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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
nicht weiss, was zu wissen Not thäte. Keinem brauche ich aber erst
mitzuteilen, dass durch alle christliche Jahrhunderte hindurch die
Juden eine, wenn auch manchmal eng beschränkte, so doch wichtige
Rolle spielten. Schon in den frühesten westgotischen Zeiten ver-
standen sie es, als Sklavenhändler und Geldvermittler sich Einfluss
und Macht zu verschaffen. Waren sie auch nicht allerorten, wie bei
den spanischen Mauren, mächtige Staatsminister, die dem Beispiel
Mardochai's folgend, die einträglichsten Ämter mit "der Menge ihrer
Brüder" füllten, brachten sie es auch nicht überall, wie im katholischen
Spanien, zum Bischof und Erzbischof,1) so war doch ihr Einfluss
überall und immer ein grosser. Schon die Babenberg'schen Fürsten
des 13. Jahrhunderts gaben ihren Nachfolgern das Beispiel, die
Finanzen des Landes von Juden verwalten zu lassen und diese Ver-
walter durch Ehrentitel auszuzeichnen;2) der grosse Papst Innocenz III.
vergab wichtige Stellen in seinem Hofstaate an Juden;3) die Ritter
Frankreichs mussten Gut und Habe an die Juden verpfänden, um an
den Kreuzzügen teilnehmen zu können;4) Rudolph von Habsburg be-
günstigte die Juden in jeder Weise, er "vindizierte sie als Knechte
seiner kaiserlichen Kammer", und indem er sie der gewöhnlichen
Gerichtsbarkeit entzog, machte er es sehr schwer, eine Klage gegen
einen Juden überhaupt durchzuführen;5) kurz: das, was ich den Ein-
tritt der Juden in unsere europäische Geschichte nenne, hat nicht
aufgehört, zu jeder Zeit und an jedem Orte sich fühlbar zu machen.
Wer befähigt wäre, Geschichte mit dem einen Zweck zu studieren,
den jüdischen Einfluss genau zu entwirren, würde, glaube ich, un-
erwartete Ergebnisse zu Tage fördern. Ohne Detailforschung können
wir diesen Einfluss nur dort deutlich und unzweifelhaft feststellen,
wo die Juden in grösserer Zahl vorhanden waren. Im 2. Jahr-
hundert z. B. sind die Juden auf der Insel Cypern in der Mehrzahl;
sie beschliessen einen Nationalstaat zu gründen und befolgen zu diesem
Zweck das aus dem Alten Testament bekannte Verfahren: sie er-

1) Siehe das Buch des Juden David Mocatta: Die Juden in Spanien und
Portugal,
(deutsch von Kayserling 1878), wo ausführlich erzählt wird, wie in
Spanien: "Geschlechter und Geschlechter von geheimen Juden lebten, vermischt
mit allen Klassen der Gesellschaft, im Besitze jeder Stellung im Staate und be-
sonders in der Kirche
"!
2) Graetz: a. a. O., II, 563.
3) Israel Abrahams: Jewish Life in the Middle Ages.
4) Andre Reville: Les Paysans au Moyen-Age, 1896, p. 3.
5) Siehe u. A. Realis: Die Juden und die Judenstadt in Wien, 1846, S. 18 u. s. w.

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
nicht weiss, was zu wissen Not thäte. Keinem brauche ich aber erst
mitzuteilen, dass durch alle christliche Jahrhunderte hindurch die
Juden eine, wenn auch manchmal eng beschränkte, so doch wichtige
Rolle spielten. Schon in den frühesten westgotischen Zeiten ver-
standen sie es, als Sklavenhändler und Geldvermittler sich Einfluss
und Macht zu verschaffen. Waren sie auch nicht allerorten, wie bei
den spanischen Mauren, mächtige Staatsminister, die dem Beispiel
Mardochai’s folgend, die einträglichsten Ämter mit »der Menge ihrer
Brüder« füllten, brachten sie es auch nicht überall, wie im katholischen
Spanien, zum Bischof und Erzbischof,1) so war doch ihr Einfluss
überall und immer ein grosser. Schon die Babenberg’schen Fürsten
des 13. Jahrhunderts gaben ihren Nachfolgern das Beispiel, die
Finanzen des Landes von Juden verwalten zu lassen und diese Ver-
walter durch Ehrentitel auszuzeichnen;2) der grosse Papst Innocenz III.
vergab wichtige Stellen in seinem Hofstaate an Juden;3) die Ritter
Frankreichs mussten Gut und Habe an die Juden verpfänden, um an
den Kreuzzügen teilnehmen zu können;4) Rudolph von Habsburg be-
günstigte die Juden in jeder Weise, er »vindizierte sie als Knechte
seiner kaiserlichen Kammer«, und indem er sie der gewöhnlichen
Gerichtsbarkeit entzog, machte er es sehr schwer, eine Klage gegen
einen Juden überhaupt durchzuführen;5) kurz: das, was ich den Ein-
tritt der Juden in unsere europäische Geschichte nenne, hat nicht
aufgehört, zu jeder Zeit und an jedem Orte sich fühlbar zu machen.
Wer befähigt wäre, Geschichte mit dem einen Zweck zu studieren,
den jüdischen Einfluss genau zu entwirren, würde, glaube ich, un-
erwartete Ergebnisse zu Tage fördern. Ohne Detailforschung können
wir diesen Einfluss nur dort deutlich und unzweifelhaft feststellen,
wo die Juden in grösserer Zahl vorhanden waren. Im 2. Jahr-
hundert z. B. sind die Juden auf der Insel Cypern in der Mehrzahl;
sie beschliessen einen Nationalstaat zu gründen und befolgen zu diesem
Zweck das aus dem Alten Testament bekannte Verfahren: sie er-

