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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
bestimmten historisch-geographischen Bedingungen abhängt;
diese sind es, welche die Veredelung des Grundmaterials, sowie die
Inzucht und die Zuchtwahl unbewusst vollbringen, sie auch -- wenn
ein guter Stern über der Geburtsstätte eines neuen Volkes waltet --
führen die glücklichen Stammesehen herbei und wenden die Prostitution
des Edlen in den Armen des Unedlen ab. Dass es in unserem Jahr-
hundert eine Zeit gab, wo gelehrte Forscher (Buckle an der Spitze)
lehren konnten, die geographischen Verhältnisse erzeugten die Rassen,
des dürfen wir heute füglich mit der kargen Ehre einer Paralipse ge-
denken; jene Lehre bedeutet einen Schlag ins Gesicht aller Geschichte
und aller Beobachtung. Dagegen lässt jedes einzelne der aufgezählten
Gesetze, dazu namentlich die Beispiele aus Rom, Griechenland, England,
Judäa und Südamerika so deutlich begreifen, inwiefern die historisch-
geographischen Bedingungen zu dem Entstehen und zu dem Vergehen
eines Stammes nicht nur beitragen, sondern geradezu ein entscheidendes
Moment dabei bilden, dass ich hier von weiteren Ausführungen ab-
sehen kann.1)

Andere
Einflüsse.

Ist hiermit die Rassenfrage erschöpft? Weit entfernt davon!
Diese biologischen Probleme sind von enormer Komplexität. Sie um-
fassen z. B. die noch so geheimnisvolle Thatsache der Vererbung,
über deren Grundprinzipien die bedeutendsten Fachleute alle Tage
uneiniger werden.2) Ausserdem wären noch allerhand andere Um-
stände in Betracht zu ziehen, die ein eingehendes Studium zu Tage
fördert. Die Natur ist eben ein Unerschöpfliches; wir mögen das
Lotblei noch so tief senken, den Boden erreichen wir niemals. Wer
über diese Dinge nachdenken will, wird z. B. nicht übersehen dürfen,
dass geringe Zahlen fremder Elemente von einer starken Rasse in
kurzer Zeit ganz und gar absorbiert zu werden pflegen, dass es aber

1) Wäre z. B., wie man häufig behauptet, das Klima von Attica das aus-
schlaggebende gewesen, so wäre nicht einzusehen, warum die Genialität seiner
Einwohner nur unter gewissen Rassenbedingungen entstand und nach ihrer Auf-
hebung auf ewig verschwand; ganz klar wird dagegen die Bedeutung der historisch-
geographischen Verhältnisse, sobald wir gewahr werden, dass sie Attica während
Jahrhunderte von den endlosen Umwälzungen der Völkerwanderung abschieden,
zugleich aber dazu dienten, ihr eine ausgewählte edle Bevölkerung aus ver-
schiedenen doch stammverwandten Volkszweigen zuzuführen, die nun miteinander
zu einer neuen Rasse verschmolzen.
2) Eine interessante Zusammenfassung der verschiedenen Meinungen aus
neuester Zeit findet der Leser in Friedrich Rohde's: Entstehung und Vererbung indivi-
dueller Eigenschaften,
1895.

Die Erben.
bestimmten historisch-geographischen Bedingungen abhängt;
diese sind es, welche die Veredelung des Grundmaterials, sowie die
Inzucht und die Zuchtwahl unbewusst vollbringen, sie auch — wenn
ein guter Stern über der Geburtsstätte eines neuen Volkes waltet —
führen die glücklichen Stammesehen herbei und wenden die Prostitution
des Edlen in den Armen des Unedlen ab. Dass es in unserem Jahr-
hundert eine Zeit gab, wo gelehrte Forscher (Buckle an der Spitze)
lehren konnten, die geographischen Verhältnisse erzeugten die Rassen,
des dürfen wir heute füglich mit der kargen Ehre einer Paralipse ge-
denken; jene Lehre bedeutet einen Schlag ins Gesicht aller Geschichte
und aller Beobachtung. Dagegen lässt jedes einzelne der aufgezählten
Gesetze, dazu namentlich die Beispiele aus Rom, Griechenland, England,
Judäa und Südamerika so deutlich begreifen, inwiefern die historisch-
geographischen Bedingungen zu dem Entstehen und zu dem Vergehen
eines Stammes nicht nur beitragen, sondern geradezu ein entscheidendes
Moment dabei bilden, dass ich hier von weiteren Ausführungen ab-
sehen kann.1)

Andere
Einflüsse.

