Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Erben.
nun bei uns Menschen die Nation, welche fast immer Vermischung,
gefolgt von Inzucht bewirkt, eine ausschlaggebende Rolle. Ganz
Europa beweist es. Herr Renan zeigt, wie viele Slaven mit den
Germanen verschmolzen sind, und stellt ziemlich hämisch die Frage,
ob man überhaupt berechtigt sei, die heutigen Deutschen "Germanen"
zu nennen: nun, mich dünkt, über Namen braucht man in solchen
Fällen nicht zu streiten, -- was die heutigen Deutschen sind, hat
Herr Renan im Jahre 1870 erfahren können; er erfuhr es ausserdem
durch die Gelehrten, deren Fleiss er neun Zehntel seines Wissens
verdankt. Das ist der Erfolg von Rassenerzeugung durch Nationen-
bildung. Und da Rasse nicht bloss ein Wort ist, sondern ein
organisches, lebendiges Wesen, so folgt ohne weiteres, dass sie nie
stehen bleibt: sie veredelt sich, oder sie entartet, sie entwickelt
sich nach dieser oder jener Richtung und lässt andere Anlagen
verkümmern. Das ist ein Gesetz alles individuellen Lebens. Der
feste nationale Verband ist aber das sicherste Schutzmittel gegen
Verirrung; er bedeutet gemeinsame Erinnerung, gemeinsame Hoffnung,
gemeinsame geistige Nahrung; er festet das bestehende Blutband und
treibt an, es immer enger zu schliessen.

Der Held.

Ebenso wichtig wie die klare Erkenntnis des organischen Verhält-
nisses zwischen Rasse und Nation, ist die des organischen Verhält-
hältnisses zwischen der Rasse und ihrer Quintessenz, dem Helden,
oder Genie. Gemeiniglich glauben wir wählen zu müssen zwischen
Heldenanbetung und Heldengeringschätzung. Beides ist gleich falsch.
Was ich schon in der allgemeinen Einleitung ausgeführt habe,
braucht nicht wiederholt zu werden; hier aber, wo die Rassen-
frage im Vordergrund steht, tritt uns dieses Problem in einer
besonders klaren Fassung entgegen und bei einiger Kraft der An-
schauung müssen wir doch einsehen: der Einfluss der geistig hervor-
ragenden Individuen in einem Geschlecht, wie das menschliche, dessen
Eigenheit auf der Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten beruht, ist
unermesslich, zum Guten und auch zum Bösen; diese Individuen sind
die tragenden Füsse, die bildenden Hände jedes Volkes, sie sind das
Antlitz, welches wir Andere erblicken, sie sind das Auge, welches
selber die übrige Welt in einer bestimmten Weise erschaut und dem
übrigen Organismus mitteilt. Hervorgebracht werden sie jedoch vom
gesamten Körper; nur durch dessen Lebensthätigkeit können sie ent-
stehen, nur an ihm und in ihm gewinnen sie Bedeutung. Was soll
mir die Hand, wenn sie nicht aus einem kräftigen Arm als ein Stück,

Die Erben.
nun bei uns Menschen die Nation, welche fast immer Vermischung,
gefolgt von Inzucht bewirkt, eine ausschlaggebende Rolle. Ganz
Europa beweist es. Herr Renan zeigt, wie viele Slaven mit den
Germanen verschmolzen sind, und stellt ziemlich hämisch die Frage,
ob man überhaupt berechtigt sei, die heutigen Deutschen »Germanen«
zu nennen: nun, mich dünkt, über Namen braucht man in solchen
Fällen nicht zu streiten, — was die heutigen Deutschen sind, hat
Herr Renan im Jahre 1870 erfahren können; er erfuhr es ausserdem
durch die Gelehrten, deren Fleiss er neun Zehntel seines Wissens
verdankt. Das ist der Erfolg von Rassenerzeugung durch Nationen-
bildung. Und da Rasse nicht bloss ein Wort ist, sondern ein
organisches, lebendiges Wesen, so folgt ohne weiteres, dass sie nie
stehen bleibt: sie veredelt sich, oder sie entartet, sie entwickelt
sich nach dieser oder jener Richtung und lässt andere Anlagen
verkümmern. Das ist ein Gesetz alles individuellen Lebens. Der
feste nationale Verband ist aber das sicherste Schutzmittel gegen
Verirrung; er bedeutet gemeinsame Erinnerung, gemeinsame Hoffnung,
gemeinsame geistige Nahrung; er festet das bestehende Blutband und
treibt an, es immer enger zu schliessen.