1) Siehe das Buch des Juden David Mocatta: Die Juden in Spanien und
Portugal,
(deutsch von Kayserling 1878), wo ausführlich erzählt wird, wie in
Spanien: »Geschlechter und Geschlechter von geheimen Juden lebten, vermischt
mit allen Klassen der Gesellschaft, im Besitze jeder Stellung im Staate und be-
sonders in der Kirche
«!
2) Graetz: a. a. O., II, 563.
3) Israel Abrahams: Jewish Life in the Middle Ages.
4) André Réville: Les Paysans au Moyen-Age, 1896, p. 3.
5) Siehe u. A. Realis: Die Juden und die Judenstadt in Wien, 1846, S. 18 u. s. w.
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[333/0356] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. nicht weiss, was zu wissen Not thäte. Keinem brauche ich aber erst mitzuteilen, dass durch alle christliche Jahrhunderte hindurch die Juden eine, wenn auch manchmal eng beschränkte, so doch wichtige Rolle spielten. Schon in den frühesten westgotischen Zeiten ver- standen sie es, als Sklavenhändler und Geldvermittler sich Einfluss und Macht zu verschaffen. Waren sie auch nicht allerorten, wie bei den spanischen Mauren, mächtige Staatsminister, die dem Beispiel Mardochai’s folgend, die einträglichsten Ämter mit »der Menge ihrer Brüder« füllten, brachten sie es auch nicht überall, wie im katholischen Spanien, zum Bischof und Erzbischof, 1) so war doch ihr Einfluss überall und immer ein grosser. Schon die Babenberg’schen Fürsten des 13. Jahrhunderts gaben ihren Nachfolgern das Beispiel, die Finanzen des Landes von Juden verwalten zu lassen und diese Ver- walter durch Ehrentitel auszuzeichnen; 2) der grosse Papst Innocenz III. vergab wichtige Stellen in seinem Hofstaate an Juden; 3) die Ritter Frankreichs mussten Gut und Habe an die Juden verpfänden, um an den Kreuzzügen teilnehmen zu können; 4) Rudolph von Habsburg be- günstigte die Juden in jeder Weise, er »vindizierte sie als Knechte seiner kaiserlichen Kammer«, und indem er sie der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit entzog, machte er es sehr schwer, eine Klage gegen einen Juden überhaupt durchzuführen; 5) kurz: das, was ich den Ein- tritt der Juden in unsere europäische Geschichte nenne, hat nicht aufgehört, zu jeder Zeit und an jedem Orte sich fühlbar zu machen. Wer befähigt wäre, Geschichte mit dem einen Zweck zu studieren, den jüdischen Einfluss genau zu entwirren, würde, glaube ich, un- erwartete Ergebnisse zu Tage fördern. Ohne Detailforschung können wir diesen Einfluss nur dort deutlich und unzweifelhaft feststellen, wo die Juden in grösserer Zahl vorhanden waren. Im 2. Jahr- hundert z. B. sind die Juden auf der Insel Cypern in der Mehrzahl; sie beschliessen einen Nationalstaat zu gründen und befolgen zu diesem Zweck das aus dem Alten Testament bekannte Verfahren: sie er- 1) Siehe das Buch des Juden David Mocatta: Die Juden in Spanien und Portugal, (deutsch von Kayserling 1878), wo ausführlich erzählt wird, wie in Spanien: »Geschlechter und Geschlechter von geheimen Juden lebten, vermischt mit allen Klassen der Gesellschaft, im Besitze jeder Stellung im Staate und be- sonders in der Kirche«! 2) Graetz: a. a. O., II, 563. 3) Israel Abrahams: Jewish Life in the Middle Ages. 4) André Réville: Les Paysans au Moyen-Age, 1896, p. 3. 5) Siehe u. A. Realis: Die Juden und die Judenstadt in Wien, 1846, S. 18 u. s. w.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/356>, abgerufen am 24.11.2024.