er meint, die Gegenwart einer unbestimmten Menge Juden sei für einen europäischen Staat so ver- derblich, dass man sich »nicht durch allgemeine menschenfreundliche Grundsätze leiten lassen dürfe«, sondern es handle sich um eine Staatsfrage, und es sei Pflicht eines jeden Staates, festzustellen: »wie viele von diesem fremden Volke dürfen ohne Nachteil der Eingeborenen geduldet werden«. 1) Goethe geht noch tiefer: »Wie sollten wir dem Juden den Anteil an der höchsten Kultur vergönnen, deren Ursprung und Herkommen er verleugnet?« 2) Goethe und Herder urteilen also genau so wie der grosse Hohenstaufe, wie der grosse Hohenzollern, und wie alle grossen Männer vor und nach ihnen: ohne in aber- gläubischer Weise dem jüdischen Volk seine Eigenart zum Vorwurf zu machen, halten sie es für eine thatsächliche Gefahr für unsere Civilisation und für unsere Kultur; sie würden ihm einen thätigen 1) Adrastea: Bekehrung der Juden. 2) Wilhelm Meister’s Wanderjahre, Buch III, Kap. 11.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/359
Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/359>, abgerufen am 28.11.2024.