Der Held.

Ebenso wichtig wie die klare Erkenntnis des organischen Verhält-
nisses zwischen Rasse und Nation, ist die des organischen Verhält-
hältnisses zwischen der Rasse und ihrer Quintessenz, dem Helden,
oder Genie. Gemeiniglich glauben wir wählen zu müssen zwischen
Heldenanbetung und Heldengeringschätzung. Beides ist gleich falsch.
Was ich schon in der allgemeinen Einleitung ausgeführt habe,
braucht nicht wiederholt zu werden; hier aber, wo die Rassen-
frage im Vordergrund steht, tritt uns dieses Problem in einer
besonders klaren Fassung entgegen und bei einiger Kraft der An-
schauung müssen wir doch einsehen: der Einfluss der geistig hervor-
ragenden Individuen in einem Geschlecht, wie das menschliche, dessen
Eigenheit auf der Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten beruht, ist
unermesslich, zum Guten und auch zum Bösen; diese Individuen sind
die tragenden Füsse, die bildenden Hände jedes Volkes, sie sind das
Antlitz, welches wir Andere erblicken, sie sind das Auge, welches
selber die übrige Welt in einer bestimmten Weise erschaut und dem
übrigen Organismus mitteilt. Hervorgebracht werden sie jedoch vom
gesamten Körper; nur durch dessen Lebensthätigkeit können sie ent-
stehen, nur an ihm und in ihm gewinnen sie Bedeutung. Was soll
mir die Hand, wenn sie nicht aus einem kräftigen Arm als ein Stück,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0317" n="294"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/>
nun bei uns Menschen die Nation, welche fast immer Vermischung,<lb/>
gefolgt von Inzucht bewirkt, eine ausschlaggebende Rolle. Ganz<lb/>
Europa beweist es. Herr Renan zeigt, wie viele Slaven mit den<lb/>
Germanen verschmolzen sind, und stellt ziemlich hämisch die Frage,<lb/>
ob man überhaupt berechtigt sei, die heutigen Deutschen »Germanen«<lb/>
zu nennen: nun, mich dünkt, über Namen braucht man in solchen<lb/>
Fällen nicht zu streiten, &#x2014; was die heutigen Deutschen <hi rendition="#g">sind,</hi> hat<lb/>
Herr Renan im Jahre 1870 erfahren können; er erfuhr es ausserdem<lb/>
durch die Gelehrten, deren Fleiss er neun Zehntel seines Wissens<lb/>
verdankt. Das ist der Erfolg von Rassenerzeugung durch Nationen-<lb/>
bildung. Und da Rasse nicht bloss ein Wort ist, sondern ein<lb/>
organisches, lebendiges Wesen, so folgt ohne weiteres, dass sie nie<lb/>
stehen bleibt: sie veredelt sich, oder sie entartet, sie entwickelt<lb/>
sich nach dieser oder jener Richtung und lässt andere Anlagen<lb/>
verkümmern. Das ist ein Gesetz alles individuellen Lebens. Der<lb/>
feste nationale Verband ist aber das sicherste Schutzmittel gegen<lb/>
Verirrung; er bedeutet gemeinsame Erinnerung, gemeinsame Hoffnung,<lb/>
gemeinsame geistige Nahrung; er festet das bestehende Blutband und<lb/>
treibt an, es immer enger zu schliessen.</p><lb/>
            <note place="left">Der Held.</note>
            <p>Ebenso wichtig wie die klare Erkenntnis des organischen Verhält-<lb/>
nisses zwischen Rasse und Nation, ist die des organischen Verhält-<lb/>
hältnisses zwischen der Rasse und ihrer Quintessenz, dem <hi rendition="#g">Helden,</hi><lb/>
oder Genie. Gemeiniglich glauben wir wählen zu müssen zwischen<lb/>
Heldenanbetung und Heldengeringschätzung. Beides ist gleich falsch.<lb/>
Was ich schon in der allgemeinen Einleitung ausgeführt habe,<lb/>
braucht nicht wiederholt zu werden; hier aber, wo die Rassen-<lb/>
frage im Vordergrund steht, tritt uns dieses Problem in einer<lb/>
besonders klaren Fassung entgegen und bei einiger Kraft der An-<lb/>