Ist hiermit die Rassenfrage erschöpft? Weit entfernt davon!
Diese biologischen Probleme sind von enormer Komplexität. Sie um-
fassen z. B. die noch so geheimnisvolle Thatsache der Vererbung,
über deren Grundprinzipien die bedeutendsten Fachleute alle Tage
uneiniger werden.2) Ausserdem wären noch allerhand andere Um-
stände in Betracht zu ziehen, die ein eingehendes Studium zu Tage
fördert. Die Natur ist eben ein Unerschöpfliches; wir mögen das
Lotblei noch so tief senken, den Boden erreichen wir niemals. Wer
über diese Dinge nachdenken will, wird z. B. nicht übersehen dürfen,
dass geringe Zahlen fremder Elemente von einer starken Rasse in
kurzer Zeit ganz und gar absorbiert zu werden pflegen, dass es aber

1) Wäre z. B., wie man häufig behauptet, das Klima von Attica das aus-
schlaggebende gewesen, so wäre nicht einzusehen, warum die Genialität seiner
Einwohner nur unter gewissen Rassenbedingungen entstand und nach ihrer Auf-
hebung auf ewig verschwand; ganz klar wird dagegen die Bedeutung der historisch-
geographischen Verhältnisse, sobald wir gewahr werden, dass sie Attica während
Jahrhunderte von den endlosen Umwälzungen der Völkerwanderung abschieden,
zugleich aber dazu dienten, ihr eine ausgewählte edle Bevölkerung aus ver-
schiedenen doch stammverwandten Volkszweigen zuzuführen, die nun miteinander
zu einer neuen Rasse verschmolzen.
2) Eine interessante Zusammenfassung der verschiedenen Meinungen aus
neuester Zeit findet der Leser in Friedrich Rohde’s: Entstehung und Vererbung indivi-
dueller Eigenschaften,
1895.
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[288/0311] Die Erben. bestimmten historisch-geographischen Bedingungen abhängt; diese sind es, welche die Veredelung des Grundmaterials, sowie die Inzucht und die Zuchtwahl unbewusst vollbringen, sie auch — wenn ein guter Stern über der Geburtsstätte eines neuen Volkes waltet — führen die glücklichen Stammesehen herbei und wenden die Prostitution des Edlen in den Armen des Unedlen ab. Dass es in unserem Jahr- hundert eine Zeit gab, wo gelehrte Forscher (Buckle an der Spitze) lehren konnten, die geographischen Verhältnisse erzeugten die Rassen, des dürfen wir heute füglich mit der kargen Ehre einer Paralipse ge- denken; jene Lehre bedeutet einen Schlag ins Gesicht aller Geschichte und aller Beobachtung. Dagegen lässt jedes einzelne der aufgezählten Gesetze, dazu namentlich die Beispiele aus Rom, Griechenland, England, Judäa und Südamerika so deutlich begreifen, inwiefern die historisch- geographischen Bedingungen zu dem Entstehen und zu dem Vergehen eines Stammes nicht nur beitragen, sondern geradezu ein entscheidendes Moment dabei bilden, dass ich hier von weiteren Ausführungen ab- sehen kann. 1) Ist hiermit die Rassenfrage erschöpft? Weit entfernt davon! Diese biologischen Probleme sind von enormer Komplexität. Sie um- fassen z. B. die noch so geheimnisvolle Thatsache der Vererbung, über deren Grundprinzipien die bedeutendsten Fachleute alle Tage uneiniger werden. 2) Ausserdem wären noch allerhand andere Um- stände in Betracht zu ziehen, die ein eingehendes Studium zu Tage fördert. Die Natur ist eben ein Unerschöpfliches; wir mögen das Lotblei noch so tief senken, den Boden erreichen wir niemals. Wer über diese Dinge nachdenken will, wird z. B. nicht übersehen dürfen, dass geringe Zahlen fremder Elemente von einer starken Rasse in kurzer Zeit ganz und gar absorbiert zu werden pflegen, dass es aber 1) Wäre z. B., wie man häufig behauptet, das Klima von Attica das aus- schlaggebende gewesen, so wäre nicht einzusehen, warum die Genialität seiner Einwohner nur unter gewissen Rassenbedingungen entstand und nach ihrer Auf- hebung auf ewig verschwand; ganz klar wird dagegen die Bedeutung der historisch- geographischen Verhältnisse, sobald wir gewahr werden, dass sie Attica während Jahrhunderte von den endlosen Umwälzungen der Völkerwanderung abschieden, zugleich aber dazu dienten, ihr eine ausgewählte edle Bevölkerung aus ver- schiedenen doch stammverwandten Volkszweigen zuzuführen, die nun miteinander zu einer neuen Rasse verschmolzen. 2) Eine interessante Zusammenfassung der verschiedenen Meinungen aus neuester Zeit findet der Leser in Friedrich Rohde’s: Entstehung und Vererbung indivi- dueller Eigenschaften, 1895.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/311>, abgerufen am 28.11.2024.