schauung müssen wir doch einsehen: der Einfluss der geistig hervor-<lb/>
ragenden Individuen in einem Geschlecht, wie das menschliche, dessen<lb/>
Eigenheit auf der Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten beruht, ist<lb/>
unermesslich, zum Guten und auch zum Bösen; diese Individuen sind<lb/>
die tragenden Füsse, die bildenden Hände jedes Volkes, sie sind das<lb/>
Antlitz, welches wir Andere erblicken, sie sind das Auge, welches<lb/>
selber die übrige Welt in einer bestimmten Weise erschaut und dem<lb/>
übrigen Organismus mitteilt. Hervorgebracht werden sie jedoch vom<lb/>
gesamten Körper; nur durch dessen Lebensthätigkeit können sie ent-<lb/>
stehen, nur an ihm und in ihm gewinnen sie Bedeutung. Was soll<lb/>
mir die Hand, wenn sie nicht aus einem kräftigen Arm als ein Stück,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0317] Die Erben. nun bei uns Menschen die Nation, welche fast immer Vermischung, gefolgt von Inzucht bewirkt, eine ausschlaggebende Rolle. Ganz Europa beweist es. Herr Renan zeigt, wie viele Slaven mit den Germanen verschmolzen sind, und stellt ziemlich hämisch die Frage, ob man überhaupt berechtigt sei, die heutigen Deutschen »Germanen« zu nennen: nun, mich dünkt, über Namen braucht man in solchen Fällen nicht zu streiten, — was die heutigen Deutschen sind, hat Herr Renan im Jahre 1870 erfahren können; er erfuhr es ausserdem durch die Gelehrten, deren Fleiss er neun Zehntel seines Wissens verdankt. Das ist der Erfolg von Rassenerzeugung durch Nationen- bildung. Und da Rasse nicht bloss ein Wort ist, sondern ein organisches, lebendiges Wesen, so folgt ohne weiteres, dass sie nie stehen bleibt: sie veredelt sich, oder sie entartet, sie entwickelt sich nach dieser oder jener Richtung und lässt andere Anlagen verkümmern. Das ist ein Gesetz alles individuellen Lebens. Der feste nationale Verband ist aber das sicherste Schutzmittel gegen Verirrung; er bedeutet gemeinsame Erinnerung, gemeinsame Hoffnung, gemeinsame geistige Nahrung; er festet das bestehende Blutband und treibt an, es immer enger zu schliessen. Ebenso wichtig wie die klare Erkenntnis des organischen Verhält- nisses zwischen Rasse und Nation, ist die des organischen Verhält- hältnisses zwischen der Rasse und ihrer Quintessenz, dem Helden, oder Genie. Gemeiniglich glauben wir wählen zu müssen zwischen Heldenanbetung und Heldengeringschätzung. Beides ist gleich falsch. Was ich schon in der allgemeinen Einleitung ausgeführt habe, braucht nicht wiederholt zu werden; hier aber, wo die Rassen- frage im Vordergrund steht, tritt uns dieses Problem in einer besonders klaren Fassung entgegen und bei einiger Kraft der An- schauung müssen wir doch einsehen: der Einfluss der geistig hervor- ragenden Individuen in einem Geschlecht, wie das menschliche, dessen Eigenheit auf der Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten beruht, ist unermesslich, zum Guten und auch zum Bösen; diese Individuen sind die tragenden Füsse, die bildenden Hände jedes Volkes, sie sind das Antlitz, welches wir Andere erblicken, sie sind das Auge, welches selber die übrige Welt in einer bestimmten Weise erschaut und dem übrigen Organismus mitteilt. Hervorgebracht werden sie jedoch vom gesamten Körper; nur durch dessen Lebensthätigkeit können sie ent- stehen, nur an ihm und in ihm gewinnen sie Bedeutung. Was soll mir die Hand, wenn sie nicht aus einem kräftigen Arm als ein Stück,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/317
Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/317>, abgerufen am 27.11.2024.